Dezember 24

Kommt zur Besinnung!

Kommt zur Besinnung!

Festtagsgedanken – im Ostfalen-Spiegel

Von Rainer Elsner

„Ihr folget falscher Spur,
Denkt nicht wir scherzen!
Ist nicht der Kern der Natur
Menschen im Herzen?“

Johann Wolfgang von Goethe

Wenn ich in das nun endende Jahr blicke, weiß ich nicht, ob ich weinen oder lachen soll. Eigentlich müssten wir alle weinen. Denn ob ich unsere politischen Skandale in Deutschland betrachte, ob ich die Katastrophe in Japan sehe oder ob ich zum Klimagipfel in Durban schaue – neben dem zum Teil unmittelbar damit verbundenen menschlichen Leid ist alles auch Ausdruck einer ebenso bedenklich wirkenden grundsätzlichen Gegebenheit. All diese Vorgänge und noch manches mehr erwecken den Anschein einer mindestens weit verbreiteten borniert wirkenden Dummheit. Und diese nötigt einem dann schon fast wieder das Lachen ab – wenn auch keine Freude. Sollte es aber keine bornierte Dummheit sein, was hinter diesen und vielen anderen Vorgängen steckt, wird es noch finsterer. Aber davon will ich zum „Fest der Liebe“ nicht anfangen zu reden.

Vielmehr möchte ich alle und vor allem die, die auch jetzt bei den Vorgängen um den Bundespräsidenten wieder so „schlau“ daher reden, zur Besinnung aufrufen. Denn nicht ein Amt wird hier beschädigt (das könnte ohnehin allenfalls der Amtsinhaber beschädigen), nein, unsere Demokratie nimmt Schaden. Und in einer Gesellschaft, in der Geld und Besitz eine, ja die zentrale Rolle spielen, ist es nicht die kritische öffentliche Auseinandersetzung mit möglichen finanziellen Abhängigkeiten politischer Amtsträger, die schädigend wirkt. Nein, die Demokratie lebt und stirbt mit einer kritischen Öffentlichkeit!

Von einzelnen Personen und Vorgängen Abstand nehmend rückt nach meinem Empfinden ein grundsätzliches Problem in den Mittelpunkt. Mitunter mehr noch als in den einzelnen Vorgängen wird dieses Problem zuweilen durch die jeweils zu findenden Kommentare von Chefredakteuren, Politikerinnen und anderen Menschen sichtbar. Nicht eben wenige Menschen halten sich (oder eben „die da oben“) dem Anschein nach für etwas Besseres und glauben deshalb wohl, dass für sie (oder eben „die da oben“) andere Regeln gelten. Bei zunehmend mehr Menschen in der Politik und anderswo scheint es ein fehlendes Unrechtsbewusstsein, eine gewisse Überheblichkeit und Maßlosigkeit und ein Verkennen der Bedeutung von Aufrichtigkeit zu geben. Ohne unsere demokratische Gesellschaft damit gleich in den Untergang reden zu wollen sehe ich hierin eine der großen Gefahren für eben diese demokratische Gesellschaft.

„… der Stolz eines Bürgers einer Republik ist [es], nicht mehr zu gelten in öffentlichen Angelegenheiten als irgendein anderer Bürger – dies ist seine »Tugend« – … wenn man in einer Republik nicht mehr weiß, was Tugend ist, … so geht [diese] … ihrem Ende entgegen.“

Hannah Arendt

Aber das Jahr hatte auch gute Geschichten. Im Alltag treffen wir auch immer wieder auf aufmerksame und hilfsbereite Menschen. In Vereinen und Institutionen engagieren sich zahlreiche Menschen beruflich wie ehrenamtlich. Wenn viele von uns die Festtage genießen, sind andere Menschen „unsichtbar“ für uns da – in Krankenhäusern, Polizeirevieren, Feuerwachen … oder auch in den Restaurants. Und nicht zuletzt: überall in der Welt standen Menschen gegen Unrecht und Unterdrückung auf und forderten ihre Rechte ein. Das gibt Hoffnung!

Der Ostfalen-Spiegel wünscht all seinen Leserinnen und Lesern ein schönes und besinnliches Weihnachtsfest und ein gesundes und friedliches neues Jahr!

Wolfenbüttel, 24. Dezember 2011

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Dezember 7

Neuer Attac-Basistext erschienen

Europa-Krise: Wege hinein und mögliche Wege hinaus

Neuer Attac-Basistext erschienen

Attac-Pressemitteilung vom 6. Dezember  2011

Frankfurt am Main, 06.12.2011. (attac) Die Europäische Union befindet sich in der schwersten Krise seit ihrem Bestehen. Nicht nur die gemeinsame Währung, das gesamte Integrationsprojekt steht auf dem Spiel. Die vorherrschende Krisenpolitik von EU und Internationalem Währungsfonds IWF – maßgeblich vorangetrieben von der deutschen Bundesregierung – stellt einen weitreichenden Angriff auf soziale und demokratische Rechte dar. Die Krise wird ausgenutzt, um den europäischen Neoliberalismus nachhaltig zu verschärfen und den Wohlstand weiter nach oben umzuverteilen. Wie konnte es so weit kommen? Und welche möglichen Wege aus der Krise gibt es?

Der Text zeichnet die Etappen der Eurokrise nach, analysiert ihre Ursachen, zeigt aber auch Alternativen

Diesen Fragen gehen Anne Karrass und Steffen Stierle in dem neuen Attac-Basistext „EuropaKrise: Wege hinein und mögliche Wege hinaus“ nach. Der Text zeichnet die einzelnen Etappen der EU-Krise nach und analysiert ihre politischen und ökonomischen Ursachen. Er zeigt aber auch auf, welche Alternativen es gibt.

Steffen Stierle: „Man kann von einem neoliberalen ‚Window of Opportunity‘ – einem Fenster der Möglichkeiten – sprechen, das die Krise öffnet: Es wird genutzt, um soziale und demokratische Rechte in einer Geschwindigkeit abzubauen, die ohne Krise undenkbar wäre.“

Nur ein soziales, demokratisches und ökologische Europa ist ein legitimes Europa

Anne Karrass: „Europa hat aber nur eine Zukunft, wenn es die entgegengesetzte Richtung einschlägt. Nur ein soziales, demokratisches und ökologische Europa ist ein legitimes Europa. Wenn die Politik keine solidarischen Antworten auf die Krise findet, provoziert sie einen Zerfall in nationalstaatliche Egoismen und bereitet den Nährboden für eine weitere rechtspopulistische Welle.“

Anne Karrass, Sozialökonomin, arbeitet im Deutschen Bundestag und gehört dem Wissenschaftlichen Beirat von Attac an. Steffen Stierle ist Volkswirt und Mitglied im bundesweiten Attac-Koordinierungskreis sowie in der Attac-Projektgruppe Eurokrise.

Taschenbuch-Reihe „Attac-Basis-Texte“ des VSA-Verlags

Der Band ist Teil der Taschenbuch-Reihe „Attac-Basis-Texte“ des VSA-Verlags, die grundlegendes Wissen über einzelne Themenfelder der Globalisierungskritik vermittelt. Der Text hat rund 100 Seiten und ist für 7 Euro im Buchhandel oder im Attac-Webshop erhältlich.

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Dezember 4

#3 Der Marsch in die Vergangenheit?

Der Marsch in die Vergangenheit?

Gefährliche Tendenzen in Politik und Bundeswehr

Denk-Anstoß #3 – im Ostfalen-Spiegel

Von Rainer Elsner

Wolfenbüttel, 04.12.2011 (update 05.12.2011). Das Dossier, ein „Portal für kritischen Journalismus“, wie es sich selbst überschreibt, hat in den vergangenen Tagen in seiner Presseschau zwei Beiträge über die militärisch gestützte Außenpolitik Deutschlands veröffentlicht. Ende November wurde ein Feature des Deutschlandfunks vorgestellt, welches sich in diesem Zusammenhang vor allem mit dem Kundus-Bombardement beschäftigt und sehr bedenklich stimmende Einsichten liefert. Am 3. Dezember wurde dann auf einen Beitrag in der Zweiwochenschrift Das Blättchen verwiesen. Dieser Beitrag beschäftigt sich mit der Zunahme der Bedeutung der Kriegsmarine bei den Militärs. In diesen Hinweisen des Dossiers wird hervorgehoben, dass eine Tendenz zu erkennen ist, die Außenpolitik und hierfür auch die Bundeswehr auf Leitbilder „einzuschwören“, die einer vordemokratischen Denkungsart folgen.

Krieg wieder als legitimes Mittel der Außenpolitik etablieren

Diese Beiträge sind Anlass, auch an dieser Stelle auf dieses wichtige Thema hinzuweisen. Denn die genannte Tendenz ist deutlich zu erkennen. Es scheint einfacher – und vor allem gewinnbringender zu sein -, den Krieg wieder als legitimes Mittel der Außenpolitik zu etablieren. Die Ursachen für gewaltsame Konflikte oder zum Beispiel Piraterie zu suchen und dann an deren Beseitigung menschlich verantwortungsvoll zu arbeiten, bringt eben keine schnellen Gewinne. Außenpolitik mit dem Kanonenboot aber ist vordemokratisch. Und für eine solche Politik sind bedingungslos gehorsame Soldaten und Soldatinnen notwendig, die ihren Eid dann ähnlich manch verantwortlicher Politikerinnen und Politiker nur noch als notwendige Formalie und letztlich also hohle Phrase anzusehen scheinen. – Sind wir also tatsächlich auf einem solchen Weg?

„die wirtschaftlichen Interessen von Deutschland durchsetzen“

2010 musste der damalige Bundespräsident Horst Köhler noch zurücktreten, als er ungeschickterweise (?) diese neue Ausrichtung in Außen- und Sicherheitspolitik ausgesprochen hatte. Das genau dieses Denken mittlerweile aber Einzug in die Köpfe der Menschen in unserem Land hält, zeigt zum Beispiel auch ein Leserbrief, der jüngst in der Braunschweiger Zeitung zu finden war. Der eigentliche Inhalt des Leserbriefes war die Kritik an der Berichterstattung zur angeblichen Waffenausbildung von Neonazis auch in Reservisten-Kameradschaften (was hier nicht das Thema ist). Die im Zusammenhang mit der Änderung der Leitbilder interessante Aussage in dem Leserbrief aber lautet: „… die Frauen und Männer, die für unser Land auf politische Entscheidung unter anderem auch am Horn von Afrika, »Handelsrouten für Europa«, die wirtschaftlichen Interessen von Deutschland durchsetzen.“* Erst in einem zweiten Satz werden dann noch Rechte und Freiheiten genannt.

Mit dem beeideten Auftrag der Bundeswehr hat das nichts mehr zu tun

Möglicherweise hat der Autor des Leserbriefes seine Aussage nicht überdacht. Aber auch das wäre dann ja ein Ausdruck eines Einzugs dieser vordemokratischen Leitbilder in das Denken der Menschen. Mit dem beeideten Auftrag der Bundeswehr, „Recht und Freiheit“ der Bundesrepublik Deutschland „tapfer zu verteidigen“ hat das Durchsetzen von wirtschaftlichen Interessen aber wenig bis nichts mehr zu tun. Recht und Freiheit gründen im Grundgesetz. Und das verpflichtet „alle staatliche Gewalt“, also selbstverständlich auch die Bundeswehr, „die Würde des Menschen … zu achten und zu schützen“. Alles Wesentlich dazu findet sich in Artikel 1 des Grundgesetzes! Einen Hinweis darauf, dass sicher nicht alle Soldatinnen und Soldaten diesen „neuen Leitbildern“ folgen wollen und werden, gibt da zum Glück der seit 1983 aktive Arbeitskreis Darmstädter Signal, einem „kritischen Forum für Staatsbürger in Uniform“, wie der Arbeitskreis sich selbst bezeichnet.

Weitere Informationen:

Die mp3-Datei bitte unbedingt anhören (re)!

*Leserbrief „Reservisten benötigen keine Waffen“ in Braunschweiger Zeitung vom 02.12.2011, S. 32 (Hervorhebungen im Original).

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Dezember 2

#2 Ein Blick über den Presse-Rand

Ein Blick über den Presse-Rand

Denk-Anstoß #2 – im Ostfalen-Spiegel

Von Rainer Elsner

Wolfenbüttel, 01.12.2011. Auch der Ostfalen-Spiegel wurde unter anderem ins Leben gerufen, um die Berichterstattung der vorhandenen Medien zu ergänzen. Dies geschah mit dem Eindruck, dass diese Berichterstattung immer wieder recht einseitig ist und sich in politischen Themen meist an Vorgaben einflussreicher Parteien, Organisationen und Unternehmen hält. Eine besondere Rolle spielt hier zum Beispiel die Initiative Neue Soziale Marktwirtschaft(INSM). Auch mangelt es allem Anschein nach nicht selten an präziser Recherche und fundierten Hintergrundinformationen.

Was veranlasst zu dieser Sichtweise?

Was veranlasst zu dieser Sichtweise? Nun, ein aufmerksamer und kritischer Blick in die Presse zeigt solches zumindest tendenziell mitunter auch eindeutig. Die Überschriften wie die Inhalte ähneln einander nicht selten. Alle arbeiten sich am gleichen, gerade auf der Informationswelle oben treibenden Thema ab und lassen die gleichen „Experten“ zu Wort kommen. Wirklich fundierte Kritik, wie sie von einer „vierten Gewalt“ zu erwarten wäre, bleibt die Ausnahme.

„Die verlorene Ehre der Katharina Blum“

Bei näherer Betrachtung werden dann interessante Aspekte sichtbar: Nicht wenige Menschen lassen sich durch die Springerpresse mit ihrem Flaggschiff, der Boulevardzeitung Bild-Zeitung (und bild.de), informieren. Schon Heinrich Böll hatte mit seiner Erzählung „Die verlorene Ehre der Katharina Blum“ auf die Arbeitsweise, den Informationsgehalt und die dahinter stehende Denkungsart dieser Medien hingewiesen. Und daran hat sich trotz aller Kaschierungen im Prinzip bis heute nichts geändert (wie z. B. auch der BILDblog immer wieder belegt). Dennoch hat die Springer-Presse eine breite Leserschaft in allen (!) Bildungsschichten.

konzernartiges Zusammenwachsen der Verlage in der Lokalpresse wie auch in den überregionalen Zeitschriften

Und die anderen? In der Lokalpresse wie auch in den überregionalen Zeitschriften hat es eine konzernartiges Zusammenwachsen der Verlage gegeben, so dass von einer wirklichen Unabhängigkeit auch hier nicht mehr gesprochen werden kann. Aufmerksame Leser erkennen immer wieder die Einflüsse aus Politik und Wirtschaft auf die Berichterstattung. Denn warum sonst sollte zum Beispiel die von Wissenschaftlern gern gelesene „ZEIT“ dem Plagiator Guttenberg jüngst die Titelstory mit „freundlichem“ Portrait auf der Titelseite schenken? Und auch die lieben „Experten“ sind häufig nicht so wissend und unabhängig, wie es ihre wissenschaftlichen Titel glauben machen. Denn nicht selten werden bei genauerer Betrachtung immer gleiche Auftraggeber für Forschungsarbeiten sichtbar und eine Professorentitel allein ist ohnehin kein Garant für Weisheit.

ein kleines Jubiläum im Bereich kritischer Medien

Nun lassen es Zeit und Größe dieser Redaktion nicht zu, dass hier ein ausreichender Ausgleich geschaffen wird. Um so deutlicher aber ist ein kleines Jubiläum im Bereich kritischer Medien Anlass, auf die genannten Probleme und Defizite hinzuweisen und auf „eine gebündelte Informationsquelle für jene Bürgerinnen und Bürger …, die am Mainstream der öffentlichen Meinungsmacher zweifeln und gegen die gängigen Parolen Einspruch anmelden“*, zu verweisen.

Am 30. November feierten die NachDenkSeiten ihr achtjähriges Jubiläum. Als Glückwunsch und als Anregung, diese „kritische Webseite“ regelmäßig zu besuchen (ein News-Feed kann abonniert werden) und auch finanziell zu unterstützen, veröffentlicht der Ostfalen-Spiegel im Anschluss den Jubiläumsartikel der NachDenkSeiten. Zugleich finden sich in diesem Artikel auch noch wichtige Informationen zum immer noch aktuellen Stuttgart21! Als weitere kritische Informationsquellen sind an dieser Stelle Blogs zu nennen wie zum Beispiel der Spiegelfechter, in welchem auch interessante Diskussionen geführt werden oder unabhängige Zeitschriften wie das Greenpeace-Magazin, was nicht nur reine Umweltthemen (gibt es die überhaupt?) abarbeitet und es seit Jahren schafft, sich ohne Anzeigen zu finanzieren.

Den eigenen Verstand und die eigene Vernunft dürfen wir nie abschalten!

Auch all diese Informationsquellen sind sicher nicht immer objektiv oder fehlerfrei. Den eigenen Verstand und die eigene Vernunft dürfen wir nie abschalten! Jedoch sind die Informationen in den zuletzt genannten Medien eben nicht das Produkt einer hochdotierten PR-Mannschaft, sondern das Ergebnis von Menschen, die mehrheitlich auch aus menschlichen Idealen heraus arbeitenden. Wer neben seiner lokalen Tageszeitung einen regemäßigen Blick in solche Medien wirft, wird also sicher nicht dümmer ;-).

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August 5

VI. Wer das Geld hat – hat auch Verantwortung

Wer das Geld hat – hat auch Verantwortung

 Oder

 Kapital bedeutet Macht und fordert Verantwortung

 Gedanken zum Zeitgeist VI – im Ostfalen-Spiegel

 Von Rainer Elsner

Ein Beispiel für den realen Umgang mit Kapital, Macht und Verantwortung zeigt der Atomausstieg. Kaum ist dieser Ausstieg aus der Nutzung der Atomenergie erneut beschlossen, da fangen die großen Energieversorger E.ON und RWE auch schon wieder an, zu stänkern und Schadenersatz zu fordern[1]. Statt sich ihrer Verantwortung allen Menschen gegenüber bewusst zu werden und entsprechend zu handeln, ziehen sie sich hinter betriebswirtschaftliche Argumente zurück – von Politikerinnen sekundiert, von Aktionären bejubelt. Das ganze geschieht zudem vor dem Hintergrund, dass diese Konzerne jahrzehntelang staatliche Vorteile genossen haben und dann ja bereits mit der rot-grünen Bundesregierung einen Atomausstieg vereinbart hatten! Anhand dieses Beispiels sollen hier Denken und Handeln in Wirtschaft und Politik kritisch betrachtet werden.

„…der Zwang zur Gewinnmaximierung zerstört jede Solidarität und läßt ein Verantwortungsbewußtsein gar nicht erst aufkommen.“[2]

Marion Gräfin Dönhoff

Das hier im Fokus diskutierte Auftreten der vier großen Energieversorgungsunternehmen (EVUs), insbesondere von den Konzernen E.ON und RWE, ist nur beispielgebend. Andere Beispiele für Handlungen in der Wirtschaft sind Waffenlieferungen an Menschenrechte mißachtende Diktatoren, Geschäfte mit totalitären Systemen und ähnliches mehr. Angesichts dessen stellen sich dem empfindsamen und kritischen Geist ein paar Fragen: Erkennen die durch berufliche Position oder Vermögen, häufig auch durch beides zugleich, in herausgehobener Verantwortung stehenden Menschen, die Konzernvorstände wie zum Beispiel E.ON-Vorstand Dr. Johannes Teyssen, RWE-Vorstand Dr. Jürgen Großmann oder Dr. Josef Ackermann (Deutsche Bank AG) und „die Reichen“ wie zum Beispiel Susanne Klatten, Stefan Quandt[3] oder Karl Albrecht, um nur ein paar Namen zu nennen, eigentlich die Werte an, die sich in den universellen Menschenrechten spiegeln und die sich hier in Deutschland außerdem durch die Grundrechte auch in der bundesdeutschen Verfassung wiederfinden? Ist diesen Menschen eigentlich bewusst, dass die Mutter, die um ihr krebstotes Kind trauert, der arbeitslose 55jährige ohne Perspektiven, der ausgebeutete chinesische Wanderarbeiter oder die vom antropogen verursachten Meersspiegelanstieg bedrohten Menschen in Bangladesch bis aufs Haar Mensch sind wie sie selbst? Oder fehlt es diesen scheinbar ja besondere Verantwortung tragenden Menschen tatsächlich an jedweder Einfühlsamkeit – und dann auch den in ihrem Kielwasser mitfahrenden Opportunisten?

Grundrechte nur Floskeln, die auf dem Weg zur Macht wie das Glaubensbekenntnis in der Kirche eben runter gebetet werden müssen

Und wie sieht es mit den politisch Verantwortlichen aus? In Deutschland vorne weg Bundeskanzlerin Dr. Angela Merkel und Bundeswirtschaftsminister Dr. Phillip Rösler, aber auch manch führendes Mitglied anderer Parteien – die alle häufig ja sogar einen Eid auf diese Werte geschworen haben! Haben diese Politikerinnen und Politiker eigentlich jemals über den Sinn, den Geist unserer Verfassung reflektiert? Erkennen sie diesen Sinn an oder sind die Grundrechte alles nur Floskeln, die auf dem Weg zur Macht wie das Glaubensbekenntnis in der Kirche eben runter gebetet werden müssen?

Oder fehlt es auch hier den besonders verantwortlichen Menschen gleichfalls an jedweder Einfühlsamkeit – und dann auch wieder den in ihrem Kielwasser mitfahrenden Opportunistinnen?

Und wir?

Und wir? Wir, die wir diesen Menschen in ihrem egoistischen Machtstreben zuarbeiten oder dieses Machtstreben häufig zumindest gleichgültig hinnehmen und häufig an den damit verbundenen (kurzfristigen) Vorteilen teilhaben – und die wir diese Machtmenschen nicht selten auch noch für ihren Egoismus bewundern. Erkennen wir diese Werte wirklich an? Werden wir uns eigentlich bewusst, welche Folgen all unsere Handlungen haben? Die Handlungen als Angestellte oder Unternehmer, als Wählerin oder Aktionär (wer profitiert denn kurzfristig? und wer entlastet denn den Vorstand?), als ebenfalls den besagten Eid schwörende Soldaten und Beamtinnen und nicht zuletzt als Konsumenten (wer kauft denn billigen Kaffee, billige Schokolade oder beim Billig-Discounter?)?

Oder fehlt es auch bei uns oft an der notwendigen Einfühlsamkeit, um verantwortungsbewusst handeln zu können?

Angesichts der Widersprüchlichkeit von Reden und Handeln zum Beispiel bei der Kürzung der Förderung von Erneuerbaren Energien (die schwarz-gelbe Regierung reklamiert doch tatsächlich öffentlich die Förderung der erneuerbaren Energien für sich, obwohl sie das Gegenteil tut!) oder von Rüstungsexporten nach Saudi Arabien (wie soll eine nach Freiheit strebende Araberin unserer Politik vertrauen, wenn ihre Freunde im nächsten Moment von deutschen Panzern überrollt werden?) drängen sich dann irgendwann weitere Fragen auf: Ist die Erklärung am Ende ganz einfach? Verderben Geld und Macht möglicherweise tatsächlich den Charakter? Oder ist Charakter ohnehin, wie Kant es bereits erklärt hatte, eine wohl eher seltene Eigenschaft, die sich ein Mensch, so er es denn irgendwann geschafft hat, nur in langem Bemühen selbst angeeignet haben kann[4] – durch Erziehung unterstützt oder behindert?

… dass alles Handeln sich eigentlich mindestens der Prüfung unterziehen sollte: schadet es einem Menschen oder nicht?

Die Antworten auf all die Fragen sind wohl nicht einfach zu finden und sie sind vor allem unbequem. Danach zu suchen lohnt sich dennoch! Denn die zugrunde liegenden menschlichen Werte begründen ein menschliches Zusammenleben und sie gründen vereinfacht ausgedrückt in einer zentralen Forderung: alles Handeln sollte den Menschen dienen, mindestens ihm aber nicht schaden. Und Menschen sind alle Wesen, die der biologischen Spezies Homo Sapiens angehören. Dies gilt für alle heute lebenden, aber auch für alle in der Zukunft lebenden Menschen. Diese Tatsache bringt es mit sich, dass alles Handeln sich eigentlich mindestens der Prüfung unterziehen sollte: schadet es einem Menschen oder nicht? Je stärker der Einfluss einer Handlung auf andere Menschen ist oder sein könnte, desto stärker sollte dies dann bei der tatsächlichen Umsetzung der Handlung auch Berücksichtigung finden. In letzter Konsequenz müssen dann auch getroffene Entscheidungen rückgängig gemacht werden, die sich als wirklich schädlich für Menschen herausstellen.

Verfassung ein Regelwerk für die Welt vor den Werkstoren und außerhalb der Wirtschaft

Um den Fokus jetzt wieder auf die Menschen an den eigentlichen Schalthebeln der Macht zu richten, folgt der erneute Blick auf den beispielgebenden aktuellen Atomausstieg: Vor den zuvor beschriebenen Verpflichtungen ist es menschlich gesehen nicht nachvollziehbar, dass Konzerne ihre eigenen wirtschaftlichen Interessen über das Interesse aller Menschen zusammen (Gesellschaft, Staat, Menschheit) stellen. Und es mutet dann schon als eine Frechheit an, wenn es dabei auch noch um Leben und Gesundheit unzähliger Menschen geht. Interessant ist dann weiter, dass diese Konzerne, die großen deutschen Energieversorger, über Jahrzehnte diverse Vorteile und Zuwendungen der Gemeinschaft (Forschungsförderung für die AKWs, Entsorgungsrückstellungen (bis 2009 etwa 28 Mrd. Euro), Steuervorteile, …) angenommen haben und nicht zuletzt auf dieser Basis überhaupt nur die heutige Größe erreichen konnten. „Eigentum verpflichtet. Sein Gebrauch soll zugleich dem Wohle der Allgemeinheit dienen“ sagt Artikel 14 Absatz 2 des Grundgesetzes für die Bundesrepublik Deutschland. Diese mit dem Grundrecht auf Eigentum verknüpfte Verpflichtung erscheint eigentlich leicht verständlich. Eine mögliche Erklärung für das unternehmerische Zuwiderhandeln findet sich dann aber in der in vielen Unternehmen allem Anschein nach vorherrschenden Denkungsart (wohlwollend soll dabei unterstellt werden, dass viele Menschen dieses Denken bis heute nicht reflektiert haben). Nach dieser Denkungsart ist die Verfassung ein Regelwerk für die Welt vor den Werkstoren und außerhalb der Wirtschaft. Die Wirtschaft und jeder Betrieb haben ihre eigenen Gesetze. Die Regeln des demokratischen Gemeinwesens werden – der Eindruck entsteht zumindest – von den in solchen Betrieben verantwortlichen Menschen nur mit Vorbehalt akzeptiert und allenfalls dort begrüßt, wo sie dem eigenen Vorteil dienen. – Dann die Interessen von 500.000 Kleinanlegern vorzuschieben ist nicht mehr als der Versuch, sich aus der Verantwortung zu stehlen und die Wahrheit zu verdecken. Das große Geld verdienen nicht die Kleinaktionäre!

Wenn es zu meinem Vorteil ist, ist mein Wort von gestern so viel wert wie der Schnee von gestern

In dieser als Beispiel dienenden Geschichte (die Themen lassen sich austauschen: Ernährung, Gesundheit, Rüstung, Gentechnik, Trinkwasser, …) darf auch nicht aus den Augen verloren werden, dass diese Energie-Konzerne eigentlich den Atomausstieg bereits fest versprochen hatten. Im Jahr 2000 haben diese Konzerne mit der damaligen rot-grünen Bundesregierung den Ausstieg aus der Atomkraft-Nutzung vereinbart (der Atomkonsens)[5]. Aber was interessiert mich, was ich gestern gesagt habe? Wenn es mir vorteilhaft erscheint, ist mein Wort von gestern so viel wert wie der Schnee von gestern. Auch das scheint Teil der Denkungsart zu sein, der verantwortliche Menschen in diesen (wie in anderen) Konzernen folgen – freundlich lächelnd aber, wie es scheint, treulos, borniert und unreflektiert. Kaum war die Verantwortungslosigkeit wieder auf die Regierungsbank gezogen, da wurde dieser „Konsens“ widerrufen – allein zu Gunsten der besagten Konzerne!

Wahrhaftigkeit ist für das Zusammenleben von Menschen fundamental. Denn nur im Vertrauen auf die Aussagen anderer Menschen ist ein gemeinsames verantwortliches Handeln möglich. Doch, wie es sich in der Guttenberg-Affäre gespiegelt hat, scheint dies nicht der Denkungsart einer einflussreichen Gruppe in unserer Gesellschaft zu entsprechen. Dass der Aufdeckung des Guttenberg-Plagiats weitere Plagiats-Aufdeckungen in den Reihen von CDU/CSU und FDP gefolgt sind, könnte zu denken geben.

Mit Blick auf Art. 14 des Grundgesetzes und die großen staatlichen Zuwendungen der vergangenen Jahrzehnte, nun noch eine Entschädigung zu fordern, mutet als geradezu unverschämt an oder ist Ausdruck eines totalen Realitätsverlusts[6]. – 1978 hatte das Bundesverfassungsgericht zu entscheiden, ob die Genehmigung von kerntechnischen Anlagen gegen das Recht auf körperliche Unversehrtheit (Art. 2 GG) verstößt. Damals stuften die Verfassungsrichter das Risiko der Atomkraftnutzung als rein hypothetisch ein (warum auch immer[7]). Diese unbekannten Restrisiken sind „als sozialadäquate Lasten von allen Bürgern zu tragen“. Doch bereits in seiner Begründung zum sogenannten Kalkar-Urteil räumt das Verfassungsgericht ein, dass künftige Erfahrungen ein nicht mehr akzeptables Risiko der Atomkraftnutzung realistisch erscheinen lassen können. Was dann zur Folge haben müsste, dass der Gesetzgeber die Atomkraftnutzung auf Grund von Artikel 2 Grundgesetz verbietet.[8] – Die Nutzung der Kernenergie findet spätestens seit 1978 also auf eigene Verantwortung statt. Niemand zwingt die EVUs zum Betrieb der AKWs (und darf sie auch nicht dazu zwingen). Allerspätestens nach Fukushima haben wir eine Realität, die die Gefahren auch bundesdeutscher Reaktoren aus dem Bereich des „Restrisikos“ herausheben – und somit deren weiteren Betrieb nicht mehr verantworten lassen![9]

dem Volk durch Privatisierungen zugunsten weniger Besitzender sein Eigentum nehmen

Andere Beispiele für diese Einflussnahme vom Kapital auf die Politik finden sich zu Hauf, so zum Beispiel das Projekt Stuttgart 21. Der (noch) im Staatsbesitz (also im Gemeineigentum!) befindliche Betrieb Deutsche Bahn AG, unter Leitung von Dr. Rüdiger Grube, versucht aus rein betriebswirtschaftlichen Beweggründen ein sozial wie ökologisch zweifelhaftes Projekt gegen die Interessen zahlreicher Bürgerinnen und Bürger (also seiner Eigentümer!) kompromisslos (wie es sich gerade wieder zeigt) durchzusetzen. Sekundiert wird er dabei von Politikern und Politikerinnen, die seit Jahrzehnten dabei sind, dem Volk durch Privatisierungen zugunsten weniger Besitzender sein Eigentum zu nehmen.[10] Wenn dann jemand irgendwann an Raubritter denkt, ist das durchaus nachvollziehbar. Dieses Handeln findet sich an vielen Stellen wieder. Bei dem Umgang mit den Finanzproblemen Griechenlands wird dies sichtbar wie im deutschen Gesundheitssystem. Was ist das beispielsweise für eine Solidargemeinschaft, aus der sich die Menschen fortstehlen dürfen (private Krankenversicherung), die am leichtesten ihre Beiträge leisten könnten?

Verantwortung, die jeder Mensch für sein Handeln trägt und die jeder Mensch als Teil der Menschheit für das Handeln anderer Menschen trägt

Was sollte uns all das nun zu denken geben? Einmal mehr sind wir alle an unsere Verantwortung erinnert – Frau Klatten ebenso wie Herr Ackermann, die Polizistin ebenso wie der Bäcker von nebenan oder Vorstand und Bandarbeiter bei VW. Erinnert an die Verantwortung, die jeder Mensch für sein Handeln trägt – ob er das einsieht oder nicht! Und auch an die Verantwortung, die jeder Mensch als Teil der Menschheit für das Handeln anderer Menschen trägt! Hier in Deutschland haben Menschen die Erfahrung mit der unvermeidlichen Verantwortung stellvertretend für alle Menschen auf das Schrecklichste gemacht. – Welche Konsequenzen die Einsicht in die persönliche Verantwortung für das persönliche Handeln bedeuten, kann jeder Mensch nur für sich selbst entscheiden. Ausweichen kann dieser Entscheidung aber kein Mensch, denn auch keine Entscheidung ist faktisch eine Entscheidung.

„Menschlich müssen wir weitgehend Verantwortung auch für das übernehmen, was Menschen ohne unser Wissen und Zutun irgendwo in der Welt verbrochen haben; sonst gäbe es keine Einheit des Menschengeschlechts. Wir können es, weil uns gerade die spezifisch bösen Motive oder die spezifisch berechnete Zweckmäßigkeit der Handlung menschlich einsichtig ist.“[11]

Hannah Arendt

… und die geschilderten Handlungen geschehen mit unserem Wissen und Zutun – und mitunter auch zu unserem (kurzfristigen) persönlichen Vorteil!

Diskussion für die Entscheidungsfindung und Kompromiss als Entscheidung

Was bleibt, ist die Hoffnung, dass jeder Mensch irgendwann zur Einsicht kommen kann – so auch die besondere Verantwortung tragenden Menschen in Konzernzentralen und politischen Ämtern. Die hier genannten Personen werden stellvertretend genannt für einen größeren Kreis von Menschen in solch besonders verantwortlichen Positionen. Alle tragen sie aber diese herausgehobene Verantwortung. Und die Politik der zugehörigen Konzerne oder politischen Parteien wirft Zweifel daran auf, ob die Entscheidungen dort wirklich verantwortungsbewusst getroffen werden. Konzerne stellen von ihrer Größe und von ihren betriebswirtschaftlichen Interessen her für eine demokratische Gesellschaft eigentlich eine enorme Belastung dar. Denn sie übergreifen von ihren Wirkungen und Einflüssen nicht selten ganze Staatsgebiete, Staatsgrenzen und auch Kontinente ohne jede demokratische Legitimation. Gegenwärtig sind solche Konzerne aber existent. Entsprechend wichtig ist es also, dass die dort in verantwortlicher Position arbeitenden Menschen sich besonders um die Beachtung menschlicher und demokratischer Werte und Normen verdient machen. Für viele Fragen (Themen) gibt es keine einfachen Antworten. Aber dafür hat die demokratische Gesellschaft die Diskussion für die Entscheidungsfindung und den möglichst alle Interessen berücksichtigenden Kompromiss als Entscheidung – alles immer mit den unveräußerlichen Menschenrechten als Grundlage.

Wolfenbüttel, im Sommer 2011

Quellen

[1] http://www.zeit.de/politik/deutschland/2011-05/Atomausstieg-Klage-Eon (Die Zeit Online vom 31.05.2011);

http://www.abendblatt.de/politik/article1928782/Energiekonzerne-fordern-Schadenersatz.html (Hamburger Abendblatt Online vom 19.06.2011);

http://www.spiegel.de/politik/deutschland/0,1518,771318,00.html (Der Spiegel Online vom 30.06.2011) und

http://www.zeit.de/wirtschaft/unternehmen/2011-07/enbw-klage-brennelemente-steuer (Die Zeit Online vom 15.07.2011).

[2] Dönhoff, Marion Gräfin: Zivilisiert den Kapitalismus: Zwölf Thesen gegen die Maßlosigkeit. Mit einem Vorwort v. Helmut Schmidt. München: DVA, 2005, S. 21.

[3] Quandt, Stefan: Aktionismus als Stilmittel deutscher Politik, http://www.tagesspiegel.de/meinung/aktionismus-als-stilmittel-deutscher-politik/4324140.html (Der Tagesspiegel Online vom 26.06.2011); Herr Quant macht sich hier wenigstens die Mühe, den Atomausstieg kritisch zu betrachten, zieht aber nach meiner Auffassung die falschen, das Risiko ignorierenden Schlüsse. – Ein – auch kritischer – Blick in die Geschichte der Familie Quandt liefert der entsprechende Wikipedia-Eintrag (http://de.wikipedia.org/wiki/Quandt_%28Familie%29).

[4] Kant, Immanuel: Anthropologie in pragmatischer Hinsicht. Hrsg. u. eingel. V. Wolfgang Becker. M. e. Nachw. V. Hans Ebeling. Stuttgart: Philipp Reclam jun., 1983 [(1) 1798], S. 241 ff. [auch: http://www.korpora.org/Kant/aa07/291.html und folgende Seiten].

[5] Bundesumweltministerium: http://www.bmu.de/files/pdfs/allgemein/application/pdf/atomkonsens.pdf; und http://www.bmu.de/files/pdfs/allgemein/application/pdf/atomkonsenskonsens_anlagen.pdf

[6] Vgl. Ekardt, Felix: Warum Atomenergie Grundrechte verletzt, http://m.lto.de/de/html/nachrichten/2877/streit_um_kernkraftwerke_warum_die_atomenergie_grundrechte_verletzt/ (Legal Tribun Online).

[7] Angesichts der verletzenden bis tödlichen Wirkung radioaktiver Strahlung, die auch 1978 bereits bekannt war, bleibt die Frage, warum das Bundesverfassungsgericht das Risiko seinerzeit als nur theoretisch eingestuft hat); vgl. z. B. May, John: Das Greenpeace-Handbuch des Atomzeitalters: Daten – Fakten – Katastrophen. A. d. Engl. v. Helmut Dierlamm u. Reiner Pfleiderer. Redaktionelle Betreuung Wolfram Ströle. München: Knaur, 1989; oder auch: http://www.freitag.de/community/blogs/aredlin/alle-6-jahre-ein-ernster-atomunfall-ein-akzeptables-restrisiko

[8] Vgl. http://www.bund.net/nc/bundnet/presse/pressemitteilungen/detail/zurueck/pressemitteilungen/artikel/roettgen-darf-debatte-um-akw-sicherheit-nicht-auf-technische-fragen-verengen-atomenergie-verstoesst/; sowie

http://openjur.de/u/166332.html;

http://dejure.org/dienste/vernetzung/rechtsprechung?Gericht=BVerfG&Datum=08.08.1978&Aktenzeichen=2%20BvL%208/77;

http://dejure.org/dienste/rechtsprechung/BVerfG/139.html

und der volle Wortlaut des Bundesverfassungsgerichtsbeschlusses

http://lexetius.com/1978,2 oder

http://www.ejura-examensexpress.de/online-kurs/entsch_show_neu.php?Alp=1&dok_id=1457 (hervorzuheben sind hier die letzten Absätze).

[9] Vgl. z. B. die zahlreichen kritischen Veröffentlichungen des IPPNW zur Atomkraftnutzung in Deutschland, u. a. auch in den hier veröffentlichten Presseinformationen des IPPNW.

[10] Wohin solche Privatisierungen führen, zeigen viele Beispiele von den Kommunen angefangen bis hin zum Beispiel der Deutschen Bahn. Auf unangenehme Weise besonders interessant ist das Beispiel der Wasserversorgung von London. Genauer ausgeführt wird dies von der Initiative „Wasser in Bürgerhand“ http://www.wasser-in-buergerhand.de/nachrichten/2006/rwe_thames_water.htm und auch in einem Beitrag in Wikipedia (http://de.wikipedia.org/wiki/Wasser_als_Handelsware).

[11] Arendt, Hannah: Elemente und Ursprünge totaler Herrschaft: Antisemitismus, Imperialismus, totale Herrschaft. Ungek. Taschenbuchausg. 11. Aufl. München: Piper, 2006 [(1) 1951], S. 946.

Gedanken zum Zeitgeist

In den Gedanken zum Zeitgeist erscheinen in loser Folge kritische Kommentare zur aktuellen gesellschaftlichen und politischen Entwicklung in Deutschland und der Welt. Die einzelnen Gedanken zum Zeitgeist fokusieren in der Regel ein Thema und setzen auch unterschiedliche Schwerpunkte.  Grundsätzliche Standpunkte wie auch der philosophische Unterbau werden dabei nicht jedes Mal neu dargelegt. Für ein besseres Verständnis der Basis der geäußerten Kritik ist es also sinnvoll, nach und nach alle Gedanken zum Zeitgeist zu lesen und auch die Seite Ostfalen-Spiegel.

I. Tapfer sterben für …

II. Der Finger in der Wunde

III. Die Demokratie lebt vom Diskurs

IV. Mehr Schein als Sein

V. Begründung einer Hoffnung

VI. Wer das Geld hat –

VII:.…

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Juli 24

Norwegen

Norwegen – Trauer, Mitgefühl, Gedanken, Fragen

Ein Versuch, der Sprachlosigkeit Worte zu geben

Trauer breitet sich aus, bei den Gedanken an die unfassbare Tragödie in Norwegen. Sprachlos wandern Gedanken und Gefühle zu den Menschen in diesem wunderschönen Land. Viel Kraft und viel Liebe ist den Überlebenden und den Angehörigen der Toten und der Verletzten zu wünschen, denn für sie hat nun eine schwere Zeit begonnen.

Fragen

Aus diesen mitfühlenden Gedanken erwachsen dann Fragen: Die Angehörigen fragen, warum? Warum mein Kind, mein Bruder, meine Mutter? Warum sie und nicht jemand anders? Was habe ich falsch gemacht? … Solche Fragen stellt sich jeder, der einen geliebten Menschen verloren hat. – Und wir?, wir, die wir nicht so unmittelbar betroffen sind, wir fragen, warum sind Menschen zu so etwas fähig? Warum hat der Täter so gehandelt? Was hat diesen Menschen zu solchen das Leben und die Menschen vollkommen verachtenden Taten getrieben? Was hat ihn sich seiner Menschlichkeit völlig entledigen lassen? Was hat diesen Menschen so deformiert, dass ihn Verblendungen stärker leiten konnten als die jedem Menschen inne wohnende Menschenliebe? …

Antworten

Fragen über Fragen aber keine abschließenden Antworten lassen sich finden. Wir können uns einer Erklärung für eine solche Tat nur annähern, sie aber nie ganz finden. Wichtig ist aber, zu erkennen, dass nicht nur der Täter selbst vollkommen „versagt“ hat, sondern dass sich in solchen Momenten auch wir Mitmenschen fragen müssen, wo wir versagt haben? – Wo wir versagt haben nicht so sehr im konkreten Handeln, als vielmehr in der Gestaltung unseres Zusammenlebens?

Verantwortung

Denn, auch wenn jeder Mensch am Ende für seine Taten verantwortlich ist!, jeder Mensch ist auch ein „Produkt“ seiner Lebenswelt (Gesellschaft, Bekannte, Freunde, Familie). Welchen Anteil hat es, dass wir vieler Orten Gewalt versteckt oder offen als Lösungsweg akzeptieren?  Wie viel der Verantwortung liegt zum Beispiel in einer Gesellschaft, die in der Wirtschafts- und Finanzwelt aggressives und egoistisches Verhalten honoriert? Oder wird der Keim vielleicht schon gelegt, wenn sich im Streitfall ein Vater nicht auf die Ebene des Kindes begibt, um ihm Auge in Auge das Problem zu erklären, sondern lieber von oben herab Befehle erteilt? …

Schweigen

Einmal angestoßen reiht sich Frage an Frage, folgt Erklärungsversuch auf Erklärungsversuch. Und irgendwann sind wir dann wieder bei den trauernden Menschen – und – schweigen.

Nachgedanken

Wie auch immer wir uns diese Tragödie erklären. Gesetze, die unsere demokratischen Freiheiten weiter einschränken, wären die falsche Antwort. Sie würden nur den menschenverachtenden Blendern zuarbeiten, die solchen Tätern die Begründungen liefern. Wichtiger ist es vielmehr, dass wir unser Zusammenleben stetig zunehmend freier und menschlicher gestalten. Der norwegische Ministerpräsident hat es so zum Ausdruck gebracht:

„Keiner wird uns zum Schweigen bomben. Keiner wird uns zum Schweigen schießen. Ihr werdet uns nicht zerstören. Ihr werdet unsere Demokratie oder unsere Idee einer besseren Welt nicht zerstören. Wir werden die Schuldigen finden und zur Verantwortung ziehen. Am Ende wird es mehr Offenheit und Demokratie in unserem Land geben.“

Jens Stoltenberg nach den beiden Anschlägen in Oslo und auf der Insel Utøya (zitiert nach einem Beitrag der SPD).

Und bei all der Bestürzung und Betroffenheit, die uns angesichts der unfassbaren Tragödie in Norwegen überkommt, dürfen wir aber nicht vergessen: auch anderswo in der Welt leiden und sterben Menschen in Folge menschenverachtender Handlungen. In den Kriegs- und Krisengebieten der Welt ist dies Alltag! Auch die Menschen dort fragen warum? Auch sie brauchen unser Mitgefühl! Auch hier stehen wir mit in der Verantwortung!

Rainer Elsner, Wolfenbüttel, 24. Juli 2011

Lesenswerte Beiträge im Netz

  • Eine Diskussion in Richtung der gesellschaftlichen Verantwortung hat zum Beispiel der Spiegelfechter in seinem Blog mit einem kurzen Beitrag angestoßen.
  • Der NPD-Blog dokumentiert, was in der deutschen Neonaziszene zu Norwegen diskutiert wird. Die dort zitierten Beiträge sprechen für sich.
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Juli 20

#1 Ratingagenturen

Ratingagenturen!?

Denk-Anstoß #1 – im Ostfalen-Spiegel

Von Rainer Elsner

Wolfenbüttel, 14.07.2011. Ratingagenturen!? Was sind Ratingagenturen? Ist es aus gesamtgesellschaftlicher Sicht sinnvoll, wenn private, gewinnorientierte Unternehmen über die Kreditwürdigkeit von Staaten (!) entscheiden? Ich denke, eine freie und demokratische Gesellschaft darf dies nicht zulassen!

Staatliche Form und demokratische Legitimation

Staaten sind die Zusammenschlüsse aller jeweils darin lebenden Menschen. Zunächst können und dürfen nur diese Menschen zusammen über ihr Gemeinwesen bestimmen. In der heutigen Realität haben sich die meisten Staaten in Vereinigungen wie der Europäischen Union (EU) oder der Europäischen Wirtschafts- und Währungsunion (EWWU) zusammengeschlossen. Solche und andere grenzüberschreitenden Zusammenhänge bedingen entsprechende Einflussmöglichkeiten. Aber auch diese dürfen nur in staatlicher Form und mit demokratischer Legitimation erfolgen!

Ratingagenturen haben im Zweifel rein wirtschaftliche Motive im Sinn

Im konkreten Fall sind diese Ratingagenturen gerade dabei, Griechenland wirtschaftlich zu „vernichten“. Während die europäischen Staaten neben wohl mehr wirtschaftszentrierten Motiven auch noch ein Interesse daran haben, ihrem Partnerland Griechenland zu helfen, haben Ratingagenturen im Zweifel rein wirtschaftliche Motive im Sinn – die sich nicht zwingend mit denen der gesamten Gesellschaft decken. Von dieser Kritik unberührt bleibt die offensichtliche Notwendigkeit, dass Griechenland wohl sein gesamtes Wirtschafts- und Finanzsystem prüfen und ordnen muss. Wenn dem Staat mehrere Milliarden Euro Steuern fehlen, haben wohl sowohl die staatlichen Institutionen wie auch die säumigen Steuerzahler den Sinn von Steuern nicht begriffen.

vielleicht steckt hinter dem ganzen Vorgang ja auch ein System

Aber vielleicht steckt hinter dem ganzen Vorgang ja auch ein Stück weit ein System. Denn, wer sich an eine Rede des damaligen FDP-Vorsitzenden Westerwelle vor eineinhalb Jahren erinnert, weiß, dass Steuern gerade von so manch Wohlhabenden (nicht allen!) als lästig angesehen werden. Diese Menschen scheinen alles als ihr – mindestens potentielles – Eigentum anzusehen. Entsprechend bestimmt ihr Vermögen über den Lauf der Dinge und nicht ein demokratisch verfasster und von Steuern finanzierter (!) Staat. Ein Staat, den sich diese Menschen dann ja auch mit Hilfe der zunehmenden Privatisierung von Gemeineigentum schleichend aneignen. – Und hierzu passen dann auch die Besitzverhältnisse und die Arbeitsweise der Ratingagenturen, wie sie ein sehr lesenwerter Artikel in den NachDenkSeiten beschreibt.

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Mai 23

V. Begründung einer Hoffnung

Begründung einer Hoffnung

Oder

Warum wir heute in Deutschland einen 62. Jahrestag feiern sollten

Gedanken zum Zeitgeist V – im Ostfalen-Spiegel

Von Rainer Elsner

62 Jahre? Warum soll ich heute feiern? Wer wird heute 62 Jahre alt? Nicht wenige, auch gebildete Menschen in Deutschland werden heute möglicherweise diese Frage stellen. Es sei denn, sie haben sich in der Nähe öffentlicher Gebäude schon gefragt, warum diese beflaggt sind. Andere Menschen aber wissen zum Glück auch sofort, warum heute die Flaggen am Mast gehisst wurden, was sie heute feiern können – und dürfen! Das „dürfen“ gehört dazu, denn es ist nicht selbstverständlich. Ein Blick in die Welt und in die (deutsche) Geschichte – auch die Geschichte dieser 62 Jahre – zeigt, dass das „dürfen“ nicht sicher ist. Was wir heute feiern können und dürfen und warum das trotz aller Fehlentwicklungen und Enttäuschungen eine Hoffnung begründen kann, darum soll es in den folgenden Denkanstößen gehen. Damit wollen diese fünften Gedanken zum Zeitgeist hier im Ostfalen-Spiegel den Zeitgeist diesmal zugleich mehr von der positiven Seite her beleuchten – wenn auch wieder auf nicht unbedingt ausgetretenen Pfaden.

„Ihr folget falscher Spur,
Denkt nicht wir scherzen!
Ist nicht der Kern der Natur
Menschen im Herzen?“[1]

Johann Wolfgang von Goethe

Am 23. Mai 1949 verkündete in den drei westlichen Besatzungszonen der (ein Dreivierteljahr zuvor eingerichtete) Parlamentarische Rat das Grundgesetz für die Bundesrepublik Deutschland. Dieses verfassungsgleiche Grundgesetz, faktisch seitdem die bundesdeutsche Verfassung, ist die wohl freieste und menschenfreundlichste Verfassung, die ein deutscher Staat jemals hatte. Und trotz aller Angriffe und „Verwässerungen“ ist das noch immer der Fall. Die Bundesrepublik Deutschland hat es mit 62 Jahren auch geschafft, länger zu bestehen als jeder andere länderübergreifende deutsche Staat – und das eben mit einer demokratischen Verfassung. Und diese Verfassung ist der Grund zum Feiern! Eine Verfassung, die in Menschenliebe gründend sich unumstößlich der Würde des Menschen und den universalen Menschenrechten verpflichtet hat! Alle Menschen besitzen den gleichen Wert, alle Menschen haben das Recht auf freie Entfaltung ihrer Persönlichkeit, die Todesstrafe ist abgeschafft, Eigentum verpflichtet … – es sind hohe Ideale, die diese Verfassung widerspiegelt!

Menschen, die dem guten Klang dieses Wortes auch Wahrhaftigkeit verleihen

Ein Blick in die Welt zeigt: Eine Vielzahl von Staaten wird noch immer despotisch regierten. Viele Menschen müssen unter menschenverachtenden Bedingungen leben und haben keinerlei gesetzlichen Anspruch auf Achtung ihrer Würde und ihrer Freiheit. Es kann also durchaus als Privileg angesehen werden, auf der Basis einer Verfassung wie dem Grundgesetz leben zu können und zu dürfen. Dies ist aber keine Gnade, sondern ein Vermächtnis. Und aus diesem Vermächtnis ergeben sich eine Verantwortung und eine Pflicht. Denn eine noch so gute Verfassung ist zunächst nur eine Ansammlung guter Worte. Seinen tatsächlichen Wert erhält jedes gute Wort erst mit Menschen, die dem guten Klang dieses Wortes auch Wahrhaftigkeit verleihen. Mit dem Leben im Schutz dieser Verfassung haben wir also zugleich die Verantwortung für diese Verfassung übertragen bekommen. Und aus dieser Verantwortung resultiert die Pflicht, diese Verfassung unsererseits zu schützen!

„Demnach muß ein jedes vernünftige Wesen so handeln, als ob es durch seine Maximen jederzeit ein gesetzgebendes Glied im allgemeinen Reiche der Zwecke wäre. Das formale Prinzip dieser Maximen ist: handele so, als ob deine Maxime zugleich zum allgemeinen Gesetz (aller vernünftigen Wesen) dienen sollte.“[2]

Immanuel Kant

Die Demonstration zu Stuttgart 21 im Spätsommer 2010 beispielsweise oder die momentan stattfindenden unzähligen Proteste gegen die weitere Nutzung der Atomkraft wie auch die kritische Haltung[3] zu den Auslandseinsätzen der Bundeswehr zeigen, dass sich viele Menschen hier in Deutschland durchaus der genannten Verantwortung und Pflicht bewusst sind. Der zugleich mancherorts anzutreffende teilnahmslos erscheinende Umgang mit dem Leid anderer Menschen, das erstaunlich starke Interesse für die königliche Hochzeit in England oder die (diesem Interesse wohl nahestehende) immer noch anzutreffende Bewunderung für die strahlend aber leer erscheinende Schönheit der Guttenbergs zeigen beispielhaft freilich auch, dass sicher viele Menschen dieses Verantwortungsbewusstsein noch nicht erlangt haben.

„Den »Ohne mich«-Typen ist eines der absolut konstitutiven Merkmale des Menschen abhanden gekommen: die Fähigkeit zur Empörung und damit zum Engagement.“[4]

Stéphan Hessel

ein besonderes Zeichen der Hoffnung schenken uns gerade die Menschen in Spanien

Ein Blick ins befreundete Europa und sogar in die durchaus mitunter sehr finster erscheinende Welt findet dann aber wieder Zeichen der Hoffnung: Die nach Freiheit strebenden Menschen in Ägypten, die eine despotische Regierung ohne Waffengewalt stürzen (wenn auch nicht gänzlich gewaltfrei wie 1989 in der DDR) sind ein solches Zeichen – dabei hatten wir hier im „arroganten“ Westen doch geglaubt, diese Menschen wären alle potentielle islamische Fundamentalisten! Und ein besonderes Zeichen der Hoffnung schenken uns gerade die Menschen in Spanien, die auf die Straße gehen, weil sie nicht mehr bereit sind, ihre Freiheit und ihre Zukunft den Interessen einer fragwürdigen Elite, bestehend aus „Grauen Eminenzen“, Managerinnen und Managern von Banken und Konzernen und willfährigen Politikern und Politikerinnen, zu opfern.

„Die Menschen werden nicht dadurch gerecht, daß sie wissen, was gerecht ist, sondern indem sie die Gerechtigkeit lieben.“[5]

Hannah Arendt

Zurück in Deutschland können wir auch mit einem Blick in die Geschichte Zeichen der Hoffnung finden: Die Geschwister Scholl und ihre Verbündeten, die nach dem Erkennen der Unmenschlichkeit schlussendlich ihr Leben gaben für das Ideal der Menschlichkeit. Die „Mütter und Väter“ des Grundgesetzes eben, die mit der gerade gemachten Erfahrung des ultimativ Unmenschlichen eine unumstößlich der Menschlichkeit verpflichtete Verfassung schrieben. Franzosen und Deutsche, die nach fast einem Jahrhundert blutiger Feindschaft echte Freunde geworden sind.

Es gibt eben auch immer wieder diese Zeichen der Hoffnung

Wenn auch nichts auf alle Zeit sicher ist und nichts Positives ohne stetes Bemühen auf alle Zeit Bestand hat. Es gibt eben auch immer wieder diese Zeichen der Hoffnung! Und diese Zeichen schenken die Hoffnung, dass es sich doch noch zum Positiven kehrt. Diese Zeichen lassen hoffen, dass sich auch Menschen wie Herr Guttenberg (um an die vorhergehenden Gedanken zum Zeitgeist anzuknüpfen) besinnen können und nicht mehr eine Welt des schönen Scheins pflegen, sondern sich tatsächlich ihrer menschlichen Verantwortung verpflichten. Diese Zeichen lassen hoffen, dass immer weniger Menschen dem bequem erscheinenden Egoismus folgen, sondern sich ebenfalls besinnen. Wenn wir die Menschen lieben, müssen wir gemeinsam unerschütterlich und mitunter schonungslos hin zum Wertpositiven streben. Nicht durch jederzeit hartes Bekämpfen aber werde ich menschlich, sondern durch die Fähigkeit, im Zweifel auch meinem Herzen und nicht meinem Ego folgen zu können. Oder, wie es Karl Jaspers formuliert hat:

„Wir sind sterblich als bloßes Dasein, unsterblich, wo wir zeitlich erscheinen, als das, was ewig ist. Wir sind sterblich als Lieblose, unsterblich als Liebende. Wir sind sterblich in der Unentschiedenheit, unsterblich im Entschluß. Wir sind sterblich als Naturgeschehen, unsterblich, wo wir uns in unserer Freiheit geschenkt werden.“[6]

Die Verkündung unseres Grundgesetzes vor 62 Jahren wie auch dessen in seinen Fundamenten unveränderter Bestand geben also Anlass zur Hoffnung. Jedoch der fortwährende Erhalt dieser Verfassung ist nur gesichert, wenn jede Bürgerin und jeder Bürger deren Sinn und Bedeutung jederzeit in seinem Bewusstsein hält und für diesen Erhalt eintritt[7]. Wir dürfen heute also unsere Verfassung feiern! Vielleicht würde der 23. Mai als nationaler Feiertag dem Erlangen des notwendigen Verantwortungsbewusstseins ebenso dienen, wie dies der 3. Oktober kann. Feiern wir am 3. Oktober die Wiedervereinigung beider deutschen Nachkriegsstaaten und somit vor allem den Mut der friedlich demonstrierenden Menschen in der DDR von 1989. So können wir heute, am 23. Mai, die Besinnung der Menschen in der sich gründenden Bundesrepublik von 1949 auf Menschenliebe, Menschenwürde, Menschenrechte, Demokratie und Freiheit feiern!

Weg der Zivilisation über den Abgründen der Barbarei wohl immer eine Gradwanderung

Diese Besinnung auf Frieden und Menschlichkeit ist notwendig, da der Weg der Zivilisation über den Abgründen der Barbarei wohl immer eine Gradwanderung bleiben wird. Wer nun angesichts der Schrecken der Welt und düsterer Zukunftsprognosen von Angst und Verzweiflung geplagt wird, vernehme noch einmal Karl Jaspers:

„Auf echte Weise hat Mut, wer aus Angst im Erfühlen des Möglichen zugreift in dem Wissen: nur wer Unmögliches will, kann das Mögliche erreichen. Die Erfahrung der Unerfüllbarkeit in dem Versuchen der Erfüllung kann allein verwirklichen, was dem Menschen aufgegeben ist zu tun.“[8]

Wolfenbüttel, den 23. Mai 2011

Quellen

[1] Goethe, Johann Wolfgang von: Goethes Werke. Hamburger Ausgabe in 14 Bänden. Hrsg. V. Erich Trunz. Band I. Gedichte und Epen I. Textkritisch durchgesehen u. kommentiert v. Erich Trunz. 14., durchges. Aufl. München: Verlag C. H. Beck, 1989 [(1) 1948], S. 306.

[2] Kant, Immanuel: Grundlegung zur Metaphysik der Sitten. Hrsg. Von Theodor Valentiner. Stuttgart: Reclam, 1991 [(1) 1785], S. 92 f. (Hervorhebung im Original).

[3] Heinz, Wolfgang S.: Zu Auslandseinsätzen der Bundeswehr in der Terrorismusbekämpfung. Analysen und Empfehlungen aus der Sicht des internationalen Menschenrechtsschutzes

[4] Hessel, Stéphane: Empört euch! 8. Aufl. Berlin: Ullstein, 2011 [(1) 2010], S.13.

[5] Arendt, Hannah: Vom Leben des Geistes: Das Denken: Das Wollen. Hrsg. V. Mary McCarthy. A. d. Amerik. V. Hermann Vetter. Ungek. Taschenbuchausg. 2. Aufl. München: Piper, 2002 [(1) 1971], S. 337 f.

[6] Jaspers, Karl: Kleine Schule des philosophischen Denkens. Ungek. Taschenbuchausg. München: Piper, 1997 [(1) 1965], S. 165 f.

[7] Vgl. auch Art. 20 Abs. 4 Grundgesetz (GG)

[8] Jaspers, Karl: Die geistige Situation der Zeit: von Prof. Dr. Karl Jaspers. 9. Abdr. der im Sommer 1932 bearb. 5. Aufl. Berlin, New York: Walter de Gruyter, 1999 [(1) 1932], S. 135.

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Gedanken zum Zeitgeist

In den Gedanken zum Zeitgeist erscheinen in loser Folge kritische Kommentare zur aktuellen gesellschaftlichen und politischen Entwicklung in Deutschland und der Welt. Die einzelnen Gedanken zum Zeitgeist fokusieren in der Regel ein Thema und setzen auch unterschiedliche Schwerpunkte.  Grundsätzliche Standpunkte wie auch der philosophische Unterbau werden dabei nicht jedes Mal neu dargelegt. Für ein besseres Verständnis der Basis der geäußerten Kritik ist es also sinnvoll, nach und nach alle Gedanken zum Zeitgeist zu lesen und auch die Seite Ostfalen-Spiegel.

I. Tapfer sterben für …

II. Der Finger in der Wunde

III. Die Demokratie lebt vom Diskurs

IV. Mehr Schein als Sein

V. Begründung einer Hoffnung

VI. Wer das Geld hat –

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März 20

Elemente und Ursprünge totaler Herrschaft

Buchvorstellung

Hannah Arendt

Elemente und Ursprünge totaler Herrschaft.

Antisemitismus, Imperialismus, totale Herrschaft.

Ungek. Taschenbuchausg.

11. Aufl.

München: Piper, 2006 [(1) 1951].

Taschenbuch, 1015.

ISBN-13 978-3-492-21032-4

„Menschlich müssen wir weitgehend Verantwortung auch für das übernehmen, was Menschen ohne unser Wissen und Zutun irgendwo in der Welt verbrochen haben; sonst gäbe es keine Einheit des Menschengeschlechts. Wir können es, weil uns gerade die spezifisch bösen Motive oder die spezifisch berechnete Zweckmäßigkeit der Handlung menschlich einsichtig ist.“[1]

Kurzbeschreibung aus dem Buch

Unter dem Eindruck des Holocaust, der nationalsozialistischen Vernichtung des europäischen Judentums, hat Hannah Arendt mit ‚Elemente und Ursprünge totaler Herrschaft‘ – zuerst 1951 in New York erschienen, in deutscher Übersetzung 1955 – zugleich eine Geschichte und eine Theorie des Totalitarismus geschrieben. Hier hat sie „die allgemein gültige Vorstellung vom monolithischen Charakter des Dritten Reiches erschüttert und auf die eigentümliche Strukturlosigkeit totaler Regierungen hingewiesen. Hannah Arendt analysiert den Nationalsozialismus und den Stalinismus als verwandte Herrschaftstypen und als Folgeerscheinungen von Antisemitismus und Imperialismus.“ (Deutschlandfunk)

Autorinnenportrait aus dem Buch

Hannah Arendt, am 14. Oktober 1906 in Hannover geboren und am 4. Dezember 1975 n New York gestorben, studierte Philosophie, Theologie und Griechisch unter anderem bei Heidegger, Bultmann und Jaspers, bei dem sie 1928 promovierte. 1933 Emigration nach Paris, ab 1941 in New York. 1946 bis 1948 Lektorin, danach als frei Schriftstellerin tätig. 1963 Professorin für Politische Theorie in Chicago, ab 1967 an der New School for Social Research in New York.

Umschlagtext

»Es liegt am Menschen und nicht an einem dunklen Verhängnis, was aus ihm wird. Weil die Einsicht unsere politische Denkungsart klärt und dadurch erneuert, ist das Buch geschrieben. Es macht keine Vorschläge und gibt keine Programme. Denn es will als solches nur historische Erkenntnis.

Daher halte ich dieses Buch für Geschichtsschreibung großen Stils.«

Karl Jaspers

[1] Arendt, Hannah: Elemente und Ursprünge totaler Herrschaft: Antisemitismus, Imperialismus, totale Herrschaft. Ungek. Taschenbuchausg. 11. Aufl. München: Piper, 2006 [(1) 1951], S. 946.

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März 27

Jägerlatein

Jägerlatein – Geschichten von einem Raufbold

Kommentar zum Artikel „Der versteckte Hirsch“ in der Wild und Hund Nr. 3/2010.

Von Rainer Elsner

Um es gleich vorne weg zu klären. Dieser Beitrag richtet sich nicht gegen die Jäger und will auch nicht alle Jäger in die braune Ecke stellen! Allerdings habe ich mit etwas Verwunderung bei einem befreundeten Jäger diesen Artikel und die Reaktionen darauf in der genannten Zeitschrift gelesen. Darauf hin stellte sich mir die Frage: Was fasziniert deutsche Jäger an einer Hirschskulptur aus dem Dritten Reich? In der Jagdzeitschrift Wild und Hund wurde im Heft 3/2010 auf den Seiten 100 und 101 eine Artikel veröffentlicht, in welchem über die Geschichte einer lebensgroßen Hirschskulptur berichtet wird. Die Skulptur wurde im Auftrag von Hermann Göring gefertigt und stellt einen Hirsch dar, den der damalige Ministerpräsident von Preußen, Oberbefehlshaber der Luftwaffe und Reichsjägermeister Göring erlegt hatte. Das Tier erhielt den Spitznamen „Raufbold“. Bei der Reichjagdausstellung 1937 in Berlin bekam die Skulptur einen exponierten Platz vor dem Eingang der Ausstellung. Der gesamte Beitrag in der Wild und Hund befasst sich mit der Geschichte dieser Skulptur. In einem unbefangenen Tonfall wird beschrieben, dass der Hirsch sogar die DDR überlebt hat und nun versteckt in einem Park im Osten Berlins auf seine Besucher wartet. Gestallterisch wird der Artikel von einem Foto des monumentalen Eingangsportals der Jagdausstellung von 1937 dominiert. Ein weiteres Bild zeigt einen freundlichen Göring mit dem erlegten Hirsch. Mit keiner Silbe wird in dem Artikel darauf eingegangen, welche menschenverachtenden Verbrechen Hermann Göring mit zu verantworten hatte. Dies gab den Anlass, folgenden Leserbrief zu verfassen:

Leserbrief zum Artikel „Der versteckte Hirsch“

Es ist ja vielleicht tatsächlich interessant, zu wissen, wo der besagte Hirsch verblieben ist. Allerdings fragt sich, warum? Jagdtrophäen sind in fast jedem Jagdhaushalt zu finden. Wege zu Hirschskulpturen finden sich zum Beispiel mit der Google-Bildersuche. Und bei einer Beschäftigung mit dem Dritten Reich helfen das Lesen von Geschichtsbüchern, das Betrachten von Dokumentarfilmen und der Besuch von Museen und Gedenkstätten.

Was bleibt also übrig? Vielleicht ein Gedenken an den Reichsjägermeister? Diese Vermutung drängt sich auf. Denn was sonst macht diesen einen Hirsch so interessant und besuchenswert? Verstärkt wird diese Vermutung dann auch von der Tatsache, dass im besagten Artikel ja einfach nur vom Reichsjägermeister geschrieben wird.

Aber wer war denn nun dieser „liebe“ Reichsjägermeister Hermann Göring? Ist die Geschichte dieses wohl bekanntesten deutschen Jägers dem Autor nicht geläufig? Oder warum wird mit dieser Person so unbekümmert umgegangen?

Zur Erinnerung vereinfacht zusammengefasst: Herr Göring war ein drogensüchtiger und größenwahnsinniger Massenmörder. Er gehörte zu den Menschen, die von Anbeginn an der Beseitigung der demokratischen Weimarer Verfassung gearbeitet haben. Und Hermann Göring ist auch federführend verantwortlich für den Tod von mindestens etwa 6 Millionen Menschen! Er hat 1941 Reinhard Heydrich mit der „Endlösung der Judenfrage“ beauftragt.

Demokratisch gesinnte Menschen fragen sich: Was bitteschön ist an Symbolen der Geltungssucht dieses Mannes (be)suchenswert?

Der Stumpf sitzt auf der rechten Seite

Ein Abdruck des Leserbriefes fand bisher (die nachfolgenden drei Ausgaben) nicht statt. Das ist für sich noch kein nennenswerter Sachstand. Jedoch verwundert es, wenn dann folgender Abdruck eines Leserbriefes zu diesem Artikel erfolgt:

Der „versteckte Hirsch“

Bericht von einem ganz besonderen Ostpreußen. WuH 3/2010, Seite 100

Links und rechts

Der Stumpf der abgebrochenen Eissprosse sitzt bei „Raufbold“ nicht wie geschrieben auf der linken, sondern auf der rechten Stange … Anm. der Red.: Stimmt. Wir bitten, den Fehler zu entschuldigen.“

Wild und Hund, 6/2010, S. 102.

Dies schwächt den Eindruck, dass mit diesem Artikel in stillschweigendem Einvernehmen ein Göring-Kult gepflegt wird, nicht gerade ab.

Der anerkannte Jagdflieger

Nun war Hermann Göring nicht der klassische Nazi. Er verfolgte immer auch eigene Ziele, die nicht zu jeder Zeit mit der Nazi-Ideologie konform gingen. Jedoch arrangierte er sich schon früh in der Weimarer Republik mit Hitler und den Nazis und brachte es so bis in höchste Machtpositionen. Er ließ die ersten Konzentrationslager bauen, veranlasste die Gründung der Gestapo und befahl die Vernichtung der Juden. Auch wenn Hermann Göring im Ersten Weltkrieg vielleicht ein allgemein anerkannter deutscher Jagdflieger war, darf seine Mitverantwortung für die Verbrechen der Nazis bei der Auseinandersetzung mit seiner Person nicht unerwähnt bleiben.

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