Von der Wahrheit

Buchvorstellung

Karl Jaspers

Von der Wahrheit.

Lizenzausg.

3. Aufl.

Darmstadt: Wissenschaftliche Buchgesellschaft, 1983 [(1) 1947].

Gebunden, XXIII, 1103.

„Wir leben nicht unmittelbar im Sein, daher wird Wahrheit nicht unser fertiger Besitz. Wir leben im Zeitdasein: Wahrheit ist unser Weg.“ [1]


„Ich verfüge nicht über meine Liebe, kann nicht bezwecken, ob und was ich lieben möchte oder nicht.“ [2]

Karl Jaspers war Wissenschaftler, Arzt und Psychiater, er war vielleicht der bedeutendste Philosoph des zwanzigsten Jahrhunderts, und er war ein kritischer politischer Schriftsteller. Hannah Arendt sagte von ihm, er sei “in … eigentlich jeder Hinsicht der einzige Nachfolger …, den Kant je gehabt hat”[3]. Für Jaspers war Philosophie nie eine Sache für den akademischen Elfenbeinturm, sondern immer für den einzelnen denkenden und fühlenden Menschen. Entsprechend hat er auch immer wieder die akademischen Mauern verlassen und die Öffentlichkeit gesucht. Von manchem Zeitgenossen als unbequem empfunden hat er nicht nur zu philosophischen Fragen Stellung bezogen, sondern auch zu politischen (was ja ohnehin nicht wirklich trennbar ist). Die Forderung nach Menschlichkeit sprach immer wieder aus seinen Worten. Die Frage nach der Existenz, die Kommunikation mit anderen Menschen als existenziell wesentlich, die Erörterung von Vernunft als oberstem Erkenntnisvermögen sind zentrale Themen in seiner Philosophie. Und vor diesem Hintergrund erörtert Jaspers in seiner Philosophie besonders die Liebe als existenziell wesentliche positive und eigentlich sinnstiftende Kraft. „Liebend sehe ich erst, was eigentlich ist.“[4] Im liebenden Kampf finden die Liebenden zu sich und zu einander. Kommunikation bekommt hier ihren ganz besonderen Sinn, denn nur in Kommunikation erfahren wir Wesentliches.

Umschlagtext der Taschenbuchausgabe im Piper-Verlag (ISBN 3-492-11001-0, 1991)

Das Hauptwerk Jaspers‘ »Von der Wahrheit« ist eine Logik der Ursprünge, eine Metaphysik des Umgreifenden und eine Phänomenologie der Vernunft.

»Hier haben sich wissenschaftliche Spekulation und tiefe Weisheit in einzigartiger Weise vermählt. Mitten zwischen den abstraktesten Untersuchungen finden sich allerorten Formulierungen von einer Tiefsicht und Lebensweisheit, daß sie ohne Vorbehalt in den eigenen Besitz übergehen.« Südwestfunk

[1] Jaspers, Karl: Von der Wahrheit. Lizenzausg. Darmstadt: Wissenschaftliche Buchgesellschaft, 1983 [1947 (1)], S. 1.

[2] Jaspers, Wahrheit, S. 992.

[3] Arendt, Hannah: Humanitas. Laudatio anlässlich der Verleihung des Friedenspreises des Deutschen Buchhandels an Karl Jaspers 1958. Frankfurt am Main: Börsenverein des deutschen Buchhandels, o. J. [1958], S. 3 (http://www.boersenverein.de/sixcms/media.php/806/1958_jaspers.pdf).

[4] Jaspers, Wahrheit, S. 991.

Was ist Aufklärung?

Buchvorstellung

Kant, Erhard, Hamann, Herder, Lessing, Mendelsohn, Riem, Schiller, Wieland

Was ist Aufklärung?

Thesen und Definitionen.

Hrsg. v. Ehrhard Bahr.

Stuttgart: Philipp Reclam jun., 1992 [(1) 1784 bis 1795].

Kartoniert, 85.

ISBN 3-15-009714-2

Umschlagtext

»Aufklärung ist der Ausgang des Menschen aus seiner selbstverschuldeten Unmündigkeit.« Die Definition Kants ist mit dieser Textsammlung in die historische Situation der Jahre 1783 bis 1795 gestellt. Aber unübertroffen bleiben bis heute Kants Einsichten in den Mechanismus der Vorurteile und in deren Rückwirkung auf ihre Urheber.

Technik – Was ist wesentlich?

Was ist wesentlich?

Atomkraft – Über die Nutzung einer unbeherrschbaren Technik

Kommentar – im Ostfalen-Spiegel

Von Rainer Elsner

In Japan hat ein Erdbeben für die starke Beschädigung eines Atomkraftwerkes gesorgt. Dieser Schaden ist dabei, in eine Katastrophe ähnlichen Ausmaßes zu münden, wie dies bei der Havarie des Atomkraftwerkes in Tschernobyl 1986 der Fall war und wozu es bereits einige Jahre zuvor, 1979, in dem Kernkraftwerk[1] Three Mile Island bei Harrisburg in den USA beinahe gekommen wäre. Vor dem Hintergrund der Gefahren für Leib und Leben von unzähligen Menschen stellt sich die Frage: Was ist wesentlich?

Zunächst muss die weltweit in großem Umfang erfolgende bedenkenlose Nutzung einer im Zweifel nicht beherrschbaren Technik wie der Kernenergie[1] kritisch betrachtet werden. Dies sind wir auch den nun durch das Erdbeben leidenden Menschen in Japan schuldig, denn sie sind durch diese Technik einer zusätzlichen Gefahr ausgesetzt. Es stellt sich dann die Frage, warum wir Menschen eine gefährliche Technik wie die Atomenergie seit Jahrzehnten relativ sorglos einsetzen. Umso mehr stellt sich diese Frage, da sich die Risiken nicht in der Möglichkeit einer nuklearen Katastrophe erschöpfen und die Atomkraft auch nicht die einzige unbeherrschbare Risikotechnik ist.

Unbeherrschbares Erbe

Denn wenn bei strahlenden Abfällen durch die Halbwertszeit der radioaktiven Elemente zumindest theoretisch noch ein Ende des Problems gesehen werden kann, so ist dies bei einer anderen von uns angewandten Technik schlicht nicht möglich. Wir überlassen unseren Kindern und Kindeskindern also ein gewaltiges unbeherrschbares Erbe.

Was in der Auseinandersetzung um die Atomkraft bisher wenig beachtet wird, ist die Gentechnik. Dies geschieht wohl auch aus dem verbreiteten Hang zum einfachen Denken. Mit der Gentechnik, vor allem der sorglosen Freisetzung gentechnisch veränderter Organismen, haben wir aber eine nach der Atomkraftnutzung weitere Stufe verantwortungsloser technischer Bearbeitung unserer Lebenswelt betreten! Einmal in die freie Natur entlassen kann niemand (!) vorhersagen, was diesem massiven Eingriff in die – eigenen Gesetzen folgende – Natur nachkommt.

Und dann stellen sich uns viele Fragen! Wer hat all dies zu verantworten, was eigentlich niemand verantworten kann? Und warum handeln Menschen so verantwortungslos? Wem nutz es? Was folgt als nächstes in dieser verhängnisvollen Entwicklung? Und können wir diese Entwicklung noch stoppen?

Abschließende Antworten kann und will ich hier nicht liefern. Vielmehr will dieser Kommentar möglichst viele Menschen zum kritischen Nachdenken anstoßen – zum Nachdenken über unseren gedankenlosen Einsatz jedweder verfügbarer Technik und über die damit verbundenen Verantwortlichkeiten.

Wer trägt die Verantwortung?

Wer trägt die Verantwortung? Völlig zu Recht müssen wir uns zunächst alle selbst in die Pflicht nehmen, denn eigentlich immer, besonders aber in einem demokratischen Gemeinwesen verantworten alle Glieder eines Gemeinwesens die Handlungen dieses Gemeinwesens. Dann aber stellt sich auch die Frage nach den Machtverhältnissen? Ganz offensichtlich schauen wir dann auf Politikerinnen und Politiker. Doch auch die Bundeskanzlerin – mit ihrem fragwürdigen Moratorium – oder der Bundestag entscheiden nicht allein! Ein nicht unbedeutender Teil der Macht in unserem Gemeinwesen – übrigens grenzübergreifend, also weltweit – befindet sich tatsächlich in den Händen von Konzernen – und in manchen Ländern auch von Oligarchen. Und dann suchen und fragen wir eben auch diese meist mehr im Hintergrund operierenden Menschen.

Wo liegt die Verantwortung bei der Freisetzung gentechnisch veränderter Organismen? Und welchen Nutzen hat die Gentechnik in der Landwirtschaft? Für die Menschheit hat sie wenig Nutzen aber unübersehbare Risiken, für die Konzerne Bayer/Aventis, Monsanto, Syngenta und DuPont jedoch bringt sie riesige Gewinne!

Und bei der Atomkraft? Im aktuellen Beispiel der Atomenergie liegt in Deutschland ein wesentlicher Anteil der Verantwortung bei den vier großen Energieversorgungskonzernen, E.ON, RWE, EnBW und Vattenfall Europe, und da dann vorrangig in den Händen der Unternehmensführung vertreten durch den jeweiligen Vorstandvorsitzenden (aber dennoch auch bei den Aktionäre und Kunden!). Wenn wir nach der Verantwortung fragen, dann müssen wir also auch und gerade die – demokratisch nicht legitimierten, wohl aber auf die gesamte Gesellschaft Einfluss nehmenden – Unternehmensführungen und konkret die Vorstandvorsitzenden fragen, ob sie diese genannten Gefahren verantworten können? Und ganz konkret können wir zum Beispiel den Vorstandvorsitzenden der E.ON AG (dem hauptsächlichen Versorger hier in Ostfalen) ein paar Fragen stellen: Das Atommüllendlager ASSE II bei Wolfenbüttel. Geht der Vorstandsvorsitzende der E.ON AG mit hinunter in das Bergwerk? Hilft er unter Bedrohung seiner Gesundheit bei der Bergung der radioaktiven Abfälle mit? Und bei einem drohenden „Super-GAU“ im hier nächstgelegenen AKW Grohnde bei Hameln. Was würde er wohl empfinden, wüsste er, dass eines seiner Kinder unmittelbar vor Ort ist? Oder er selbst, geht er bei einem drohenden „Super-GAU“ vor Ort in den Gefahrenbereich, um die Katastrophe abzuwenden? Ist der Vorstandvorsitzende der E.ON AG folglich bereit, seine eigene Gesundheit und sein eigenes Leben und nicht nur das Leben von Mitarbeitern und Rettungskräften zu riskieren? Das müssen wir fragen und daraus ergibt sich dann ein Appell auch an diese Verantwortungsträger!

Was ist also wesentlich?

Was ist also wesentlich? Wesentlich ist, dass sich jeder einzelne Mensch in unserem Gemeinwesen seiner Verantwortung bewusst wird. Wesentlich ist, dass sich jeder Mensch an die eigene Betroffenheit erinnert. Wesentlich ist, dass sich jeder Mensch des ihm innewohnenden Gefühls der Verbundenheit mit den anderen Menschen bewusst wird. Es ist also nicht nur eine Frage der eigenen Verantwortung, sondern davor eine Frage der eigenen Würde, also letztlich der eigenen Vernunft (nicht des einfachen Verstandes!), was wir als wesentlich anerkennen und zum Maßstab unseres Handelns erklären!

„Vernunft ist in Bewegung ohne gesicherten Bestand.
Sie drängt zur Kritik jeder gewonnenen Position, steht daher im Gegensatz zu der Neigung, sich durch endgültige feste Gedanken vom weiteren Denken zu befreien.“[2]

„… es ist ein Wunder, … daß in der Vernunft eine Kraft der Selbsterhaltung liegt, die als Freiheit immer wieder wirklich wird. Vernunft ist wie ein offenbares Geheimnis, das jederzeit jedem kund werden kann, der stille Raum, in den jeder einzutreten vermag durch eigenes Denken.“[3]

Karl Jaspers

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Weitere Informationen

Das Beispiel AKW Grohnde, weniger als 100 km Luftlinie entfernt von Braunschweig. Folgende sicherheitsrelevante Informationen hat Greenpeace im Herbst 2010 im Greenpeace Magazin 06/2010 veröffentlicht:

  • Meldepflichtige Ereignisse pro Jahr: 8,46 (Einstufung: viel)
  • Konstruktionsbedingte Sicherheitsmängel: In der 3. Baulinie wurden einige Sicherheitssysteme verbessert. Dennoch ist das aus den 70er-Jahren stammende Kraftwerksdesign stark veraltet. Beim gezielten Absturz eines großen Verkehrsflugzeugs würde die Betonhülle bersten.
  • Zwischenfälle (Auswahl):
    1985: Das Hochdruck-Notkühlsystem ist nicht einsatzfähig, weil eine der vier Pumpen Gas statt Wasser enthält. 
Ein Leck im Primärkühlkreislauf hätte somit zur Kernschmelze führen können.
    1990: An 18 Zentrierstiften, die verhindern sollen, 
dass sich Brennelemente verschieben, werden während einer Revision Schäden entdeckt.
    2005: Wegen verschiedener Störungen wird im Juni binnen zwei Wochen zweimal eine Schnellabschaltung ausgelöst.
    2010: Im August werden bei der jährlichen Revision an einer Anlage zur Abwasseraufbereitung ein Leck und eine räumlich begrenzte radioaktive Kontamination entdeckt. [4]

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Quellen und Hinweise

[1] Begriffserklärung: Kernkraftwerk und Kernenergie werden von den Befürwortern der Atomkraft erst etwa seit den 1960er Jahren vorrangig verwandt. Zuvor waren hauptsächlich Begriffe mit der Vorsilbe Atom im Gebrauch. Unter anderem wegen einer Abgrenzung zur Atombombe wurde dann auf Seiten der Befürworter die harmloser klingende Vorsilbe Kern eingeführt. Kritiker der Atomenergie behielten die Vorsilbe Atom und die Bezeichnung Atomkraft bei.

[2] Jaspers, Karl: Vernunft und Widervernunft in unserer Zeit: Drei Vorlesungen. Neuausg. 3. Aufl. München: Piper, 1990 [(1) 1950], S. 34.

[3] Jaspers, Vernunft, S. 71.

[4] Hassenstein, Wolfgang: „Nukleares Roulette“ in greenpeace magazin 6.10, S.31 ff.

25 Jahre Tschernobyl – Bundesweite Demonstration auch in Ostfalen

25 Jahre Tschernobyl – AKWs endlich abschalten!

Bundesweite Demonstration an dreizehn Atomstandorte

Wolfenbüttel/Salzgitter, 16.03.2011. (re) Ein Bündnis aus Anti-Atom-Initiativen, Umweltverbänden und Friedensinitiativen organisiert anlässlich des 25. Jahrestages der Reaktor-Katastrophe von Tschernobyl eine bundesweite Gedenk- und Protestaktion. Vor dem Hintergrund der tragischen Vorfälle in Japan erscheint diese mahnende Aktion aktueller denn je. Die Veranstalter schreiben auf ihrer Internetseite:“Ausgerechnet Ostermontag, am 25. April, findet die nächste bundesweite Demonstration gegen Atomenergie statt. Denn manche Anlässe lassen sich eben nicht verschieben: Am folgenden Tag jährt sich die Reaktor-Katastrophe von Tschernobyl zum 25. Mal und die Forderung ist, endlich Konsequenzen zu ziehen und die Atomkraftwerke abzuschalten. Darum werden zeitgleich an zehn Reaktor-Standorten und drei weiteren Atom-Standorten große Aktionen stattfinden.”

Ausstiegs-Haltestellen in der gesamten Region

Das Braunschweiger Land ist einer der drei weiteren Atom-Standorte, an denen Aktionen stattfinden sollen. Mit den aktiven Endlagern Morsleben und ASSE II sowie dem im Bau befindlichen Endlager Schacht KONRAD ist das Braunschweiger Land, also ein bedeutender Teil von Ostfalen, von der Atomenergienutzung stark und nachhaltig betroffen. Im Braunschweiger Land ist es geplant, möglichst in der ganzen Region kleinere und größere Aktionen durchzuführen. Dazu sollen sogenannte Ausstiegs-Haltestellen dienen. Nähere Informationen finden sich auf der Internetseite der bundesweiten Initiative und auf der Internetseite der Arbeitsgemeinschaft Schacht KONRAD e. V.

Abschlusskundgebung am Schacht Konrad

Von 14:00 bis 16:00 Uhr ist an diesem Tag dann eine Abschlusskundgebung auf der Industriestraße Nord vor Schacht KONRAD geplant.

Ostfalen-Spiegel: Den Atomausstieg selber machen

Ostfalen-Spiegel wechselt zu Stromversorgung absolut ohne Atomkraft

Den Atomausstieg selber machen!

Wolfenbüttel, 15.03.2011. (re) Bereits seit Jahren bezieht die Redaktion laut ihrem Energieversorger ihren Strom zu einhundert Prozent aus erneuerbaren Energiequellen frei von Atom- und Kohlestrom. Bei vielen Anbietern ist dies allerdings nur ein Tarif neben Tarifen mit Atom- und Kohlestrom (meist von den vier großen deutschen Energieversorgern und Atomkraftwerksbetreibern). Entsprechend werden diese Energieversorger mindestens indirekt weiter unterstützt. Hinzu kommt, dass nur ein stetiger Zubau von ökologisch verträglichen Kraftwerken zu einem tatsächlichen Atomausstieg führt.

Atomkonzern E.ON hält einen Anteil von 26 Prozent an den Stadtwerken Wolfenbüttel

Bereits vor dem Erdbeben und dem damit verbundenen atomaren Notstand in Japan hat die Redaktion den Wechsel zu Greenpeace Energy eingeleitet. Ausschlaggebend für die Entscheidung für diesen Anbieter sind der konsequente Vertrieb von ökologisch verträglichem Strom ohne Atom und Kohle, der Bau eigener, sauberer Kraftwerke und das Genossenschaftsmodell. Hinzu kommen die Besitzverhältnisse des bisherigen Stromversorgers, der Stadtwerke Wolfenbüttel. Der große Atomkonzern E.ON AG hält über den Regionalversorger E.ON Avacon AG einen Anteil von 26 Prozent an den Stadtwerken Wolfenbüttel (die übrigen 74 Prozent gehören der Stadt Wolfenbüttel). Somit wurde der Energieversorger E.ON auch direkt unterstützt. Dies gab den letzten Anstoß zum Wechsel.

Atomausstieg selber machen

Die Redaktion des Ostfalen-Spiegels empfiehlt allen Leserinnen und Lesern, dringend über den eigenen Atomausstieg nachzudenken. Dabei ist Greenpeace Energy nicht der einzige empfehlenswerte Energieversorger! Sowohl für den eigenen Haushalt als auch für Gewerbebetriebe ist ein selbstgemachte Atomausstieg jederzeit möglich. Die Initiative “Atomausstieg selber machen”, ein Bündnis von Umweltverbänden, Verbraucherschutz-Organisationen und Anti-Atom-Initiativen, fordert seit 2006 dazu auf : “Wir rufen alle Menschen und Unternehmen in Deutschland dazu auf, kein Geld mehr an die Atomkonzerne und ihre Tochterunternehmen zu zahlen.” Auf der Internetseite von “Atomausstieg selber machen” finden sich zahlreiche Informationen zum persönlichen Atomausstieg und Empfehlungen für wirklich unabhängige Stromanbieter.

IV. Mehr Schein als Sein

Mehr Schein als Sein

oder

Verantwortung verpflichtet!

Gedanken zum Zeitgeist IV – im Ostfalen-Spiegel

Von Rainer Elsner

Verantwortung verpflichtet! So ist die Internetseite von Herrn Freiherr Karl-Theodor von und zu Guttenberg überschrieben. Aber hat sich dies in der Affäre um seine Doktorarbeit widergespiegelt – sowohl bei ihm als auch im öffentlichen Umgang damit? Wofür steht diese Affäre möglicherweise stellvertretend? Zählt der Schein heute mehr als das Sein? Was an dieser Affäre ist für unsere freiheitliche und demokratische Gesellschaft von – vielleicht sogar fundamentaler – Bedeutung? Zur Diskussion über solche Fragen will dieser Kommentar anregen. Dabei geht es nicht allein um die Person Guttenberg, sondern vielmehr um sich in der Affäre spiegelnde Denkhaltungen und deren gesellschaftliche Bedeutung. Für deren Verdeutlichung muss dann aber eben das Verhalten des Herrn zu Guttenberg beispielhaft näher betrachtet werden!

Verantwortung verpflichtet! Und die Übernahme von Verantwortung setzt Charakter und Verantwortungsbewusstsein voraus. Also sollten wir in den entsprechenden Positionen von Politik und Wirtschaft beides vermehrt antreffen. Und wache Bürgerinnen und Bürger sollten die Trägerinnen und Träger von Verantwortung auch entsprechend beobachten und beurteilen. Für den gesunden Menschenverstand eine Schlüssige Annahme, oder? – Aber weit gefehlt! Denn die nähere Betrachtung der Plagiatsaffäre um den ehemaligen Verteidigungsminister Karl-Theodor von und zu Guttenberg zeigt leider in Teilen der Öffentlichkeit einen ganz anderen Umgang. Somit ist dieses Ereignis beispielgebend dafür, wie weit unserer gesellschaftliches Wertesystem und das damit verbundene Verantwortungsbewusstsein möglicherweise schon wieder verfallen sind. Mancherorts zählt mehr Schein als Sein, geübte Blender werden mehr geachtet als unscheinbar aber verantwortungsbewusst tätige Menschen. Dr. Helmut Kohl sprach vor seiner „Machtübernahme“ von einer geistig-moralischen Wende – geschafft!? Nun, angesichts mancher merkwürdigen Bewertung dieses Ereignisses oder auch anderer öffentlicher Darbietungen scheint sich diese Wende im Denken nicht weniger Menschen tatsächlich vollzogen, vielleicht sogar bereits manifestiert zu haben.

Ich habe früher in der Schule auch abgeschrieben

„Ich weiß gar nicht, was die haben, ich habe früher in der Schule auch abgeschrieben! Der Herr von und zu Guttenberg ist doch so ein gut aussehender freundlicher Mann – und der hat auch so eine schöne Frau an seiner Seite!“ – So oder ähnlich lauten die Kommentare, die wir in den ersten Tagen der Affäre im Radio von Moderatorinnen und Moderatoren hörten oder die wir in der Presse lesen konnten in Bezug auf die Plagiatsvorwürfe gegen Herrn zu Guttenberg. So etwas sendete hier in Niedersachsen der private Radiosender FFN genauso wie der öffentlich-rechtliche Sender NDR2 – und anderswo in Deutschland wird es nicht anders gewesen sein. Letzterer (NDR2) lässt so etwas nicht nur seine Moderatoren sagen, sondern kreiert dazu sogar extra eine Folge der Comedy-Serie „Frühstück bei Stefanie“ – von Rundfunkgebühren bezahlt, die nicht zuletzt erhoben werden, um die Bildung und die Informationsfreiheit für uns Bürgerinnen und Bürger zu gewährleisten! Dem wachen, vernünftigen und verantwortungsbewussten Menschen dreht sich dabei der Magen um! „Freiherr ist doch sowieso mehr“ geht es dann weiter. Im Falle dieses Beitrages mag ein Hinweis auf die Ironie ja noch stimmen. Allerdings wird die von vielen Menschen gar nicht mehr erkannt, sondern das wird tatsächlich wieder so gedacht. Es ist richtig, dass es ein „oben“ und ein „unten“ gibt. Wenn jemand es schafft, eine schöne Fassade aufzubauen oder gar „blaues Blut“ in seiner Adern fließt, dann hat der ja ohnehin mehr Würde; „die Reichen und Schönen“ sind ja so bewundernswert! wird tatsächlich geglaubt. „Oh, heute hat der Chef mit mir gesprochen!“ gilt als die höchste Ehre. – „Der Auszug aus der selbstverschuldeten Unmündigkeit“[1] (Kant) hat leider noch immer nicht stattgefunden! Nun gehört es zur Freiheit des Menschen auch, dumm zu sein und dumm zu bleiben. Doch für eine Gesellschaft und somit letzten Endes auch für einzelne Menschen („dumme“ wie „schlaue“) kann diese Beschränktheit schlimme Folgen haben! Wer in der Schule Geschichte lückenlos bis zur Gegenwart gelernt und dabei aufgepasst hat, müsste dies wissen! Der folgende Satz von Hannah Arendt mag dann zusätzlich zum Denken anregen:

„… der Stolz eines Bürgers einer Republik ist [es], nicht mehr zu gelten in öffentlichen Angelegenheiten als irgendein anderer Bürger – dies ist seine »Tugend« – … wenn man in einer Republik nicht mehr weiß, was Tugend ist, … so geht [diese] … ihrem Ende entgegen.“[2]

Charakterschwäche

Für einen Herrn Guttenberg entwickeln die Menschen dann plötzlich ein Mitgefühl. Das tägliche Leid Millionen von Menschen in der Welt oder auch nur das Pech des Nachbarn prallt an ihrer Einfühlsamkeit ab, aber der „arme“ Minister tut ihnen dann plötzlich leid. Dabei ist die Schicksalsverantwortung eigentlich ganz anders verteilt. Aber dennoch lachen die Menschen tatsächlich, über die Menschen, die sich aufregen und über Menschen, die Pech haben und … Schlichte Gemüter, die sich nicht bewusst sind, wohin wir schon wieder unterwegs sind? Vielleicht, aber es geht durch alle Bildungsschichten! Und Menschen, denen ein smart wirkendes Auftreten und eine schöne Fassade mehr wert ist als Ehrlichkeit, die haben mindestens, wie es scheint, eine Charakterschwäche – sowohl die, die sich so geben, als auch die, die so etwas bewundern! Wobei den Bewunderern vielleicht noch ihr einfacher Geist zu Gute gehalten werden können mag oder dass sie es schlicht nicht sofort als nur schöne Fassade erkennen. Allerdings frei nach Kant: die Anlage zum eigenständigen Denken haben wir alle mit der Geburt bekommen. Aufgabe einer freien Gesellschaft ist es dann, diese Anlage zu fördern – durch Bildung, die Vermittlung von Wissen und die Charakterbildung. Und da hat unsere Gesellschaft in den vergangenen Jahrzehnten versagt. Mit Willy Brandt als Bundeskanzler begann eine kurze Ära, in der dieses Ideal ganz bewusst angestrebt wurde. Schon gut zehn Jahre später, 1982, begann ein Ära, die noch immer andauert, in der dieses Ideal und seine realen Folgen allem Anschein nach bewusst untergraben und zerstört wurden und werden – zum Machtausbau und Machterhalt! Und viele Journalistinnen und Journalisten arbeiten heute fleißig daran mit. Angefangen hat das früh schon mit einem bekannten Boulevard-Blatt, fortgesetzt hat sich das dann mit der Einführung des privaten Rundfunks und privaten Fernsehens und erreicht wurden mittlerweile auch die öffentlich bezahlten Medien, die ja inzwischen auch ohne Probleme mit der bekannten Boulevardpresse zusammenarbeiten. In vor allem privaten Fernsehsendungen wird beispielsweise gefeiert, wie sich Menschen wie du und ich öffentlich bloßstellen oder wie diese öffentlich bloß gestellt werden. Haben wir gelacht! Merkwürdige Castingshows sind interessanter als ein anspruchsvoller Spielfilm. Und mit der Übertragung von Boxkämpfen in ARD und ZDF wird nach meinem Empfinden Gewaltanwendung auch noch als Sport kultiviert. Die Einschaltquote bei der Übertragung der königlichen Hochzeit in London wird dann andeuten, wie viele Menschen auch hierzulade doch gerne wieder einen König (vielleicht einen von und zu Guttenberg?) hätten. Hurra, wir verblöden! Die tendenzielle Tragweite dieser noch um viele Beispiele erweiterbaren Entwicklung scheint vielen nicht bewusst zu sein, gefährlich ist sie dennoch!

„… Wir wollen mehr Demokratie wagen. … Wir wollen eine Gesellschaft, die mehr Freiheit bietet und mehr Mitverantwortung fordert. …“

Willy Brandt [3]

Titel, dessen blendenden Schein ich für meine Karriere in Politik und Wirtschaft benötige

Zurück zum aktuellen Beispiel. Es ist sehr wohl ein himmelweiter Unterschied, ob ein Kind oder ein Heranwachsender in der fünften oder siebten Klasse in einer Klassenarbeit abschreibt, oder ob ein erwachsener und gereifter (?) Mensch die „höchsten Weihen“ anstrebt, die unser Bildungssystem zu vergeben hat (beides ist zwar eine Verfehlung, aber das Kind findet noch zu sich als Person). Und das ist erstrecht ein Unterschied in einer Gesellschaft, in welcher Menschen mit Titel für besonders gehalten werden (was sie als Menschen nicht sind!). Und wirklich finster wird es, wenn es „ja nicht so schlimm“ sein soll, dass dies von einem Inhaber eines hohen Staatsamtes gemacht wurde. Ein Amt auch noch, in dem dieser Mensch die Verantwortung für viele andere Menschen trägt, die täglich das Leben wieder anderer Menschen und ihr eigenes Leben riskieren. Da fehlen einem schlicht die Worte! Jeder Student bekommt schon seine Hausarbeit „um die Ohren geschlagen“, wenn er sich nicht die Mühe macht, die Arbeit selbst zu verfassen, sondern sie abschreibt (vorausgesetzt sein Dozent merkt dies!)! Aber bei einem Minister soll dies nicht so schlimm sein? Jeder und jede, die wissenschaftlich arbeiten gelernt haben, weiß um die Sträflichkeit einer solchen Arbeitsweise. Und das hat ja auch einen Sinn. Wer den Doktor anstrebt, strebt eigentlich an, die Wissenschaft voran zu treiben (und idealer Weise nicht allein den Titel!). Und dafür erbringt er oder sie in der Doktorarbeit einen entscheidenden, besonderen Anteil. Und dazu gehört ein gewissenhaftes Arbeiten! Wenn es mir aber ohnehin nur um einen Titel geht, dessen blendenden Schein ich für meine Karriere in Politik und Wirtschaft benötige, dann muss ich mich ja nicht mit solchen „Kleinigkeiten“ aufhalten, oder? Mit Nichten! Denn eine solche Arbeitsweise ist ja nicht allein in der Wissenschaft (was aber auch allein sträflich wäre) untragbar, sondern ja wohl in jedem Arbeitsfeld. Kaum jemand würde sich gerne in ein Auto setzen, was mit einer solchen Denkhaltung montiert wurde. Sowohl dem so handelnden als auch den dieses Handeln Tolerierenden fehlt es einfach an einem Unrechtsbewusstsein und folglich auch an Verantwortungsbewusstsein!

Als Spross einer alten Adelsfamilie sind einem zunächst enge Grenzen gesetzt

Bei Herrn Guttenberg zeigt ein kurzer Blick in den entsprechenden Wikipedia-Eintrag (mit einem Verweis auf das ARD-Politik-Magazin Panorama) interessanterweise, dass dieser ohnehin zu Übertreibungen in seinem Lebenslauf neigt. – Soziologisch und psychologisch betrachtet können wir für das Verhalten von Herrn von und zu Guttenberg vielleicht sogar Erklärungen und somit „Entschuldigungen“ finden, denn als Spross einer alten Adelsfamilie sind einem vielleicht doch zunächst enge Grenzen gesetzt. Aber das ändert nichts an der politischen und moralischen Bewertung! Für Herrn Guttenberg bleibt zu wünschen, dass er diesen Einschnitt in sein Leben nutzt, um seine Denkungsart als Mensch (!) kritisch zu hinterfragen.

„Das junge Volk bildet sich ein,
Sein Tauftag sollte der Schöpfungstag sein.
Möchten sie doch zugleich bedenken,
Was wir ihnen als Eingebinde schenken.“

Johann Wolfgang von Goethe [4]

Die Kunduz-Affäre

Vor dem Hintergrund des Umgangs von Guttenberg mit der berechtigten Kritik an seiner Doktorarbeit erscheinen auch die schon fast in Vergessenheit geratene Kunduz-Affäre und auch seine bemühte Nähe zu den Soldaten in einem neuen Licht. In der Kunduz-Affäre hat Herr Guttenberg seinen Staatssekretär und den Generalinspekteur der Bundeswehr Schneiderhan entlassen, weil sie ihn angeblich unvollständig unterrichtet hätten. Der entlassene General, dem als Offizier wohl ein besonderes Pflichtbewusstsein zugesprochen werden kann und der eine solche Unterstellung sehr wahrscheinlich als ehrverletzend ansieht, versichert, dem Minister keine Informationen vorenthalte zu haben! Damals wie heute scheint ein immer gleiches Verhalten erkennbar zu sein. Erst wird forsch vorgeprescht und Aktionismus gezeigt, dann folgt ein langsames Rückwärtsgehen, in dem Fehler entweder anderen zugeschrieben, als geringfügig dargestellt oder als nun mal nicht vermeidbar abgetan werden. Erst, wenn es gar nicht mehr anders geht, werden sie eingestanden – soweit notwendig.

Guttenberg versteckt sich hinter seinen Soldaten

Und besonders unerträglich erscheint es nun auch, wenn sich Herr Guttenberg dann noch in seiner Rücktrittsrede darüber beschwert, dass die Berichte über seine Verfehlungen in den Medien den Tod und die Verwundung deutscher Soldaten in Afghanistan in den Hintergrund treten ließen. Da sind wir wieder bei der Frage nach der Verantwortung angekommen. Herr zu Guttenberg versteckt sich hinter seinen Soldaten! Was macht Herr von und zu Guttenberg mal wieder, als die Affäre langsam „hochkocht“ (kurz vor dem tragischen Tod der Soldaten)? Er fliegt schnell zu einem medienwirksamen Front-Besuch nach Afghanistan. So wie er den Afghanistan-Krieg immer wieder gern für medienwirksame Auftritte genutzt hatte – bis hin zu einer Fernsehshow zusammen mit seiner Frau Stephanie und Moderator Johannes B. Kerner. Hauptsache ein edler Schein bleibt gewahrt. An all das mögen bitte alle Soldatinnen und Soldaten denken, die jetzt ihrem Minister nachtrauern! Denn die Presse hat in unserer Demokratie den Auftrag, der Politik kritisch auf die Finger zu schauen. Ein verantwortungsbewusster Verteidigungsminister hätte den Vorgang abgekürzt, indem er seine Fehler sofort öffentlich eingestanden und seine Konsequenzen gezogen hätte. Dann hätte die Presse auch dem tragischen Tod der Soldaten und der Verwundung ihrer Kameraden wieder mehr Raum schenken und damit dies angemessener würdigen können.

„… so besteht stets die Möglichkeit, daß sich das Erscheinende schließlich, indem es verschwindet, als bloßer Schein herausstellt.“

Hannah Arendt [5]

Die promovierte Physikerin Merkel lässt weit blicken

Damit sind wir aber noch nicht am Ende. Zu Recht und zum Glück gab es einen breiten Aufschrei aus der Wissenschaft! Denn wenn Herr Guttenberg damit durchgekommen wäre, hätte der gesamte deutsche Wissenschaftsapparat darunter gelitten. Die Würdigung deutscher Promotionsverfahren ist nicht Gegenstand dieses Kommentars, auch wenn diese bei der Doktorwürde des Ex-Ministers auch eine Rolle gespielt haben. Wenn es aber bei einer deutschen Doktorarbeit nicht mehr auf die Genauigkeit und Wahrhaftigkeit ankommt, dann verliert die gesamte Wissenschaft an Glaubwürdigkeit. Am Ende zählt ein deutscher Abschluss nichts mehr. Und auch eine fundierte kritische Auseinandersetzung mit Problemen wie zum Beispiel dem Atommüllendlager in der Asse bei Wolfenbüttel ist nicht mehr möglich, da es keine glaubwürdigen Wissenschaftler mehr gibt. Dass die promovierte Physikerin Merkel dann sagt, sie hätte einen Minister und keinen wissenschaftlichen Mitarbeiter eingestellt, lässt weit blicken – ihr Wissenschaftsverständnis betreffend, die charakterlichen Anforderungen für verantwortliche Ministerinnen und Minister betreffend und auch ihr eigenes Verantwortungsbewusstsein betreffend!

„… Wahrhaftigkeit im Inneren des Geständnisses vor sich selbst und zugleich im Betragen gegen jeden Anderen, sich zur obersten Maxime gemacht, ist der einzige Beweis des Bewußtseins eines Menschen, daß er einen Charakter hat …“

Immanuel Kant [6]

Vor dem Hintergrund der gesamten Affäre scheint es für alle verantwortungsbewussten Menschen ratsam, über die Tragweite der den beschriebenen Vorgängen zugrunde liegenden Denkhaltung von Menschen und Gesellschaft nachzudenken. Besonders betrachtenswert scheinen die Menschen, die so handeln ebenso wie die Menschen, die dies Handeln gutheißen; die Medien, allen voran die bekannte Boulevardpresse, die ihrer primären Aufgabe, der kritischen Begleitung von Politik und Wirtschaft, nicht gerecht werden; und Menschen überhaupt, die sich lieber vom schönen Glanz blenden lassen, als den eigenen Verstand zu benutzen.

Ergänzend sei hier noch angemerkt, dass die bekannte Boulevardpresse den Minister „hochgeschrieben“ und die Plagiatsvorwürfe zunächst schöngeredet hat und das diese Presse zugleich vom Verteidigungsministerium mit einer umsatzstarken Werbekampagne für dringend benötigte Freiwillige beauftragt wurde.

Für Reflexion und Diskussion ist eine kritische Betrachtung notwendig

Abschließend betone ich aber wieder, dass es nicht um die Forderung nach „Unfehlbarkeit“ geht! Auch soll dies keine abschließende Verurteilung von Herrn Guttenberg sein. Das ist die Aufgabe der betroffenen Hochschule, der zuständigen Gerichte und mit der gebotenen menschlichen Rücksichtnahme die eines jeden Bürgers und einer jeden Bürgerin für sich. Aber für die Reflexion und eine Diskussion dieser Vorkommnisse und der damit verbundenen Denkhaltung ist eine kritische Betrachtung notwendig und zulässig. Verfehlungen begeht jeder Mensch! Bei der Beurteilung dieser Verfehlungen spielen dann sicher auch Absicht und Tragweite, also die Folgen, eine Rolle. Wie es scheint, kann mittlerweile wohl eine Absicht unterstellt werden. Das hieße dann aber, dass ein erwachsener Mann, der bereits eine Position mit gesellschaftlicher Verantwortung bekleidete, wie ein Schüler abgeschrieben hat. Und die tendenzielle Tragweite (in diesem Beispiel wahrscheinlich nicht die in vollem Umfang beabsichtigte) wurde zuvor zumindest in Teilen beschrieben. Eine große Verantwortung setzt auch einen starken und ehrlichen Charakter voraus. Wer sich der Verantwortung verpflichtet fühlt, muss dieser auch jederzeit eindeutig versuchen gerecht zu werden und auch eindeutig versuchen entsprechend zu handeln. Wie schon im alltäglichen Umgang von Menschen miteinander, Freunde, Nachbarn, Verkäufer, Kunden usw., so sollten auch und erstrecht in Verantwortungspositionen der Gesellschaft Aufrichtigkeit und Wahrhaftigkeit vorrangige Tugenden sein. Doch wenn Politik, Wirtschaft und Medien mit solchen Beispielen voran gehen, wen wundert dann noch der „alltägliche“ Versicherungsbetrug? – um nur ein Beispiel für leider sehr verbreitete Verfehlungen zu nennen. Es fragt sich also, was den Blender zum Blenden treibt ebenso wie, warum sich heute wieder viele Menschen so gerne blenden lassen? Vielleicht sollte nicht nur Herr Guttenberg seine Denkungsart hinterfragen? Charakterbildung ist eine Aufgabe, vor der sich jeder Mensch irgendwann wiederfindet – dies wird nur leider häufig nicht erkannt. Alle zusammen sollten wir uns in jedem Fall aber in allen Bereichen unserer Lebenswelt wieder um mehr Aufrichtigkeit und Wahrhaftigkeit bemühen!

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Weitere Informationen:

Ein interessanter Kommentar zu Guttenbergs Rücktritt findet sich auf den NachDenkSeiten mit dem Titel „Guttenbergs unaufrichtiger Rücktritt

Was hinter der Guttenberg-Affäre verschwindet zeigt ein anderer Beitrag der NachDenkSeiten: „Die Hauptsache verschwindet hinter dem Getöse um Guttenberg: der Ausbau der Bundeswehr zu einer Interventionsarmee, auch zur Durchsetzung wirtschaftlicher Interessen

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Quellen

[1] Kant, Immanuel: “Beantwortung der Frage: Was ist Aufklärung?”, Berlinische Monatsschrift 4 (1784), S. 481-494. Zitiert nach Kant, Erhard, Hamann u. a.: Was ist Aufklärung? Thesen und Definitionen. Stuttgart: Reclam, 1992, S.9 [auch Projekt Gutenberg].

[2] Arendt, Hannah: Elemente und Ursprünge totaler Herrschaft: Antisemitismus, Imperialismus, totale Herrschaft. Ungek. Taschenbuchausg. 11. Aufl. München: Piper, 2006 [(1) 1951], S. 959 f. [Hervorhebung i. Orig.].

[3] Brandt, Willi: Regierungserklärung 1969 (http://www.bwbs.de/UserFiles/File/PDF/Regierungserklaerung691028.pdf).

[4] Goethe, Johann Wolfgang von: Sämtliche Werke. Band XIV. Lyrische und epische Dichtungen. Band I. Hrsg. von Hans Gerhard Gräf. Druck des 27. Bis 29. Tausends von Breitkopf & Härtel in Leipzig. Leipzig: Inselverlag, [o. J.], S. 590 [Scan (Digitalisierung) des Buches zu finden im Internet Archive unter: http://www.archive.org/stream/leipsmtlichew14goetuoft/leipsmtlichew14goetuoft_djvu.txt].

[5] Arendt, Hannah: Vom Leben des Geistes: Das Denken: Das Wollen. Hrsg. V. Mary McCarthy. A. d. Amerik. V. Hermann Vetter. Ungek. Taschenbuchausg. 2. Aufl. München: Piper, 2002 [(1) 1971], S. 47 [Hervorhebung i. Orig.].

[6] Kant, Immanuel: Anthropologie in pragmatischer Hinsicht. Hrsg. u. eingel. V. Wolfgang Becker. M. e. Nachw. V. Hans Ebeling. Stuttgart: Philipp Reclam jun., 1983 [(1) 1798], S. 245 [auch: http://www.korpora.org/Kant/aa07/295.html].

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Gedanken zum Zeitgeist

In den Gedanken zum Zeitgeist erscheinen in loser Folge kritische Kommentare zur aktuellen gesellschaftlichen und politischen Entwicklung in Deutschland und der Welt. Die einzelnen Gedanken zum Zeitgeist fokusieren in der Regel ein Thema und setzen auch unterschiedliche Schwerpunkte.  Grundsätzliche Standpunkte wie auch der philosophische Unterbau werden dabei nicht jedes Mal neu dargelegt. Für ein besseres Verständnis der Basis der geäußerten Kritik ist es also sinnvoll, nach und nach alle Gedanken zum Zeitgeist zu lesen und auch die Seite Ostfalen-Spiegel.

I. Tapfer sterben für …

II. Der Finger in der Wunde

III. Die Demokratie lebt vom Diskurs

IV. Mehr Schein als Sein

V. Begründung einer Hoffnung

VI. Wer das Geld hat –

VII:.…

Ostfalen-Spiegel überarbeitet – Nachtrag

Kurzer Nachtrag zur Überarbeitung des Ostfalen-Spiegels

Wolfenbüttel, 16.02.2011. (re) Unsere Situation lässt es notwendig erscheinen, sich zu besinnen! Und aus dieser Besinnung heraus sollten dann Diskussionen geführt werden. Den Kommunikation ist wesentlich! Als Denkanstöße, aber auch, da sich aus der Gesamtheit der Aufsätze „Gedanken zum Zeitgeist“ das Selbstverständnis und die Verortung des Ostfalen-Spiegels ergeben, werden diese Aufsätze nun auf einer eigenen statischen Seite „Zeitgeist“ zugänglich gemacht.

Ostfalen-Spiegel überarbeitet

Kleine Überarbeitung des Ostfalen-Spiegels

Wolfenbüttel, 14.02.2011. (re) Mitte Februar wurde der Ostfalen-Spiegel einer kleinen Überarbeitung unterzogen. Hauptsächlich wurden dabei die statischen Seiten überarbeitet. In die Seite „Ostfalen-Spiegel“ wurde neben dem Abschnitt „In eigener Sache“ ein zweiter Abschnitt „Formalitäten“ eingefügt. Hier werden der Aufbau des Ostfalen-Spiegels, die einzelnen statischen Informations-Seiten, Artikel und Kategorien sowie die Kommentarfunktion erläutert.  In Folge dessen wurde die Seite mit der Erläuterung der Kommentarfunktion entfernt.

Neue Seite „Einkehr-Empfehlungen“

Neu hinzu gekommen ist eine kleine Service-Seite „Einkehr-Empfehlungen„, in welcher die Redaktion aus ihrer subjektiven Sicht Gaststätten in Ostfalen empfiehlt. Außerdem wurde die Seite „Verweise“ neu sortiert. Und es wurden in die Seiten „Impressum“, „Ostfalen-Spiegel“ und „Verweise“ ein verlinktes Inhaltsverzeichnis eingefügt.

Mit Radau auf den Brocken

Mit Radau auf den Brocken

Ausflugsziele in Ostfalen – Natur, Geschichte, Gegenwart

Eine ausgedehnte Wandertour (gewandert im Mai 2008) führt durch eine schöne Landschaft hinauf auf den Brocken und wieder hinab ins Eckertal. Dabei wird von am Wegesrand liegenden Orten erzählt und die Schönheit der Natur des Harzes gezeigt. Zugleich können Wanderin und Wanderer ihre körperliche Verfassung einer Prüfung unterziehen, denn es werden etwa 900 Höhenmeter bezwungen – hinauf und auch wieder hinab. Wie im Harz allgemein üblich, sind die Wege meist gut beschildert und ausgezeichnet.

Anfahrt: mit dem Pkw oder mit dem Bus, Fahrplanauskünfte:

Ausgangspunkt: Harz, Niedersachsen, Parkplatz und Bushaltestelle am Radauwasserfall an der B4, Parkplatz im Radautal

Länge: etwa 23,1 km (oder etwa 24 km)

Höhen: zw. 446 m u. 1140 m ü. NN , zu Überwinden sind ca. 910 Höhenmeter auf u. ab

Kennzeichnung der Wege: Wie im Harz allgemein üblich sind die Wege meist gut beschildert und ausgezeichnet. Dies erfolgt in der Regel durch die Zweigvereine des Harzklubs, hier in Zusammenarbeit mit dem Nationalpark Harz.

Rast: Bänke, Schutzhütten, drei Orte mit Gaststätten

Grundsätzliche Ratschläge: finden sich bei Gedanken, Hinweise und Tipps zum Wandern

Bad Harzburg. (re) Ein besonders guter Blick über Ostfalen ist auf der regional höchsten Erhebung zu bekommen, dem Brocken. Der Brocken ist mit 1141,1 Metern der höchste Berg im Harz und in Norddeutschland. Lange Zeit wurde die Höhe mit 1142 Metern angegeben. Eine neue Messung erbrachte aber die bereits von Carl Friedrich Gauß ermittelte Höhe von 1141,1 Metern. Nun ja, in modernen Zeiten wird die Realität dann eben den Vorstellungen angepasst. Für den Bezug zu der in vielen Landkarten und Büchern angegebene Höhe von 1142 Metern wurde Mitte der 1990er Jahre ein Felsbrocken auf den Gipfel gestellt, der den Berg auf etwa 1143 Meter erhöht und eine Markierung auf der Höhe von 1142 m trägt.

Viele Wege auf den Brocken

Es gibt viele Wege auf den Brocken. Besucherinnen und Besucher können den Brocken sportlich oder bequem mit verschiedenen Arten der Fortbewegung erreichen, zu Fuß als Wanderer, mit dem Fahrrad, mit der Pferdekutsche oder mit der Brockenbahn und im Winter auf Skiern. Nur Personen mit Sondergenehmigung dürfen den Mitten im Nationalpark Harz gelegenen Gipfel mit dem Automobil anfahren. Dieser Bericht beschreibt die Fortbewegung zu Fuß aus der Sicht eines Wanderers. Die meisten Streckenabschnitte können aber auch mit dem Fahrrad, vorzugsweise einem Mountainbike, befahren werden. Verantwortungsbewusste Mountainbiker nehmen dabei gerne Rücksicht auf Wanderer, die in die Natur gehen, um sich von der Hektik des Alltags zu erholen!

Wandernd kann der Gipfel von zwei Seiten aus erklommen werden, vom Norden her über den Hirtenstieg und von Süden her über die Brockenstraße. Weiter bergab verzweigen sich diese Wege dann aber, so dass eigentlich von grob gesagt fünf Richtungen für den Anstieg auf den Brocken geredet werden kann. Diese fünf Richtungen sind von Ilsenburg aus im Nordosten, von Schierke aus im Südosten, Oderbrück als Ausgangspunkt im Südwesten, Torfhaus im Westen und Bad Harzburg im Nordwesten. Für die Auswahl des genauen Ausgangspunktes gibt es dann je nach Zeit und Kondition sowie landschaftliches Interesse noch eine etwas größere Zahl von Möglichkeiten. Bei allen Ausgangspunkten müssen mehrere hundert Höhenmeter überwunden werden, so dass eine Wandertour auf den Brocken von den zu überwindenden Höhenmetern her mindestens leicht alpinen Charakter hat. Zur Vorbereitung einer alpinen Bergtour eignet sich der Brocken somit hervorragend. Entsprechend ist die Voraussetzung für eine Wandertour auf den Brocken auch das Vorhandensein von genügend Kraft und Kondition. Wanderin oder Wanderer müssen keine Leistungssportler sein. Wer aber das ganze Jahr nur am Schreibtisch sitzt, wird wohl besser mit der Bahn fahren.

Kraft und Ausdauer auf dem Rad

Mit einem Gemisch aus Verwunderung und Bewunderung haben wir auf unserer Wanderung einen Mann beobachtet, der etwa zeitgleich mit uns gestartet war. Auf einem herkömmlichen Drei-Gang-Rad machte er sich auf dem Weg zum Gipfel. Schiebend trafen wir ihn später wieder. Denn gerade für den Aufstieg mit dem Fahrrad sind Kraft und Ausdauer hilfreich, wenn nicht sogar notwendig. Und ein modernes Mountainbike mit guter Übersetzung ist sehr empfehlenswert. Spätestens an den steilen Stellen kommt es sonst zur Zwangspause oder gar zum Kollaps. Und für die Abfahrt sind dann sehr gute Bremsen unerlässlich und auch ein Helm sollte getragen werden!

Auf den Gipfel des Brockens führt der Kolonnenweg, später Hirtenstieg vom Norden her oder die Brockenstraße vom Süden her.  In den Kolonnenweg münden der längste Aufstieg, der Heinrich-Heine-Weg, der von Ilsenburg herauf kommt und der Weg aus Richtung Bad Harzburg. Mit der Brockenstraße aus Schierke vereint sich der Goetheweg aus Richtung Torfhaus, welcher zuvor bereits die Wanderer vom Soldatenfriedhof und aus Oderbrück aufgenommen hat. Die Brockenstraße kann zum Beispiel auch aus Richtung Drei Annen Hohne erreicht werden. Dies als kurzen Hinweis auf die zahlreichen Aufstiegsmöglichkeiten auf den Brocken. Die hier beschriebene Tour nähert sich dem Brocken von Nordwesten her. Ausgangspunkt ist das Radautal.

Ab in das Radautal

Wer mit öffentlichen Verkehrsmitteln anreist, steigt an der Haltestelle Radauwasserfall aus dem Bus. Von hier aus geht es auf der Ostseite der Bundesstraße 4 (B4) wenige Meter bergan. Dann zweigt eine Straße ab in das Radautal. Auf dem unscheinbaren Flüsschen Radau wurde in früheren Jahrhunderten sogar Holz geflößt. Die abzweigende Straße dient in erster Linie der Betreuung der Eckertalsperre und der Forstwirtschaft. Die Wanderung folgt dieser Straße, bis sie für den allgemeinen Verkehr gesperrt ist. Autoreisende können entweder auf dem Parkplatz gleich nach der Abzweigung von der B4 ihren Wagen abstellen oder sie fahren bis zu dem zweiten Parkplatz an der Sperre (Verkehrsschild). Dann verkürzt sich die Tour um knapp zwei Kilometer (Hin- und Rückweg zusammen). Der Ausgangspunkt am Taleingang bringt die Möglichkeit mit, die am Wegesrand liegende Schwefelquelle zu besuchen. Das markant riechende Wasser kann beruhigt getrunken werden.

Am zweiten Parkplatz gibt es dann zwei Möglichkeiten für den Anstieg, die Straße und einen Waldweg. In der Regel wird der schönere und nicht asphaltierte Waldweg gewählt, der sich vorbei an einer Hinweistafel links von der Straße nach Nordosten bewegt. Hier kommt der erste richtige Anstieg. Parallel zum Lohnbach kreuzt der Weg mehrere Wege, bis er wieder auf die Straße trifft. Der Straße folgt die Wanderung dann fast bis zur Talsperre. Unterwegs gibt es eine Wegegabelung mit einer Schutzhütte, die Luisenbank. Hier führt der Weg nach rechts. Nun geht es einige hundert Meter bergab und es öffnet sich (durch eine Holzfällung) ein erster Blick auf die 1942 in Betrieb genommene Eckertalsperre. Nach einer Linkskehre zweigt von der Straße ein Weg ab. Die Straße führt an den Fuß der Staumauer zu den dortigen Betriebsgebäuden der Harzwasserwerke, der Weg führt auf die Staumauer. Die Wanderung führt über den Weg nach etwa dreihundert Metern auf die Staumauer.

Ein besonderer Ort der Deutsch-Deutschen Geschichte

Mit der Staumauer wird ein besonderer Ort der Deutsch-Deutschen Geschichte betreten. Die Grenze zwischen den beiden deutschen Staaten verlief in der Mitte des Stausees und somit auch mitten durch die Staumauer. Vom Westen her konnten Besucher bis an die Grenze gehen. Dort trafen sie dann auf eine Mauer mit Stacheldraht und den obligatorischen Schwarz-Rot-Goldenen Grenzpfosten der DDR sowie ein Warnschild des Bundesgrenzschutzes. Mit Hinweistafeln und Bildern wird heute der Ort und die Geschichte der Talsperre erklärt. Auf der Ostseite der Sperrmauer steht die erste Stempelstelle der Harzer Wandernadel.

Auf der anderen Seite führt die Tour dann in einstmaliges Sperrgebiet, in das nur die Grenztruppen der DDR durften. Ein zeitlicher Blick zurück auf die Grenzsperren mit Stacheldrahtzäunen, Minenfeldern und Selbstschussanlagen sowie dem Schießbefehl für die Soldaten der Grenztruppen genügen, um die Menschenverachtung dieses Systems zu erkennen. Bei aller berechtigten Kapitalismuskritik kann eine menschliche Alternative kaum so aussehen!

Auf einem schönen Waldweg wird die Wanderung nun entlang der Uferböschung des Stausees fortgesetzt. Nach etwa drei Kilometern zweigt der Weg nach links ab und führt bergan in etwas Entfernung vorbei an ein paar Mauerresten zum Rangerpunkt Scharfenstein. Der Scharfenstein ist ein großer Felsen einige hundert Meter nördlich oberhalb dieses Wegepunktes. Zugleich trägt ein naher Umgebungspunkt, die zuvor passierte Ruine, diesen Namen. Dort war bis zum Zweiten Weltkrieg eine Alm für Vieh aus den Orten am nördlichen Harzrand. Heute tragen außerdem der Informationspunkt der Nationalparkverwaltung und die angegliederte Selbstbedienungsgaststätte diesen Namen. Der Informationspunkt (Rangerpunkt) wird von der Nationalparkwacht, auch Ranger genannt, betrieben. Hier steht eine weitere Stempelstelle der Harzer Wandernadel.

Betongitterplatten

In südlicher Richtung geht es von hier auf dem Kolonnenweg langsam bergauf zum Brockengipfel. Der Kolonnenweg ist bis hinauf zum Gipfel mit Betongitterplatten belegt. Dieser für das Wandern nicht so angenehme Belag diente den Grenztruppen der DDR zur motorisierten Fortbewegung. Auf dem Kolonnenweg wird der größte Teil der Steigung dieser Tour überwunden. Entsprechend steil sind einige Passagen, was besonders auf dem Fahrrad spürbar wird. Durch einen vergleichsweise niedrigen Fichtenwald geht es immer weiter hinauf. Etwa auf einer Höhe von 750 Metern trieft der Heinrich-Heine-Weg aus Ilsenburg kommend auf den Kolonnenweg. Eine Tafel erinnert an die Besteigung des Brockens durch den berühmten deutschen Dichter Heinrich Heine im Jahr 1824. Der Brocken war für manch bekannte Persönlichkeit das Ziel. Der eine oder andere Name wird im Verlauf der weiteren Tour noch auftauchen.

Weiter geht es über den Kleinen Brocken, wo die 1000-Meter-Marke überschritten wird. Das Brockenmassiv besteht aus insgesamt drei Gipfeln, dem Brocken als höchstem Punkt, dem Kleinen Brocken mit 1018 Metern und dem Königsberg mit 1034 Metern über NN. Außerdem gibt es noch die Heinrichshöhe mit 1040 Metern über Normal Null. Es folgt ein seichterer Abschnitt. Die nächste Steigung führt dann zur Passage der Brockenbahn, die den Gipfel einmal umkreist, bevor sie ihn am Brockenbahnhof erreicht. Ein Stück weiter oben kreuzt der Kolonnenweg den Brockenrundweg, auf dem der Gipfel auf gut zwei Kilometern Länge umrundet werden und die Aussicht in alle Himmelsrichtungen genossen werden kann. Noch ein paar Höhenmeter und der Gipfel ist erreicht. Hier versammeln sich einige vom weiten deutlich sichtbare Bauten. Neben den Gebäuden und Antennen der Deutschen Telekom gibt es hier das Brockenhotel, Ausstellungsräume des Nationalparks Harz, ein Restaurant, eine Gaststätte, den Brockenbahnhof mit einer weiteren Gaststätte. Nach der Grenzöffnung gab es zunächst nur diese Gaststätte im Bahnhof. Weiter gibt es noch ein Gebäude des Deutschen Wetterdienstes, welches ganzjährig besetzt ist. Und es gibt einen unscheinbaren kleinen aus Felssteinen gemauerten Unterschlupf, das Wolkenhäuschen als dem ältesten Gebäude auf diesem Berg. Hier steht auch die Stempelstelle der Harzer Wandernadel.

Schnaufende Dampflokomotive

Auf der Südseite der Gebäude ist das eigentliche Gipfelplateau mit der bereits beschriebenen Höhenmarke. An Wochenenden und auch an vielen Tagen der Urlaubssaison tummeln sich auf dem Brocken nicht selten mehr Menschen als in der Fußgängerzone einer Kleinstadt. Geschuldet ist dies der Brockenbahn, die mit alter Dampftechnik die meisten Menschen hier herauf befördert. Der Anblick der schnaufenden Dampflokomotive ist durchaus beeindruckend. Und eine Fahrt mit dieser historischen Schmalspurbahn ist ein Erlebnis. An manchen Tagen ist aber auch auf den Wanderwegen zum Brocken hinauf ein Gedränge. Je nach Vorliebe sollte die Planung der eigenen Tour darauf also achten.

Goethes Harzreise

Nach einer mehr oder weniger langen Rast auf dem Gipfel geht es östlich unterhalb des Bahnhofs auf der asphaltierten Brockenstraße wieder bergab. Die Brockenstraße führt zum schmucken Luftkurort Schierke südöstlich am Fuß des Brockens gelegen. Nach vielleicht einem Kilometer Gefälle verläuft die Straße in einer scharfen Linkskurve. Hier zweigt der 2008 bis 2009 auf diesem Abschnitt vollkommen sanierte Goetheweg nach Westen ab. Bis zur Sanierung war dies ein teilweise schwieriger Wandersteig, der über Felsen und Holzstege führte. Nun wurde der Weg planiert und geschottert. Anspruchsvolle Wanderer trauern dem alten Steig etwas hinterher. Wie der Name schon sagt, wird mit diesem Weg an die Besteigung des Brockens durch den wohl bekanntesten deutschen Dichter Johann Wolfgang von Goethe erinnert. Der Goetheweg ist nicht identisch mit dem tatsächlichen Weg seines Aufstiegs. Ein schöner Roman, der Goethes Harzreise im Jahr 1777 beschreibt, ist das Buch Winterströme von Bernd Wolff[1]. Goethe war mehrfach im Harz und hat sich hier zum Beispiel auch für seinen Faust inspirieren lassen.

Der Goetheweg verläuft zunächst gut zwei Kilometer neben der Brockenbahn, die auf dem Weg nach Schierke ist. Unterhalb des Königsberges verlässt der Goetheweg die Bahn wieder nach Westen. Steil geht es von hier einige hundert Meter bergab auf den Steifen der ehemaligen Grenzsicherungen der DDR.

Menschenverachtende Grenzanlage

Vor gut zwanzig Jahren gab es hier, wie bereits angesprochen, noch Zäune, Stacheldraht und Selbstschussanlagen sowie bewaffnete Streifen der DDR-Grenztruppen. Da mit dem zeitlichen Abstand an mancher Stelle Tendenzen zur Verklärung dieses Teils deutscher Geschichte erkennbar sind, wird dies an dieser Stelle nochmals angesprochen. Über manches Detail, wie die DDR organisiert war, kann vielleicht diskutiert werden. Und mit dem Fall des real existierenden Sozialismus hat sich der Kapitalismus sicher auch nicht als das einzig wahre System herausgestellt (im Gegenteil, aber das soll nicht Thema dieses Beitrags sein). Unbestreitbar entlarvt aber ein menschenverachtendes Bauwerk wie diese Grenzanlage, an der unzählige Menschen ihren Tod gefunden haben, das ganze dahinter stehende System als menschenverachtend! Eine totalitäre Herrschaft bleibt totalitär, auch wenn Anti-Faschismus auf der Fahne steht. Daran muss an dieser Stelle erinnert werden.

Ein wenig märchenhaft

Am Ende der Steigung zweigt ein Weg Richtung Torfhaus ab. Geradeaus führt der Weg zum Dreieckigen Pfahl (früher von Westdeutschland aus gesehen ein Endpunkt vor der Grenze zur DDR) und von dort nach Oderbrück oder zum Soldatenfriedhof. Auch hier ist wieder eine Stempelstelle der Harzer Wandernadel. Diese Tour folgt dem Weg nach Torfhaus (und somit auch dem Goetheweg) bis zum Eckersprung. Eine Schutzhütte, Toiletten und Bänke sowie eine weitere Stempelstelle der Harzer Wandernadel bilden einen Rastpunkt. Hier, im Quellbereich der Ecker, verlässt diese Tour wieder den Goetheweg nach rechts (nördlich). Auf einem schmalen Pfad geht es durch das schöne obere Eckertal langsam hinab. Vor allem im Mai und Juni, wenn das frische Grün überall noch sichtbar ist, wirkt dieser Weg ein wenig märchenhaft und phasenweise entsteht der Eindruck, irgendwo in Skandinavien zu sein. Fernab der Touristenströme kann hier die Ruhe der Nationalpark-Natur genossen werden.

Denkmal erinnert an Dummheit und Unmenschlichkeit

Weiter führt dieser etwas abgeschieden gelegene Weg auf eine feste Forststraße zum Skidenkmal. Das Denkmal erinnert an das traurige Schicksal der in den beiden Weltkriegen durch Dummheit und Unmenschlichkeit ums Leben gekommene Soldaten und ist eines der vielen Denkmäler dieser Art im Harz und auch anderswo. Neben einer Schutzhütte befindet sich hier auch wieder eine Stempelstelle der Harzer Wandernadel, die letzte auf dieser Tour. Von hier geht es nach rechts (östlich) bergab zum Pionierweg, der dann nach Norden zum Eckerstausee führt. Seinen Namen hat der Pionierweg, weil der Weg von einer Pionierkompanie 1895 angelegt wurde. Ein Gedenkstein erinnert daran. Am Westufer des Stausees geht es weiter durch eine immer noch schöne Landschaft. Der Wald rund um den Stausee bietet einige Möglichkeiten für kleinere und ausgedehntere Wandertouren. Zur Sperrmauer kann nach gut einem Kilometer rechts ein schöner Pfad gewählt werden. Diese Tour bleibt auf der Forststraße und überwindet die vorletzte Steigung. Auf der anderen Seite des Bergrückens trifft dieser Forstweg auf die Straße zur Talsperre. Ab diesem Punkt geht es auf demselben Weg zurück zum Ausgangspunkt, auf dem es zu Beginn der Tour zur Talsperre ging.

Nach etwa 24 Kilometern und einigen hundert Höhenmetern ist diese Tour zu Ende. Die meisten Wanderer und Wanderinnen werden wohl geschafft aber auch zufrieden sein. In der nahe Gaststätte am Radauwasserfall kann nun je nach Verfassung noch zum Beispiel ein kühles Bier getrunken werden und auch eine gute Mahlzeit den Tag abschließen.

[1] Wolff, Bernd: Winterströme: Goethes Harzreise. Erzählung. Berlin: Verlag der Nation, 1990 [(1) 1986].

Ein Ski-Langlauf im Harz

Es geht immer was –

ein Ski-Langlauf im Harz

Aufgebrochen, um im winterlichen Harz eine Ski-Tour zu unternehmen, haben wir uns bei strenger Kälte in einer Fußgängerzone wiedergefunden und dennoch viel Spaß gehabt.

Bad Harzburg. (re) Urlaub ist doch wirklich etwas Schönes. Kein Radio beendet mitunter unsanft den Schlaf. Das Frühstück wird in aller Ruhe und mit Genuss zu sich genommen. Und für den Hinweis des Radiomoderators auf die erste Arbeitswoche im Jahr gibt es nur ein müdes Lächeln. Die Sonne scheint, es wird sicher wieder ein schöner Tag! Die Verabredung steht. Am Montag wurde bei schönstem Winterwetter von Oderbrück aus der Sonnenberg besucht. Die Skilanglauf-Tour war landschaftlich reiz- und sportlich anspruchsvoll. Doch die Rast mit dem Scharm vergangener Jahrzehnte und mit einer bestenfalls interessanten Variante einer Currywurst warf die Frage nach dem Engagement der Harzer Gastronomie auf. Also sollte es zu „neuen“ Zielen gehen.

Skiträger

Am heutigen Mittwoch geht es wieder in den Harz. Wer Urlaub hat, kann in aller Ruhe warten. Wer Glück hat, kann das Konzernbüro schnell wieder verlassen. Ein Blick ins Internet, eine kurze Absprache, das Ziel steht fest. Gastronomisch und landschaftlich vielversprechend soll es zu den Rabenklippen gehen, oberhalb des Eckertals. Am späten Vormittag ist alles ins Auto geladen. Von Wolfenbüttel aus sind wir schnell in Bad Harzburg und parken in der Stübchentalstraße. Als wir aussteigen, wundern wir uns, wie eisig kalt es doch ist. Mit heißem Tee im Rucksack und den Skiern in der Hand geht es unverdrossen zum Waldesrand. Erstaunt lächelnd grüßen uns die Einheimischen, skeptisch blicken wir auf die verharschte Schneedecke, schnallen aber wacker an. Einige hundert Meter stapfen wir durch das ungespurte Weiß, dann finden wir uns an einem steilen Trampelpfad im Schnee wieder. Die Vernunft besiegt den Starrsinn und wir schnallen ab. Aus der Skiwanderung wird eine Ski-Wanderung. Und wir werden zu Skiträgern. Ski und Stöcke in der Hand marschieren wir über uns selbst lachend im Stübchental weiter bergauf (Bild 1).

Fußgängerzone

An der Säperstelle nahe dem Sachsenbrunnen stoßen wir auf breite und geräumte Forststraßen. Eine kurze Rast mit heißem Tee, dann sind die Ski wieder unter den Füßen. Tapfer kämpfen wir uns auf dem glatt geschobenen Weg voran, immer wieder vorbei an munteren Fußgängern. Wo in der Karte keine Loipe verzeichnet ist, da ist eben auch keine Loipe, stellen wir grinsend fest. Es ist wohl doch eher eine „Fußgängerzone“ hier, die bestens für bequeme Winterwanderungen geeignet ist (Bild 2). Der herrliche Sonnenschein und der frei Blick auf den Brocken entschädigen uns aber schon bald für die Strapaze. Bilderbuchwetter verführt zum Fotografieren. Vorbei an der Tiefen Kohlstelle geht es dann heiter weiter.

Wilde Katzen und schwarze Vögel

Ein paar Kilometer nur, dann stehen wir vor einer entschlossen drein blickenden großen Katze. Doch wir haben Glück, ein Zaun schützt uns vor dem wilden Tier (Bild 3). Wir sind am Luchsgehege des Nationalparks Harz. Wieder ein paar Fotos, dann geht es zu schwarzen Vögeln. Von den Rabenklippen aus genießen wir erneut die helle Sonne und den schönen Blick auf den höchsten Harzberg (Bild 4). Nun sind es nur noch wenige Meter zum Erkundungsziel. Hat die Harzer Gastronomie vielleicht doch besseres zu bieten? Die Internetseite im Kopf und andere Waldgaststätten in guter Erinnerung treten wir zuversichtlich ein in das Gasthaus auf den Rabenklippen (Bild 5). Und, siehe da. Wir werden nicht enttäuscht! Im gemütlich hölzernen Ambiente einer Berghütte setzen wir uns unweit eines warmen Kaminfeuers in den gut besuchten Gastraum. Auch hier scheint die Sonne und grüßt der Brocken. Die reichliche Auswahl regionaler Spezialitäten auf der Speisekarte macht uns die Auswahl nicht leicht. Soll es ein Wildbraten sein oder doch lieber der zünftige Leberkäse? In jedem Fall muss erst mal der Durst gelöscht werden. Eine freundliche Bedienung versorgt uns mit kaltem Getränk und warmer Speise. Ein köstlicher Likör zum Ausklang, dann heißt es Abschied nehmen. Schweren Herzens treten wir wieder hinaus in die Kälte.

Ein Kreuz

Während der Luchs gefüttert wird, schnallen wir wieder an. Weiter geht es auf glatten Forststraßen. Vorbei an einer Förstertränke laufen wir hin zu einem Uhlenkopf. Doch der geplante Weg ist nicht befahrbar. Also suchen wir neue Wege. Das Kreuz des deutschen Ostens (Bild 6) steht mahnend und zugleich fragwürdig im Wald. Nun geht es, endlich auch mal gleitend, zurück zur Säperstelle. Eine letzte Pause, dann werden wir wieder zu Skiträgern. Tapfer steigen wir bergab, gleiten die letzten Meter dann aber doch noch wieder zurück zum Auto. Zwölf Kilometer zeigt das GPS-Gerät, und der Körper bestätigt das. Durchgefroren und etwas erschöpft aber zufrieden steigen wir wieder in den Wagen. Ein paar Stunden waren wir dem Alltag entflohen. Und den Glauben an die Harzer Gastronomie haben wir auch zurück erlangt.