März 20

Elemente und Ursprünge totaler Herrschaft

Buchvorstellung

Hannah Arendt

Elemente und Ursprünge totaler Herrschaft.

Antisemitismus, Imperialismus, totale Herrschaft.

Ungek. Taschenbuchausg.

11. Aufl.

München: Piper, 2006 [(1) 1951].

Taschenbuch, 1015.

ISBN-13 978-3-492-21032-4

„Menschlich müssen wir weitgehend Verantwortung auch für das übernehmen, was Menschen ohne unser Wissen und Zutun irgendwo in der Welt verbrochen haben; sonst gäbe es keine Einheit des Menschengeschlechts. Wir können es, weil uns gerade die spezifisch bösen Motive oder die spezifisch berechnete Zweckmäßigkeit der Handlung menschlich einsichtig ist.“[1]

Kurzbeschreibung aus dem Buch

Unter dem Eindruck des Holocaust, der nationalsozialistischen Vernichtung des europäischen Judentums, hat Hannah Arendt mit ‚Elemente und Ursprünge totaler Herrschaft‘ – zuerst 1951 in New York erschienen, in deutscher Übersetzung 1955 – zugleich eine Geschichte und eine Theorie des Totalitarismus geschrieben. Hier hat sie „die allgemein gültige Vorstellung vom monolithischen Charakter des Dritten Reiches erschüttert und auf die eigentümliche Strukturlosigkeit totaler Regierungen hingewiesen. Hannah Arendt analysiert den Nationalsozialismus und den Stalinismus als verwandte Herrschaftstypen und als Folgeerscheinungen von Antisemitismus und Imperialismus.“ (Deutschlandfunk)

Autorinnenportrait aus dem Buch

Hannah Arendt, am 14. Oktober 1906 in Hannover geboren und am 4. Dezember 1975 n New York gestorben, studierte Philosophie, Theologie und Griechisch unter anderem bei Heidegger, Bultmann und Jaspers, bei dem sie 1928 promovierte. 1933 Emigration nach Paris, ab 1941 in New York. 1946 bis 1948 Lektorin, danach als frei Schriftstellerin tätig. 1963 Professorin für Politische Theorie in Chicago, ab 1967 an der New School for Social Research in New York.

Umschlagtext

»Es liegt am Menschen und nicht an einem dunklen Verhängnis, was aus ihm wird. Weil die Einsicht unsere politische Denkungsart klärt und dadurch erneuert, ist das Buch geschrieben. Es macht keine Vorschläge und gibt keine Programme. Denn es will als solches nur historische Erkenntnis.

Daher halte ich dieses Buch für Geschichtsschreibung großen Stils.«

Karl Jaspers

[1] Arendt, Hannah: Elemente und Ursprünge totaler Herrschaft: Antisemitismus, Imperialismus, totale Herrschaft. Ungek. Taschenbuchausg. 11. Aufl. München: Piper, 2006 [(1) 1951], S. 946.

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Dezember 12

Ein Abend im Advent

Ein Abend im Advent

Eine besinnliche Erzählung aus der Weihnachtszeit

von Rainer Elsner

Veröffentlicht im Ostfalen-Spiegel – Wolfenbüttel im Dezember 2010

Als PDF

Die Dunkelheit der herannahenden Nacht hat das spärliche Licht des Tages bereits verdrängt, als der dreizehnjährige Tom mit seiner zwei Jahre jüngeren Schwester Lisa an der Bushaltestelle ankommt. Die Kinder waren bei einer Weihnachtsfeier ihres Sportvereins. Seit den Morgenstunden fallen ohne Unterlass weiße Flocken vom Himmel. Langsam verwandelte der Schnee das triste Grau des Novembers in das strahlende Weiß des Dezembers. Überall in den Fenstern und an den Häusern glänzen die Lichter des Advents. Auch die Augen von Tom und Lisa glänzen beim Anblick der weiß-goldenen Pracht.

Während die beiden Kinder auf den Bus warten, quält sich der späte Feierabendverkehr langsam vorbei. Die glatten Straßen rauben den Fahrern die Freude an der Schönheit dieses Abends. Aber wer sich nicht auf das Fahren konzentrieren muss, wird von den Gedanken an das nahe Weihnachtsfest ergriffen. Es vergeht eine halbe Stunde, aber kein Bus ist in Sicht. Tom wird langsam unruhig. Zuerst toben beide noch im frischen Schnee, doch nun bemerken sie langsam die Kälte. Besonders Lisa fängt an, sich über kalte Füße zu beschweren.

„Warum hast du bloß dein Handy vergessen?“ stichelt Lisa ihren Bruder, „jetzt müssen wir hier erfrieren, weil wir Mama nicht anrufen können“.

Der stimmt ihr innerlich zu, will sich diese Blöße aber nicht geben und sagt deshalb unfreundlicher, als er es eigentlich wollte:

„Reiß du dich doch einfach mal zusammen! Kaum wird es ungemütlich, da muss die kleine Prinzessin schon Meckern. Aber Meckern hilft nicht!“

Das ist für Lisa zu viel. Immer muss ihr Bruder sie spüren lassen, dass er doch schon so groß und ernst ist. Dabei ist ihr einfach nur kalt! Eingeschnappt dreht sich Lisa um und setzt sich stumm auf die eiskalte Bank im Haltestellenhäuschen. Tom schaut zu seiner Schwester und bekommt ein schlechtes Gewissen. Sie hat ja Recht. Wenn er sein Handy nicht zu Hause vergessen hätte, könnten sie jetzt ihre Mutter anrufen und sich abholen lassen. Tom überlegt und sagt schließlich:

„Lisa, wir gehen zu Fuß.“

Lisa reagiert nicht, sondern schaut weiter stumm in den frisch gefallenen Schnee.

„Lisa, du hast Recht“ gibt er klein bei, „aber wir müssen uns bewegen“.

„Aber das ist doch viel zu weit“ erwidert Lisa bestürzt und springt auf.

„So weit ist das gar nicht, und wenn wir hier noch länger stehen, erfrieren wir wirklich“ erklärt Tom seiner Schwester.

„Aber ich will nicht den ganzen weiten Weg laufen“ rebelliert das Mädchen und dreht sich wieder bockig weg.

Behutsam fasst Tom nun seiner kleinen Schwester auf die Schulter und sagt ruhig:

„Lisa, entschuldige bitte, dass ich eben so schroff war zu dir! Vielleicht können wir ja von irgendwo Mama anrufen. Dann holt sie uns bestimmt ab. Aber lass uns erst mal ein Stück gehen.“

Lisa ist zwar gerne schnell eingeschnappt, aber sie ist nicht dumm. Wenn auch widerwillig, folgt sie ihrem großen Bruder. Langsam gehen die Kinder auf dem verschneiten Bürgersteig in Richtung Stadtmitte. Ihr Ziel liegt auf der anderen Seite der kleinen Stadt. Sie sind noch nicht weit gekommen, als sie vor einem kleinen Fachwerkhaus eine vermummte Gestalt sehen. Im Halbdunkel räumt das irgendwie unheimlich wirkende Wesen den Gehweg vom Schnee frei. Das erscheint aber eigentlich sinnlos, denn der Schnee bedeckt sofort wieder die gerade befreite Fläche. Etwas ängstlich gehen die Kinder an der Gestalt vorbei, denn sie ähnelt in gewisser Weise der Hexe aus Hänsel und Gretel – zumal vor dem kleinen gedrungenen Häuschen. Auch dem großen Tom ist irgendwie mulmig zu mute. Als sich die Kinder schon fast in Sicherheit wiegen, spricht die Hexe sie an:

„Ach Kinder, was geht ihr den hier so alleine durch die Kälte?“

Die Stimme klingt so gar nicht nach einer bösen alten Hexe. Sie klingt zwar etwas zitternd aber warm und liebenswürdig. Mutig drehen sich die Kinder um und schauen in die freundlichen Augen einer wohl schon sehr alten Frau.

„Na, ihr fürchtet euch doch nicht vor mir alten Frau?“ spricht sie lächelnd weiter.

„Nein, aber wir wollen schnell nach Hause kommen“ antwortet Tom etwas an der Wahrheit vorbei redend. Lisa steht stumm neben ihrem Bruder und hat seine Hand ergriffen.

„Ihr braucht aber keine Angst haben vor mir“ sagt die alte Frau, die die Furcht vor allem in Lisas Augen sofort erkennt, „ich sehe zwar vielleicht wie eine alte Hexe aus dem Märchen aus, aber ich könnte wirklich keiner Menschenseele etwas antun!“

„Können wir bei ihnen vielleicht unsere Mutter anrufen, damit sie uns hier abholt? Der Bus ist nicht gekommen“ fragt Tom nun, der sofort bemerkt, dass es kindisch war, sich vor dieser alten Frau zu fürchten.

„Aber sicher. Kommt, wir gehen erst mal rein. Dort ist es warm“ antwortet die Frau.

Mit dem Schneeschieber in der Hand geht sie voraus und die Kinder hinterher. In den Fenstern des Hauses stehen kleine Lichtbögen und aus dem Schornstein steigt Rauch in den verschneiten Himmel. In der weihnachtlich geschmückten Diele schaltet die Frau eine Lampe an und zeigt Tom und Lisa die Garderobe, wo sie ihre Kleidung aufhängen können. Dann zieht sie die dicken Sachen aus, die sie vor der Kälte geschützt haben. Und auch die Kinder ziehen ihre Jacken und Schuhe aus. Die Frau zeigt Tom ihr Telefon. Der ist zunächst irritiert, denn der große schwarze Apparat hat einen viel zu schweren Hörer und statt Tasten ein Rad mit Löchern, unter denen die Zahlen 0 bis 9 zu sehen sind. Die Frau sieht das und erklärt ihm die Funktionsweise der alten Wählscheibe. Zum Glück erreicht Tom seine Mutter auch sofort. Sie hat sich schon Sorgen gemacht und fährt umgehend los. Aber das kann dauern, die Straßen sind ja glatt.

„Kommt Kinder, wir gehen in die gute Stube, dort ist es gemütlicher“ fordert die alte Dame Lisa und Tom auf und geht wieder voraus.

Sie betreten einen in ein gemütliches Licht getauchten Raum mit alten Möbeln und vielen Bildern an den Wänden. Auf Kommoden und Regalen flackern Kerzen, in den Fenstern stehen leuchtende Schwibbögen. An einer Seite des Raumes steht eine alte Schrankwand mit einem Regal in der Mitte, in welchem unzählige vor allem alte Buchrücken zu sehen sind. Und an der Wand gegenüber den Fenstern befindet sich neben der Tür ein Kamin, in dem ein Feuer lodert. Vor dem Kamin steht ein kleiner Tisch und um ihn herum gruppiert zwei Sessel und ein Sofa. Der Raum ist wie der Hausflur weihnachtlich geschmückt.

„Wärmt euch schon mal am Feuer, Kinder. Ich mache uns schnell noch heißen Tee. Und hier habt ihr eine Decke, mit der ihr eure Beine und Füße wärmen könnt“ sagt die Frau zu Tom und Lisa. Sie reicht den Kindern die Decke und verlässt die Stube wieder.

Die Kinder setzen sich auf das Sofa und blicken fasziniert in das Feuer. Langsam breitet sich wieder Wärme in ihren Körpern aus. Zunächst können Lisa und Tom ihre Augen nicht vom Feuer lösen. Doch dann schauen sie sich in dem Raum um. Alles, Möbel, Wände, Bilder ist so gar nicht modern, ganz anders als zu Hause. Aber überall scheinen kleine Geschichten verborgen zu sein. Deutlich spüren sie, wie das gelebte Leben der alten Frau aus den Dingen spricht. Zwei Bilder in Schwarzweiß, die auf dem Kaminsimms stehen, fesseln die Kinder besonders. Auf einem Bild ist eine junge schöne Frau mit zu einem Haarkranz geflochtenen blonden Haaren unter einem Brautschleier zu sehen. Sie steht im weißen Kleid an der Seite eines Soldaten mit Schirmmütze und Säbel. Beide schauen lächelnd in die Kamera. Und ein zweites Foto steht daneben, wo wohl der gleiche Soldat in sauberer Uniform mit geflochtenen Schulterklappen freundlich, aber auf eigentümliche Weise ernst im Portrait abgebildet ist. Dies Bild ist an einer oberen Ecke mit einem schwarzen Band geschmückt.

„So Kinder, jetzt wird euch richtig warm werden“ sagt die Frau, während sie den Raum mit einem Tablett betritt.

Sie stellt die Teekanne und Tassen auf den Tisch und gisst die dampfenden Flüssigkeit in die Tassen. Auch ein Teller mit Plätzchen steht auf dem Tablett. Noch immer etwas ausgekühlt trinken die Kinder vorsichtig den heißen und süßen Tee. Nachdem alle ihre Tasse wieder auf den Tisch gestellt haben, sagt die Frau zu den Kindern:

„Ich bin die Sophia, und wie heißt ihr zwei Kleinen denn nun eigentlich?“

„Tom“ antwortet Tom etwas mürrisch, da er ja nun wirklich nicht mehr klein ist.

„Lisa“ sagt Lisa und lächelt.

„Dürfen wir sie etwas fragen?“ fragt Tom die alte Dame, nachdem er sich wieder beruhigt hat. Sie hat schräg neben den Kindern in einem der alten Sessel Platz genommen.

„Ja Tom, das dürft ihr, aber ihr braucht mich nicht mit Sie ansprechen. Da ich euch Kinder mit Du anspreche, dürft ihr kleinen Menschen auch mich mit Du anreden“ erklärt Sophia mit freundlicher Stimme.

„Bist du das da auf dem Foto?“ fragt Tom und zeigt zum Kamin.

Sophia schaut kurz hin und sagt dann mit plötzlich leiserer Stimme:

„Ja, das war die schönste Zeit meines Lebens. Aber es war uns nur eine kurze Zeit vergönnt. Und diese schöne Zeit ist auch schon sehr lange her.“

Einen Moment lang wird es still im Raum. Nur das Feuer knistert. Dann steht Sophia auf und legt Holz nach. Tom fasst erneut allen Mut zusammen und fragt:

„Ist der Soldat dein Mann, habt ihr da geheiratet?“

„Ja, das ist mein geliebter Ludwig, der fesche Leutnant“ antwortet Sophia mit einem Lächeln aber zitternder Stimme, „das Foto zeigt einen der glücklichsten Momente in unserem Leben.“

„Und warum hat das andere Foto diese schwarze Ecke?“ fragt Lisa.

„Das macht man, wenn ein Mensch gestorben ist“ antwortet Sophia mit noch leiserer Stimme.

„Warum ist dein Ludwig denn gestorben?“ fragt Lisa in ihrer noch kindlichen Unschuld weiter.

Sophia atmet tief ein, schaut die Kinder mit ernster Miene an und antwortet dann:

„Weil wir Menschen leider sehr dumm sind und unfähig, wirklich menschlich zu sein. Ihr seid ja noch sehr jung. Aber ich denke, ein Mensch kann es nicht früh genug erfahren, worauf es ankommen in diesem Leben!“ Mit bebender Stimme fragt sie: „Wollt ihr unsere, Ludwigs und meine, Geschichte hören?“

Der Klang in Sophias Stimme hat die Kinder betroffen gemacht, aber ihre Andeutungen haben auch ihre Neugier geweckt. Die Kinder schauen Sophia mit großen Augen an und antworten leise:

„Ja Sophia, bitte erzähle uns eure Geschichte.“

„Gut, merkt euch bitte alles, was ich euch erzähle. Es wird leider viel Trauriges dabei sein. Aber ich werde euch auch sehr Schönes berichten“ sagt Sophia zu Tom und Lisa und lehnt sich in ihren alten Sessel zurück.

A

„Es war im Frühling 1936. Ich ging noch zur Schule, war auf dem Weg zum Abitur. Eines Abends stand dann plötzlich dieser fesche junge Offizier vor mir. Ich kam mit ein paar Freundinnen aus dem Kino. Wir scherzten und lachten und ich rempelte ihn ausversehen an. Schick sah er aus in seiner schmucken Uniform mit seinen silbernen Leutnantsklappen auf den Schultern und seiner Schirmmütze auf seinem kantigen Kopf. Er war kein auffallend schöner Mann, aber er sah stattlich aus in der Uniform und sein Blick strahlte viel Wärme aus. >Verzeihung, mein Fräulein!< sagte er höflich und salutierte vor mir.

Ich erstarrte und war wie gefangen von ihm. Es war ein schönes, völlig aufheiterndes Gefühl, was mich plötzlich ergriff – vielleicht so, als ob nach einem vernebelten Morgen plötzlich die Sonne scheint. Obwohl ich mit meinen neunzehn Jahren noch fast ein Kind war, wusste ich sofort: Das ist er! Ich kann euch nicht sagen warum, aber ich wusste es – so erscheint es mir zumindest rückblickend bis heute. In diesem Moment vermochte ich dies heitere, erhebende Gefühl noch nicht zu deuten. Es war nur einfach schön! Der Offizier stellte sich als Leutnant Ludwig Minne vor, Panzergrenadierbataillon sowieso. Ich sagte nur, dass ich Sophia heiße. Dann bekam ich es mit der Angst zu tun. Schnell drehte ich mich weg. Meine Freundinnen griffen meine Hand und übertrieben lachend stürmten wir davon zur Straßenbahnhaltestelle.“

Sophia macht eine Pause und trinkt einen Schluck Tee. Weihnachtlicher Glanz umgibt sie. Die Kinder schauen sie gebannt an.

„Und dann, wie ging es weiter?“ fragt Lisa ungeduldig.

„Nur ruhig Blut junge Dame“ erwidert Sophia und rückt sich im Sessel zurecht.

„Es vergehen einige Tage. Der junge, fesche Leutnant, wie wir Mädchen ihn genannt haben, geht mir aber nicht aus dem Sinn. In der Schule kann ich mich nicht konzentrieren und nachts kann ich nicht schlafen. Ich bin verliebt. Das wird mir immer deutlicher bewusst. Ihr müsst wissen, Kinder, damals war alles noch nicht so offenherzig zwischen Mann und Frau, wie das heute meist der Fall ist. Und wir waren auch nicht so aufgeklärt und fast schon frühreif, wie das heute häufig der Fall ist. Was heute möglicherweise schon zu früh und zu viel passiert, das war damals viel später dran und vieles auch nicht statthaft oder gar erlaubt.“

Sophia macht wieder eine Pause.

„Aber ich will die Geschichte nicht zu sehr in die Länge ziehen. Eure Mutter kann ja jeden Moment hier sein. Kurz, irgendwann fasste ich allen Mut zusammen und ging zu seiner Kaserne. Irgendwann kam er auch tatsächlich heraus, aber er ging mit einem Kameraden plaudernd an mir vorbei – ohne mich wahrzunehmen, wie ich glaubte. Was ich alles anstellen musste, um ihn immer wieder zu sehen und wie umständlich unser Kennenlernen verlief, will ich um der Kürze willen weglassen. Irgendwann blieb er stehen und sprach mich auf das Kino an. Er begann damit, mir den Hof zu machen und mein Herz schien zu fliegen. Ludwig führte mich zum Kaffee aus und ins Theater. Ich konnte es kaum erwarten, dass er sich wieder meldet und wir wieder etwas gemeinsam unternahmen. Auf dem Weihnachtsmarkt im Advent 1936 gestand er mir schließlich seine Liebe und ich ihm die meine.“

„Habt ihr euch dann geküsst?“ fragt Lisa aufgeregt.

„Nein, oder ja, aber nur ganz kurz und verlegen. Wie gesagt, damals war alles anders als heute!“ beantwortet Sophia Lisas Frage.

„Und der Ludwig lief die ganze Zeit in dieser schicken Uniform herum?“ fragt Tom fasziniert.

„Ja, das war damals eine Zeit der Uniformen, Kinder. Das alte Preußen lebte in diesen Uniformen noch immer und alle hatten Respekt vor einem Offizier. Entsprechend stolz war ich junges Ding damals, wenn ich mit meinem Ludwig durch die Straßen flanierte. Wir Mädchen träumten alle von einem stolzen Ritter oder eben von einem Offizier mit Säbel und Portepee. Wir hatten ja keine Ahnung, welche grausame Zukunft sich hinter diesen schmucken Uniformen versteckte“ erklärt Sophia.

„Aber ich will später auch Soldat werden, wie mein Onkel Sebastian. Der ist Kompaniechef bei den Fallschirmjägern“ kommentiert Tom Sophias Worte mit etwas Unverständnis.

„Ach Junge, ich weiß, alle Jungs träumen davon, ein Held zu werden. Aber Helden sterben mitunter sehr früh, zu früh. Oder sie bemerken viel zu spät, dass es nicht sehr heldenhaft ist, Menschen zu töten“ sagt Sophia mit matter Stimme.

„Aber …“ will Tom protestieren.

Doch Sophia führt den Finger an den Mund und gibt ihm zu verstehen, einstweilen zu schweigen:

„Warte erst mal unsere Geschichte ab, Tom.“

„Okay“ sagt Tom wieder leiser und lehnt sich zurück.

„Es war, wie gesagt, die schönste Zeit meines Lebens. Im Frühling 1937 feierten wir Hochzeit. Mein fescher Leutnant war mittlerweile zum Oberleutnant befördert worden. Da ist das Foto links entstanden. Unsere Flitterwochen verbrachten wir in den bayerischen Alpen. Wir waren so verliebt! Ludwig war sehr besorgt um mich, und ich auch um ihn. Und wann immer wir kurz getrennt waren und uns dann wieder sahen, konnten wir in den Augen des anderen die grenzenlose Freude sehen, die er empfand, einfach nur weil es einen gab. Wir brauchten wenig Worte, um uns sicher zu sein, dass wir einander liebten.“

„Schön!“ entfährt es Lisa.

„Ja, das war schön. Aber es dauerte nicht lange, dann sahen auch wir die dunklen Wolken am Horizont. Ein Jahr später wurde Österreich ins Reich geholt, dann brannten im November die Synagogen. Auch wenn Ludwig Soldat war und ich zuvor im BDM, dass man Menschen so etwas nicht antut, war uns beiden bewusst. Doch, wie so viele Menschen damals, glaubten wir, die Zeiten würden auch wieder besser werden.“

„BDM?“ fragt Tom.

Sophia steht auf und schürt im Feuer. Lisa schenkt frischen Tee in alle Tassen.

„Der BDM war der Bund deutscher Mädel“ antwortet Sophia dann, während sie am Kamin hantiert, „das war eine Jugendorganisation der Nationalsozialisten, der weibliche Zweig der Hitlerjugend. Ihr werdet hoffentlich in der Schule noch mehr darüber erfahren, heute würde es meine Geschichte zu sehr in die Länge ziehen.

Doch wieder ein Jahr später bekam der Wahnsinn ein neues Gesicht. Zunächst mit stolzgeschwellter Brust rollte mein Ludwig mit seinen Panzern über die Grenze nach Polen. Der Beruf des Soldaten war es, und ist es übrigens noch heute, Krieg zu führen. Und so waren vor allem die Offiziere froh, sich endlich auf dem Schlachtfeld beweisen zu können. In meinem naiven Denken durchschaute ich die Situation noch nicht, aber ich hatte kein gutes Gefühl dabei. Für unsere Liebe war das eine harte Prüfung. Wir sahen uns von nun an immer nur wenige Tage, allenfalls Wochen im Jahr. Immer, wenn Ludwig Heimaturlaub hatte. Zunächst gaben wir uns dann immer einfach unserer jungen Liebe hin, Ludwig schenkte mir drei Kinder. Aber mit jedem Heimatbesuch wurde er nachdenklicher und trauriger. Schließlich verbrachten wir unsere wenigen Abende nicht mehr eng umschlungen im Ehebett, sondern in langen Gesprächen. Es ist unvorstellbar, was er mir von der Front berichtet. Das Sterben, das Töten, das Leiden von unzähligen Menschen, grausame Wunden ließen meinen Ludwig nicht mehr richtig schlafen. Dazu kamen noch Verbrechen, die er auch zu sehen bekam. Frauen und auch Kinder wurden erschossen und es hieß, in Polen gäbe es ein Lager, in dem Juden vergast werden. Bei unserem letzten Treffen war mein Ludwig nur noch ein Schatten seiner selbst. Inzwischen war er Oberstleutnant und Bataillonskommandeur in der 6. Armee. Aus der Zeit stammt das andere Foto dort.“

Sophia zeigt auf das Bild mit dem Trauerflor. Die Kinder folgen ihrer Hand schweigend.

„Auf dem Bild sieht man seine Traurigkeit nicht. Da hat er sich zusammengerissen und seine liebenswürdige Seele zum Ausdruck gebracht. Vielleicht wusste er, dass das das letzte Bild sein würde, was ich von ihm haben würde.“

Sophia kommt ins stocken. Tränen kullern über ihre Wangen. Lisa legt aus einem Reflex ihre Hand auf Sophias Knie. Sophia greift nach der Hand und erzählt weiter:

„Ihr habt vielleicht schon von Stalingrad gehört. Mein Ludwig und seine Grenadiere wurden dort im Winter 1942/43 eingekesselt. Als ich von der mörderischen Schlacht hörte, wusste ich, ich würde meinen Ludwig nicht wieder sehen. Im Januar 1943 kam ein junger Leutnant vom Ersatzheer, so fesch und stolz wie einst mein Ludwig, zu mir und sagte, mein Ludwig sei heldenhaft für Reich und Führer gefallen. Da die Kinder hinter mir standen, musste ich mich zusammenreißen. Denn alle fingen sogleich an zu weinen. Dem jungen Offizier sagte ich nur: >Ach Herr Leutnant, wenn sie wüssten< und ließ ihn dann stumm im Flur stehen.

Später am Abend, als die Kinder alle im Bett lagen, und ich sie halbwegs beruhigen konnte, sank ich in unser Ehebett. Hier, wo wir in manch langer Nacht mit so viel Freude unsere Liebe gefeiert hatten, von der wir glaubten, sie würde ewig dauern. Hier, wo wir zuletzt in dunkler Ahnung lange vertraute Gespräche führten und hier, wo mein Ludwig mir gestand, dass Soldat ein böser Beruf ist, hier brach ich in Tränen aus. Und bis zum frühen Morgen konnte ich nicht mehr aufhören zu weinen. Erst, als mein Körper auszutrocknen drohte, hörte ich auf mit dem Weinen. Mit dunklen Augen frühstückte ich mit den Kindern und beschloss, meine Kinder werden niemals in irgendeinen Krieg ziehen! Es folgten viele dunkle Wochen und Monate, wo mich der Kummer um Ludwig in einer tiefen Traurigkeit erstarren ließ und immer wieder unverhofft meine Tränen flossen. Nur die Kinder gaben mir noch Kraft, mein Leben nicht aufzugeben. Doch dieser Schmerz sollte sich noch steigern lassen.“

Sophia verstummt und trinkt wieder einen Schluck Tee. Der Raum ist erfüllt von Stille, nur das Feuer im Kamin knistert und die Kerzen ringsum flackern. Schweigsam schauen Lisa und Tom Sophia an und warten, dass die Geschichte weiter geht.

„Als wollte die Welt mich verhöhnen, starb mein ältester Sohn, den wir auch Ludwig genannt hatten, in den Bombennächten des Frühjahrs 1945. Wenig später sollte dieser schreckliche Krieg zu Ende sein. Doch mein Schmerz lebte fort. Hermann, unser mittlerer Sohn, hasste die Britten, weil sie seinen großen Bruder getötet hatten und Anna-Sophia, unser Mädchen, fragte nur, wann kommt Ludwig wieder. Sie konnte nicht wissen, dass mich dies doppelt stach. Denn sie hatte ihren Vater nicht mehr kennenlernen dürfen. Mir aber fehlten nun zwei Ludwigs. Es dauerte lange, bis ich wieder etwas Freude in mein Herz lassen konnte. Noch länger brauchte ich, bis Hermann endlich begriffen hatte, dass die Bomben der Britten zwar ebenfalls nichts Gutes waren, dass wir Deutschen diesen grausamen Krieg aber allein zu verantworten hatten und dass sowieso nicht jeder Engländer oder Amerikaner oder Russe böse war, nur weil wir Krieg gegen diese Länder geführt hatten. War ich anfangs noch genauso dumm fanatisch wie viele meiner Generation, so empfing ich am Ende trotz der Bomben die alliierten Truppen als Befreier.“

Wieder verstummt Sophia. Es ist doch sehr anstrengend für die alte Frau, über ihre Vergangenheit zu sprechen. Doch vielleicht war dies die letzte Gelegenheit, ihre Erfahrung weiter zu reichen.

„Hast du später wieder geheiratet, Sophia?“ fragt Lisa vorsichtig.

„Nein“ antwortet Sophia ohne zögern, „es gab so manchen Verehrer, ich war schließlich noch jung und auch nicht unansehnlich. Aber ich war für Ludwig geboren worden und wenn die Kinder nicht gewesen wären, ich weiß nicht, ob ich den Krieg überlebt hätte“.

„Aber dann hast du ja noch über sechzig Jahre alleine gelebt“ stellt Tom fest.

„Alleine?“ fragt Sophia, „nein alleine war ich nie. Ich hatte ja die Kinder und später auch Enkel – und ich hatte zum Glück auch einige gute Freunde. Und Ludwig war ja nie wirklich verschwunden, er ist bis heute bei mir. Ich trage ihn in meinem Herzen. Erst wenn ich gehe, wird er mit mir gehen. Manchmal denke ich, ich bin so alt geworden, weil Ludwig so früh gestorben ist. Ich musste einfach zwei Leben leben.“

Sophia verstummt und Lisa weint leise. Tom rutscht unruhig auf dem Sofa hin und her.

„Das ist wohl doch noch zu schwer zu verstehen für dich, was Lisa?“ fragt Sophia mit ruhiger Stimme.

„Deine“ Lisa korrigiert sich, „eure Geschichte ist sehr traurig aber auch sehr schön, denn du hast deinen Ludwig wohl wirklich sehr geliebt“ antwortet Lisa schluchzend.

„Ja, das habe ich“ bestätigt Sophia Lisas Feststellung, „und wenn dies der einzig denkbare Weg war, auf dem sich unsere Liebe verwirklichen konnte, dann will ich auch keinen anderen gegangen sein – so schmerzhaft dieser Weg auch war“ spricht Sophia weiter.

„Aber warum warst du dir gleich so sicher, dass Ludwig der richtige ist?“ fragt Lisa nun wieder etwas gefasster.

„Das kann ich dir nicht sagen, Lisa. Wahrscheinlich war ich anfangs gar nicht sicher. Ich habe einfach nicht weiter darüber nachgedacht. Ich wusste nur sehr schnell, dass ich ihn liebe. Später, in seinen tiefgründigen Briefen von der Front, hat mir Ludwig immer auch ein paar Verse gedichtet. Am Ende hatte ich eine Sammlung von Aufsätzen über den Sinn des Lebens, die Liebe und unsere Liebe – und ein langes Gedicht über die Liebe. An einer Stelle schrieb er da: >Liebe wird von uns nicht gelenkt, Liebe wird uns geschenkt<. Es gibt also keine Erklärung für die Liebe, Kind.“

Lisa schaut Sophia an und versucht die Worte dieser Frau zu begreifen. Nachdenklich wendet sie ihren Blick dabei dann dem Feuer zu.

„Aber Kind, so sicher du dir deiner Liebe eines Tages auch bist, bewehren muss sie sich im Leben. Und das hält mitunter sehr harte Prüfungen bereit“ spricht Sophia weiter.

Lisa schaut Sophia wieder an und sagt leise „Ja“.

Nun kann Tom sich nicht mehr zurückhalten.

„Aber deine Geschichte stammt aus einer anderen Zeit. Heute sind unsere Soldaten die Guten. Mein Onkel schützt unsere Freiheit in Afghanistan“ bringt er seinen Unmut zum Ausdruck.

Sophia, die von der Reise in ihre Vergangenheit mittlerweile sehr aufgewühlt und auch erschöpft ist, erwidert etwas verärgert:

„So, tut er das?“ Dann wird ihr wieder bewusst, dass sie es noch mit einem Kind zu tun hat und sagt in wieder ruhigerem Ton: „Tom, du bist noch sehr jung. Ich kann verstehen, wenn du meine Geschichte noch nicht ganz begreifen kannst. Und ich weiß auch, dass ihr Jungen immer gerne Soldaten sein wollt. Und sicher ist dein Onkel auch ein ganz lieber Kerl. Mein Ludwig war für mich ja auch der liebste Kerl auf dieser Welt. Und trotzdem ist er in den Krieg gezogen und hat Menschen getötet und zum Töten befohlen.“

„Aber mein Onkel macht sowas nicht, der hilft den Menschen dort“ widerspricht Tom.

„Was ist dein Onkel? Fallschirmjäger? Fallschirmjäger gehören zu den Kampftruppen. Sie lernen nichts anderes, als Menschen zu töten! Aber auch jeder andere Soldat hat als eigentliche Aufgabe das Töten. Auch der Panzerschlosser oder der einen Brunnen bohrende Pionier. Der Beruf des Soldaten ist das Töten und Sterben. Es tut mir leid, Tom. Aber das muss dir bewusst sein, denn sonst wirst du irgendwann so unglücklich, wie es am Ende mein Ludwig war.“

Tom wird wütend und springt auf und ruft:

„Du bist eine böse alte Hexe! Mein Onkel ist kein schlechter Mensch!“

Da springt auch Lisa auf, fast ihren Bruder an der Hand und sagt zu ihm:

„Aber du, wenn du dich nicht augenblicklich entschuldigst. Sophia hat uns ohne Fragen aufgenommen und geholfen. Sie hat viel gelitten in ihrem Leben und du schreist sie an!“

Tom schaut entgeistert seiner Schwester in die Augen, die plötzlich so besonnen und weise redet. Diese Unterbrechung nutzt Sophia, um die Wogen wieder zu glätten:

„Ich habe doch gar nicht gesagt, dass dein Onkel ein schlechter Mensch ist. Ich habe nur gesagt, was der Beruf des Soldaten ist. Viele unserer Soldaten heute sind sicher ganz liebe und friedliche Menschen. Und vielleicht kommen wir auch noch nicht ganz ohne Soldaten aus. Aber das ändert nichts daran, dass unsere Soldaten nichts in Afghanistan zu suchen haben. Und dass die Hauptaufgabe des Soldaten das Töten von Menschen ist – und das Sterben. Kinder, vielleicht erzähle ich euch zu schwere Kost, aber ihr müsst dieses Wissen erlangen und weiter tragen. Die Menschen meiner Generation werden bald alle nicht mehr am Leben sein.“

Sophias Stimme wird nun sehr ernst.

„Es gibt zwei Wege, den menschlichen und den Weg der Macht. Heute scheinen wir wieder den Weg der Macht gehen zu wollen. Deutsche Soldaten sollen in der Welt dafür sorgen, dass unsere Wirtschaft freien Handel betreiben kann. Das ist Imperialismus, Kinder, die Großmachtbestrebung des 19ten Jahrhunderts. Und nun gibt es auch wieder Orden für besonders gute Krieger. Mein Ludwig hatte auch so ein Eisernes Kreuz. Zum Schluss wollte er es am liebsten nicht mehr tragen.“

Sophia stockt der Atem, redet dann aber weiter.

„Irgendwie erinnert mich so vieles heute, wenn bisher auch nur sehr versteckt, an diese schreckliche Zeit. Mit einer Demokratie, die sich den Menschrechten verpflichtet hat, Kinder, hat das fast nichts mehr gemein.“

Als Sophia eine Pause macht, meldet sich Lisa abermals zu Wort. Um die Situation wieder etwas zu beruhigen fragt sie:

„Und wie ging dein Leben nach dem Krieg weiter?“

Sophia, die kurz aufgestanden ist, legt zunächst ein Stück Holz ins Feuer und spricht dann wieder ruhiger weiter:

„Nun, nachdem ich mich mit meiner Situation abgefunden hatte, beschloss ich, mein Leben dem Frieden zu widmen und so vielleicht dem Sterben meiner beiden Ludwigs postum noch einen Sinn zu geben. Zunächst engagierte ich mich in einem Verein für deutsch-französische Freundschaft. Anna-Sophia lerne hier ihren späteren Mann kennen. Beide leben, auch schon in die Jahre gekommen, glücklich in Toulouse. Das steht für einen echten Erfolg und gibt Hoffnung, denn 1914 sahen sich Deutsche und Franzosen noch als verhasste Erbfeinde. In den 1950er Jahren setzte ich mich gegen die Wiederbewaffnung ein, vergeblich, wie ihr wisst. Und in den 60er Jahren gründete ich einen Verein für die deutsch-russische Freundschaft mit. Im kalten Krieg war das aber fast unmöglich.“

Sophia schaut den Kindern, die ihr wieder gebannt lauschen, in die Augen und sagt:

„Kinder, ihr dürft nicht vergessen. Auch die Russen oder die Chinesen oder die Afghanen lieben ihre Kinder wie wir. Sting hat in den 1980er Jahren, als es noch den Kalten Krieg gab, gesungen >The Russiians love their children too<, die Russen lieben auch ihre Kinder. Das bringt es schon fast auf den Punkt. Wir müssen auf die Menschen zu gehen und mit ihnen reden und ihnen nicht nur von der Menschlichkeit erzählen, sondern sie ihnen auch zeigen. Solange der wirtschaftliche Erfolg großer Konzerne aber mehr wiegt als ein Menschenleben, wird es Piraten in Somalia geben und wütende Kinder in Palästina. Das ändert auch keine Bundeswehr. Und in Guantanamo haben wir Menschen im Westen schwer versagt. Das hat uns unglaubwürdig gemacht.“

Wieder macht die alte Frau eine Pause und trinkt einen Schluck Tee. Mit etwas zitternder Stimme redet sie dann weiter.

„Sicher gibt es auch wirklich böse Menschen in der Welt, und gegen die müssen wir uns auch schützen. Aber die meisten Menschen wollen in Ruhe und Frieden leben, egal welcher Weltanschauung sie anhängen. In den aktuellen Konflikten wird Religion oft nur als Deckmantel für ganz anderes benutzt. Denn, ob jemand an Gott, Allah oder Buddha glaubt, hängt doch sehr stark von seiner Geburt ab. Jeder Mensch aber liebt andere Menschen und liebt sein Leben, und jeder Mensch hat Sorgen und Nöte. Meist bekommen wir nur Probleme miteinander, weil wir nicht miteinander reden. Das wichtigste ist, auf andere Menschen zuzugehen und mit ihnen zu reden. Und das klappt in der Regel ohne Waffen besser als mit. Weihnachten nennen wir das Fest der Liebe. Und daran sollten wir uns erinnern, Kinder. Ich rede nicht so, weil ich euch verschrecken will, sondern weil ich Kinder wie euch liebe und sie vor solchen Torheiten bewahren will, wie wir sie in unserer Jugend begangen haben. Ein anderer Vers von meinem Ludwig hilft hier in gewisser Weise auch weiter. Zwar hat er ihn eigentlich deutlich persönlicher gemeint, aber er kann auch in Bezug auf die Völkerfreundschaft verstanden werden: >Liebe ist Freundschaft, Liebe uns Freunde schafft.<“

Sophia hat gerade diese schönen Worte gesprochen, da ertönt die alte Türklingel. Die Kinder schrecken auf und merken, plötzlich, wie weit sie in eine andere, etwas magisch wirkende Welt abgetaucht waren. Vielleicht kommt diese Frau doch aus einem Märchen, denkt Lisa, nur dass sie keine Hexe ist, sondern vielleicht eine gut Fee. Außerdem, wer hat denn gesagt, dass Hexen wirklich böse sein müssen …?

Sophia begrüßt die Mutter von Tom und Lisa an der Haustür. Die bedankt sich bei ihr. Mit glänzenden Augen verabschiedet sich dann Lisa von Sophia. Und auch Tom haben die letzten Worte nachdenklich und milde gestimmt. Mit einem Lächeln drückt er Sophia die Hand zum Abschied und sagt:

„Danke Sophia, diesen Abend werde ich wohl nicht so bald vergessen. Entschuldige bitte, dass ich so wütend geworden bin.“

Sophia schaut ihn an und streicht ihm über den Kopf. „Das habe ich durchaus verstanden“ sagt sie mit Freudentränen in den Augen. Lisa, die die alte Frau schnell sehr ins Herz geschlossen hat, umarmt diese spontan und küsst sie zum Abschied auf die Wange.

„Und noch was Kinder!“ sagt Sophia, als alle schon über die Türschwelle gehen, „im Zweifel folgt immer eurem Herzen und bleibt wahrhaftig, bleibt euch selbst treu!“

A

Vor dem Haus begrüßt die kalte Winterluft die Kinder. Es hat aufgehört zu schneien. Stattdessen leuchten viele helle Sterne am Himmel und verleihen so der hereingebrochenen Nacht noch mehr Glanz, als sie schon durch Schnee und Weihnachtsschmuck bekommen hat. Alle schauen zum Himmel und Lisa meint, eine Sternschnuppe gesehen zu haben. Vielleicht war das ein Zeichen von Ludwig, denkt sie und lächelt. Schließlich ist Weihnachten ja das Fest der Liebe!

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September 22

Der Löwe unterm Hakenkreuz

Buchvorstellung

Reinhard Bein, Ernst-August Roloff (Hrsg.)

Der Löwe unterm Hakenkreuz: Reiseführer durch Braunschweig und Umgebung 1930-1945.

Mit weiteren Beiträgen von Susanne Weihmann und Elke Zacharias.

Göttingen: MatrixMedia GmbH Verlag, 2010.

Kartoniert, 330.

ISBN: 978-3-932313-36-3

[Die Quellenangabe bezieht sich auf die der Rezension zugrunde liegende Ausgabe]

(re) In Braunschweig und im Braunschweiger Umland finden sich zahlreiche Spuren aus dem dunkelsten Kapitel der deutschen Geschichte. Und das ist nicht ohne Grund der Fall. Braunschweig war von Anbeginn ein wichtiger Stützpunkt für die Nationalsozialisten. In Braunschweig wurde der Österreicher Adolf Hitler deutscher Staatsbürger, hier schuf sich der „Reichsjägermeister“ Hermann Göring Kultstätten für seine Jagdleidenschaft, hier kam es schon 1931 zu großen Aufmärschen der SA (Bild) und hier wuchs eine für die Rüstung wichtige Industrie. Das nun (2010) vorgelegte Buch zeigt interessierten Besuchern und auch Einheimischen die vielen Orte, die bis heute noch Spuren aus dieser Zeit bergen. Sei es die Weihestätte im Hainberg bei Bockenem oder die Mustersiedlung Lehndorf. Ein Buch, dass auch gegen das Vergessen hilft. – Denn nur, wer die Wege der Vergangenheit kennt, kann erahnen, wo künftige Wege hin führen (können).

Umschlagtext:

Im September 1930 traten die Nationalsozialisten im Freistaat Braunschweig in eine Regierungskoalition ein. Diesen Vorsprung nutzte die NSDAP im Braunschweiger Land, um die Nazifizierung tiefgreifender und gründlicher voranzutreiben, als in anderen Ländern des Reiches. Durch den fatalen Ehrgeiz des Ministers Klagges und seiner Gefolgsleute, Braunschweig zu einem Nazi-Musterland machen zu wollen, erlebte das Land eine Herrschaft des politischen Banditentums. In Braunschweig ist die Gegenwart – fast unsichtbar und doch immer spürbar – mit den Abgründen der nationalsozialistischen Vergangenheit verbunden.

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Juni 30

Eine mit Gewalt imprägnierte Gesellschaft

Buchvorstellung

Wolfram Wette

Militarismus in Deutschland: Geschichte einer kriegerischen Kultur.

Lizenzausg.

Darmstadt: Wissenschaftliche Buchgesellschaft, 2008.

Gebunden, SU, 309.

Bestellnummer: 21643-1

[Die Quellenangabe bezieht sich auf die der Rezension zugrunde liegende Ausgabe]

Rezension und Hintergrund

(re) Anschaulich und kompetent zeigt Wolfram Wette, dass die Wurzeln des deutschen Militarismus zurück reichen bis zu Friedrich I., dem ersten „König in Preußen“. Von Anbeginn waren Krieg und Militäradel zentrale Stützen des preußischen Staates. Der König war Kriegsherr und Gesetzgeber, die Adligen Gutsherren und Offiziere in der Armee. Die damit verbundene militärische Durchdringung der Gesellschaft verfestigte sich über die Jahrzehnte zunehmend. Mit der Gründung des Deutschen Kaiserreichs 1871 drückte Preußen seinen Stempel schließlich dem gesamten politischen Verbund auf. Bis zum Ende des Reiches 1918 blieb das preußische Militär der entscheidende Machtfaktor im gesamten Deutschen Kaiserreich.  Der preußische Militarismus lebte auch danach im Deutschen Reich weiter und führte schließlich mit in den grauenvollen und verbrecherischen Zweiten Weltkrieg.  Davon beeindruckt war dieser Militarismus zumindest in Westdeutschland über viele Jahrzehnte kaum sichtbar, wenn auch nicht verschwunden! Die Bundeswehr verstand sich (nach anfänglichen Negativtendenzen!) als der Demokratie verpflichtete reine Verteidigungsarmee, beanspruchte aber wie seine Vorläuferarmeen eine herausgehobene gesellschaftliche Stellung. Die westdeutsche Zivilgesellschaft kann in weiten Teilen als entmilitarisiert angesehen werden. Seit der Wiedervereinigung der beiden deutschen Staaten ändert sich nun der politische Stellenwert des Militärs aber wieder zunehmend, und es sind rückläufige Tendenzen zu erkennen. Sowohl der Einsatz des Militärs als Mittel der Außenpolitik als auch die latente Diskussion über den Einsatz von bewaffnetem Militär im Landesinnern zeigen eine Abkehr von der „friedlichen“ Nachkriegspolitik in eine gefährliche Richtung.

Umschlagtext:

Dass eine mit Gewalt imprägnierte Gesellschaft zu gegebener Zeit eine Eigendynamik entfalten, dass sie sich sogar als ein Treibhaus für Katastrophen erweisen kann, diese uns heute einleuchtend erscheinende Einsicht musste im 20. Jahrhundert teuer erkauft werden.

Wolfram Wette, weithin bekannt als einer der wichtigsten – kritischen – Militärhistoriker, macht mit seinem neuesten Werk deutlich, dass weiterreichende Erkenntnisse über die Genese des preußisch-deutschen Militarismus und der zwei Weltkriege aber erst gewonnen werden können, wenn bewusst wird, wie tief das Militär in Struktur und Mentalität der deutschen Gesellschaft besonders vom Kaiserreich an bis in die Zeit des Nationalsozialismus verwurzelt war. Einflüsse des Militärs auf die Politik, die Wissenschaft und die Wirtschaft, sozialer Militarismus, Gewaltverherrlichung, Kriegsideologien, Freund-Feind-Denken, nationalistische und rassistische Ideologien, militaristische Erziehung, Interessen der Rüstungsindustrie und andere Erscheinungen sind als Bestandteile eines größeren Ganzen aufzufassen.

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Juni 30

Die Zertrümmerung der alten preußischen Armee

Buchvorstellung

Arthur Rosenberg

Entstehung der Weimarer Republik.

Hrsg. u. eingel. v. Kurt Kersten.

16. unveränd. Aufl.

Frankfurt a. M: Europäische Verlagsanstalt, 1974 [1961(1)].

Broschiert, 267.

ISBN 3-434-00002-X

[Die Quellenangabe bezieht sich auf die der Rezension zugrunde liegende Ausgabe]

Rezension und Hintergrund

(re) Arthur Rosenberg zeigt in seinem intelligenten und kritischen Buch zunächst die Verbindung von der Gründung des Deutschen Kaiserreichs in Versailles bis zu dessen Ende ebendort. Sodann schildert er ausführlich und ohne deutschen Pathos den Verlauf des Ersten Weltkrieges. Deutlich und kritisch belegt er die Verantwortung des deutschen (preußischen) Militärs aber auch der politischen Kräfte von Rechts bis Links. Er zeigt die Macht der Obersten Heeresleitung (OHL), die faktisch eine Militärdiktatur über Deutschland errichtet hatte. Keinen Zweifel lässt er an der Verantwortung der OHL für die Niederlage und verbannt damit die „Dolchstoßlegende“ in eben das Reich der Legenden. Und so stellt Rosenberg einleiten auch fest: „… die entscheidende Neuerung [der in Weimar geschaffenen Republik] liegt in der Zertrümmerung der alten preußischen Armee durch die Niederlage im Westen, durch die Revolution und durch den Versailler Frieden …“. – Dass diese Zertrümmerung aber nicht zum Ende des Militarismus in Deutschland geführt hat, wird sich zwei Jahrzehnte später grausam offenbaren.

Umschlagtext:

Professor Rosenberg hatte für dieses Buch den unschätzbaren Vorteil, Quellen verwenden zu können, die anderen Autoren nicht mehr zur Verfügung stehen. Seine Tätigkeit im Untersuchungsausschuß des Deutschen Reichstages für die Ursachen des deutschen Zusammenbruches gab ihm Gelegenheit, die Hauptakteure jener Epoche persönlich zu befragen und in Material Einsicht zu nehmen, das heute nicht mehr zugänglich ist.

… Das kluge Buch ist aufschlußreich für die innere Entwicklung des demokratischen Staates, es ist aufschlußreich für die Fehler seiner Führung ohne Größe und Weitblick. Es ist zugleich ein belebendes Zeugnis für die gebändigte Leidenschaft eines Gelehrten und Politikers. – Bücherei und Bildung

… ein Buch, das wegen seiner Scharfsinnigkeit, Originalität und großartigen Unbefangenheit wahrlich einen ungewöhnlichen Rang beanspruchen darf. – Südwestfunk

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Juni 23

Spuren des Unrechtsstaats im Freistaat Braunschweig

Buchvorstellung

Gerhard Wysocki

Die Geheime Staatspolizei im Land Braunschweig

Polizeirecht und Polizeipraxis im Nationalsozialismus

Frankfurt//Main; New York: Campus Verlag, 1997.

Kartoniert, 367.

ISBN: 3-593-35835-2

[Die Quellenangabe bezieht sich auf die der Rezension zugrunde liegende Ausgabe]

Rezension und Hintergrund

(re) Der Rechtsstaat war im Dritten Reich faktisch aufgehoben. Die Gerichte urteilten ohnehin meist  opportun zu den Machthabern. Noch schwerwiegender war allerdings, dass die Polizei und vor allem die Geheime Staatspolizei (Gestapo) völlig unabhängig von Gerichtsurteilen Menschen inhaftieren, foltern und auch töten konnte, durfte und sollte. Dies geschah zu Hauf im gesamten Deutschen Reich. Von diesem menschenverachtenden Abschnitt deutscher Geschichte berichtet diese Buch bezogen auf das Land Braunschweig. Braunschweig mit seinem überzeugten Nationalsozialistischen Ministerpräsidenten Dietrich Klagges war von Beginn an ein „braunes“ Musterland.

Umschlagtext:

„Die Polizei besaß im Nationalsozialismus nahezu unkontrollierte Befugnisse. Verhaftungen aus politischen Gründen, unbegrenzte Inhaftierung, Sonderbestrafungen und Hinrichtungen – alles schien ihr erlaubt. Das Buch zeigt die Herrschaftspraxis der Geheimen Staatspolizei in Justiz, Verwaltung und Gesellschaft am Beispiel des Landes Braunschweig. Neben rechts- und organisationsgeschichtlichen Grundlagen werden erschütternde Ereignisse geschildert, die die Herrschaftsmechanismen der Gestapo beleuchten.“

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März 27

Jägerlatein

Jägerlatein – Geschichten von einem Raufbold

Kommentar zum Artikel „Der versteckte Hirsch“ in der Wild und Hund Nr. 3/2010.

Von Rainer Elsner

Um es gleich vorne weg zu klären. Dieser Beitrag richtet sich nicht gegen die Jäger und will auch nicht alle Jäger in die braune Ecke stellen! Allerdings habe ich mit etwas Verwunderung bei einem befreundeten Jäger diesen Artikel und die Reaktionen darauf in der genannten Zeitschrift gelesen. Darauf hin stellte sich mir die Frage: Was fasziniert deutsche Jäger an einer Hirschskulptur aus dem Dritten Reich? In der Jagdzeitschrift Wild und Hund wurde im Heft 3/2010 auf den Seiten 100 und 101 eine Artikel veröffentlicht, in welchem über die Geschichte einer lebensgroßen Hirschskulptur berichtet wird. Die Skulptur wurde im Auftrag von Hermann Göring gefertigt und stellt einen Hirsch dar, den der damalige Ministerpräsident von Preußen, Oberbefehlshaber der Luftwaffe und Reichsjägermeister Göring erlegt hatte. Das Tier erhielt den Spitznamen „Raufbold“. Bei der Reichjagdausstellung 1937 in Berlin bekam die Skulptur einen exponierten Platz vor dem Eingang der Ausstellung. Der gesamte Beitrag in der Wild und Hund befasst sich mit der Geschichte dieser Skulptur. In einem unbefangenen Tonfall wird beschrieben, dass der Hirsch sogar die DDR überlebt hat und nun versteckt in einem Park im Osten Berlins auf seine Besucher wartet. Gestallterisch wird der Artikel von einem Foto des monumentalen Eingangsportals der Jagdausstellung von 1937 dominiert. Ein weiteres Bild zeigt einen freundlichen Göring mit dem erlegten Hirsch. Mit keiner Silbe wird in dem Artikel darauf eingegangen, welche menschenverachtenden Verbrechen Hermann Göring mit zu verantworten hatte. Dies gab den Anlass, folgenden Leserbrief zu verfassen:

Leserbrief zum Artikel „Der versteckte Hirsch“

Es ist ja vielleicht tatsächlich interessant, zu wissen, wo der besagte Hirsch verblieben ist. Allerdings fragt sich, warum? Jagdtrophäen sind in fast jedem Jagdhaushalt zu finden. Wege zu Hirschskulpturen finden sich zum Beispiel mit der Google-Bildersuche. Und bei einer Beschäftigung mit dem Dritten Reich helfen das Lesen von Geschichtsbüchern, das Betrachten von Dokumentarfilmen und der Besuch von Museen und Gedenkstätten.

Was bleibt also übrig? Vielleicht ein Gedenken an den Reichsjägermeister? Diese Vermutung drängt sich auf. Denn was sonst macht diesen einen Hirsch so interessant und besuchenswert? Verstärkt wird diese Vermutung dann auch von der Tatsache, dass im besagten Artikel ja einfach nur vom Reichsjägermeister geschrieben wird.

Aber wer war denn nun dieser „liebe“ Reichsjägermeister Hermann Göring? Ist die Geschichte dieses wohl bekanntesten deutschen Jägers dem Autor nicht geläufig? Oder warum wird mit dieser Person so unbekümmert umgegangen?

Zur Erinnerung vereinfacht zusammengefasst: Herr Göring war ein drogensüchtiger und größenwahnsinniger Massenmörder. Er gehörte zu den Menschen, die von Anbeginn an der Beseitigung der demokratischen Weimarer Verfassung gearbeitet haben. Und Hermann Göring ist auch federführend verantwortlich für den Tod von mindestens etwa 6 Millionen Menschen! Er hat 1941 Reinhard Heydrich mit der „Endlösung der Judenfrage“ beauftragt.

Demokratisch gesinnte Menschen fragen sich: Was bitteschön ist an Symbolen der Geltungssucht dieses Mannes (be)suchenswert?

Der Stumpf sitzt auf der rechten Seite

Ein Abdruck des Leserbriefes fand bisher (die nachfolgenden drei Ausgaben) nicht statt. Das ist für sich noch kein nennenswerter Sachstand. Jedoch verwundert es, wenn dann folgender Abdruck eines Leserbriefes zu diesem Artikel erfolgt:

Der „versteckte Hirsch“

Bericht von einem ganz besonderen Ostpreußen. WuH 3/2010, Seite 100

Links und rechts

Der Stumpf der abgebrochenen Eissprosse sitzt bei „Raufbold“ nicht wie geschrieben auf der linken, sondern auf der rechten Stange … Anm. der Red.: Stimmt. Wir bitten, den Fehler zu entschuldigen.“

Wild und Hund, 6/2010, S. 102.

Dies schwächt den Eindruck, dass mit diesem Artikel in stillschweigendem Einvernehmen ein Göring-Kult gepflegt wird, nicht gerade ab.

Der anerkannte Jagdflieger

Nun war Hermann Göring nicht der klassische Nazi. Er verfolgte immer auch eigene Ziele, die nicht zu jeder Zeit mit der Nazi-Ideologie konform gingen. Jedoch arrangierte er sich schon früh in der Weimarer Republik mit Hitler und den Nazis und brachte es so bis in höchste Machtpositionen. Er ließ die ersten Konzentrationslager bauen, veranlasste die Gründung der Gestapo und befahl die Vernichtung der Juden. Auch wenn Hermann Göring im Ersten Weltkrieg vielleicht ein allgemein anerkannter deutscher Jagdflieger war, darf seine Mitverantwortung für die Verbrechen der Nazis bei der Auseinandersetzung mit seiner Person nicht unerwähnt bleiben.

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Januar 16

Vordemokratisch

Vordemokratisch

Kommentar zur Artikelserie „Vor 90 Jahren – Erste Demokratie“ im Februar 2009 in der Braunschweiger Zeitung

Von Rainer Elsner

In dem mehrteiligen Bericht „Vor 90 Jahren – Erste Demokratie“ wird die Situation in Braunschweig zu Beginn der Weimarer Republik sehr einseitig beschrieben. Politisch links angesiedelte Kräfte werden als Feinde der Demokratie dargestellt, Fürsten und politisch extrem rechts stehende Kräfte aber als Retter der Demokratie gefeiert. Eine solch verzerrte Darstellung der Wirklichkeit sollte eine demokratische Presse eigentlich vermeiden.

Auseinandersetzung mit Geschichte hilft, Fehler zu vermeiden

Die Auseinandersetzung mit der Geschichte ist für die Bewältigung der Gegenwart und für die Gestaltung der Zukunft überaus wichtig. Die Überlieferung von Erfahrungen und Erlebnissen über die Generationen hinweg ist notwendig, um Entwicklungen und Ereignisse zu verstehen. Das Studium der Taten vorangegangener Generationen und ihrer Folgen kann helfen, richtige Entscheidungen zu fällen und Fehler zu vermeiden. In unserer Demokratie fällt unter anderem der Presse die Aufgabe zu, politisch wichtige Informationen allen Menschen zugänglich zu machen. Aus diesem Grund sind Presseberichte über die Fakten historisch bedeutender Momente sehr wichtig.

Die Artikelserie „Vor 90 Jahren – Erste Demokratie“ zu den politischen Auseinandersetzungen in Braunschweig zu Beginn der Weimarer Republik hat versucht, dieser Aufgabe nachzukommen. Die mitunter sehr konservativen Blickwinkel und Situationsbeschreibungen trüben das Ganze dann aber leider. Während die gerade überwundene Monarchie (die einen bestialischen Krieg zu verantworten hatte) in sehr freundlichen Worten angesprochen wird, werden die sozialistischen Kriegsgegner mit polemischen Spitzen diskreditiert und wichtige Informationen werden verschwiegen. Mehrfach wird zwar die Gefahr für die junge Demokratie betont und dann weiter von der Rettung dieser Demokratie geschrieben. Bei den beschriebenen Gefahren für diese junge Demokratie findet dann aber ein bedeutender Teil einfach keine Erwähnung. Und mehr noch, es werden dann Personen und Gruppen positiv erwähnt oder als Retter der Demokratie dargestellt, die tatsächlich wenig oder kein Interesse an der jungen Demokratie hatten. Und über diesen wichtigen Hintergrund wird an keiner Stelle aufgeklärt. Warum?

Vordemokratischer Begriff „Landesvater“

So wurde beispielsweise vom Braunschweiger Regenten Herzog Ernst August berichtet, er habe den Fehler gemacht, frühzeitig abzudanken. In diesem Zusammenhang wird der Herzog verklärend mit dem vordemokratischen Begriff „Landesvater“ bezeichnet. Gerade an dieser historisch bedeutenden Nahtstelle zwischen Monarchie und Demokratie in Deutschland ist es aber wichtig, alle Parteien und ihre jeweiligen Interessen und Standpunkte im Bezug auf die junge Demokratie klar zu benennen. Und da muss dann darauf hingewiesen werden, dass der Adel (also auch der Herzog) keine demokratische Legitimation für seinen Herrschaftsanspruch hatte und auch kein Interesse an einer Demokratie. Die eigentlichen Feinde der Demokratie finden sich also hier. Diese historisch wichtigen Fakten fehlen aber.

Als einziger Feind der Demokratie wird die von den Sozialisten ausgerufene Räterepublik beschrieben – obwohl sie dies für sich gesehen zunächst nicht zwingend ist (auch wenn dies im Wissen um die damaligen und späteren Entwicklungen in der Sowjetunion heute sicher anders bewertet werden muss).

Totengräber der Weimarer Republik als Retter gefeiert

Und es kommt noch schlimmer! Die späteren Totengräber der Weimarer Republik und ihrer Demokratie, die Freikorps, werden als Retter der Demokratie gefeiert. Diese sind dem Befehl der Reichsregierung aber tatsächlich meist aus ganz anderen Beweggründen gefolgt. Das wird bereits wenige Tage später offenbar, als eben diese Soldaten die für Freiheit und Demokratie bedeutende Persönlichkeit und erklärte Kriegsgegnerin Rosa Luxemburg ermorden.

Die Demokratie und Menschenleben verachtenden Soldaten und Offiziere dieses Freikorps, der „Garde-Kavallerie-Schützen-Division“, waren 1920 dann auch am Kapp-Lüttwitz-Putsch (kurz Kapp-Putsch) beteiligt, einem ersten Versuch reaktionärer Kräfte, die junge Demokratie zu stürzen. Auch der im Artikel genannte General Maercker spielte bei diesem Putsch eine undurchsichtige Rolle und wurde deshalb aus dem Militärdienst entlassen.

Mord an Walther Rathenau

Und der Mord am amtierenden Reichsaußenminister Walther Rathenau (DDP) am 24. Juni 1922 geht gleichfalls auf das Konto dieser Freikorpssoldaten – in diesem Fall der ehemaligen Marine-Brigade Ehrhardt, die 1919 mit Maercker in Braunschweig einmarschierte. Nicht wenige spätere SS-Führer und hitlertreue Wehrmachts-Offiziere waren Angehörige dieser Freikorps.

Für das Verständnis der Zusammenhänge gerade auch im Hinblick auf die weitere Entwicklung der ersten deutschen Demokratie und ihren Niedergang sind all diese Hinweise unerlässlich. Vor dem aktuellen Hintergrund des Erstarkens rechtsextremer menschen- und demokratiefeindlicher Gruppen erscheinen sie sogar zwingend notwendig!

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Quellen:

Bildungswerk Brandenburg:

http://www.bildungswerk-jks.de/Meine_Bilder_und_Dateien/2005.05A%20-%20Heydrich.pdf. 04.03.2009.

Bracher, Karl Dietrich, Manfred Funke, Hans-Adolf Jacobsen (Hrsg.):

Die Weimarer Republik 1918 – 1933: Politik – Wirtschaft – Gesellschaft. Schriftenreihe Band 251. Studien zur Zeitgeschichte. 2., durchges. Aufl. Bonn: Bundeszentrale für politische Bildung, 1988.

Böckenförde, Ernst-Wolfgang:

Der Zusammenbruch der Monarchie und die Entstehung der Weimarer Republik. In: Bracher, Karl Dietrich u. a.: Die Weimarer Republik. 2. Aufl. Bonn: Bundeszentrale für politische Bildung, 1988.

Rosenberg, Arthur:

Entstehung der Weimarer Republik. Hrsg. u. eingel. v. Kurt Kersten. 16. unveränd. Aufl. Frankfurt a. M: Europäische Verlagsanstalt, 1974.

Wette, Wolfram:

Militarismus in Deutschland: Geschichte einer kriegerischen Kultur. Lizenzausg. Darmstadt: Wissenschaftliche Buchgesellschaft, 2008.

Wikipedia:

http://de.wikipedia.org/wiki/Garde-Kavallerie-Sch%C3%BCtzen-Division 03.03.2009.

—: http://de.wikipedia.org/wiki/Georg_Ludwig_Rudolf_Maercker 03.03.2009.

—: http://de.wikipedia.org/wiki/Karl_Liebknecht 03.03.2009.

—: http://de.wikipedia.org/wiki/Marine-Brigade_Ehrhardt 03.03.09.

—: http://de.wikipedia.org/wiki/Rosa_Luxemburg 03.03.2009.

Zeitverlag (Hrsg.):

Die Zeit: Welt- und Kulturgeschichte: Epochen, Fakten, Hintergründe in 20 Bänden. Band 13: Erster Weltkrieg und Zwischenkriegszeit. Hamburg: Zeitverlag, 2006.

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Januar 13

Hubertusfeiern im Hainberg

Hubertusfeiern im Hainberg

Ausflugsziele in Ostfalen – Natur, Geschichte, Gegenwart

Mehr als einen Ausflug wert ist der Hainberg zwischen Bockenem und Sehlde. Markante Punkte sind die Bodensteiner Klippen auf dem südlichen Hauptkamm, die Hubertuskapelle mit dem Jägerhaus in der Mitte der bewaldeten Erhebung, der Jägerturm im Nordosten und die Burg Wohldenberg am nordwestlichen Ausläufer des Höhenzuges. Unserer modernen Zeit geschuldet ist zudem noch die Autobahn (BAB 7) zu nennen, die den Hainberg im Nordwesten durchschneidet.

Anfahrt: mit dem Pkw oder mit dem Bus, Fahrplanauskünfte:

Ausgangspunkte: Hainberg, Niedersachsen, Parkplatz an der L500 westlich von Bodenstein Richtung Bockenem, Parkplatz am Nordrand der L498 mitten auf dem Hainberg, am Jägerhaus in der Nähe der L498 mitten auf dem Hainberg oder die Burg Wohldenberg am Nordrand – um die wohl geeignetsten Ausgangspunkte zu nennen

Länge: je nach gewähltem Weg, in diesem Beitrag wird keine bestimmte Tour beschrieben

Höhen: zwischen etwa 150 und 299 Meter über NN

Kennzeichnung der Wege: Ähnlich wie im nahen Harz üblich sind die Wege meist gut beschildert und ausgezeichnet. Dies erfolgt auch hier durch einen Zweigverein des Harzklubs.

Rast: Bänke, Felsen, Gaststätte Jägerhaus

Grundsätzliche Ratschläge: finden sich bei Gedanken, Hinweise und Tipps zum Wandern

Sehlde. (re Winter 2009/2010, aktualisiert Januar 2012) Der Höhenzug erstreckt sich mit seinem nördlich Ausläufer auf einer Länge von etwa neun Kilometern von Nord nach Süd und in einer Breite zwischen vier (im Süden) und sechs (mit seinem nordwestlichen Zipfel) Kilometern in Ost-West-Richtung. Das Gebiet ist vollständig bewaldet und hat vier Haupttäler, von denen sich jeweils zwei nördlich und südlich öffnen. In der Mitte durchquert eine Passstraße den Höhenzug von Bockenem im Westen nach Sehlde im Osten. Die Straße hat dabei auf beiden Seiten einen steilen Anstieg, so dass Radfahrer durchaus in ihrer Kondition gefordert sind.

Als Ausgangspunkte für Wanderungen bieten sich mehrere Standorte an. Im Süden findet sich westlich der Ortschaft Bodenstein ein kleiner Parkplatz am südlichen Rand der L500 von Bodenstein nach Bockenem. Vorbei am Schmiedeteich sind von hier aus die Bodensteiner Klippen auf dem kürzesten Weg zu erreichen. Zugleich kann auch zum Jägerhaus gewandert werden. Und für eine Durchquerung ist dies ebenfalls ein guter Ausgangspunkt. Dann gibt es an der L498, die den Hainberg überquert, einen großen Parkplatz etwa auf dem Scheitelpunkt der Passstraße. Von hier kann in alle Richtungen gut gewandert werden. Die Ausflugsgaststätte Jägerhaus mit der Hubertuskapelle ist nur wenige Gehminuten entfernt. Dort, am Jägerhaus, befindet sich ein weiterer großer Parkplatz, der als Ausgangspunkt für eine Wanderung zum Jägerturm dienen kann. Und schließlich kann auch bei der Burg Wohldenberg geparkt und von hier aus gewandert werden. Der Hainberg ist dank des Harzklubs auch gut beschildert.

Wer sich auf den Weg macht durch den Hainberg, wird am Wegesrand den einen oder anderen markanten Punkt finden. Zu den bekanntesten Punkten folgen nun einige wissenswerte Informationen.

Bodensteiner Klippen

Die Bodensteiner Klippen befinden sich nördlich der Ortschaft Bodenstein auf dem südlichen Hauptkamm des Hainberges. Ein bisschen wie auf einer Kette aufgereiht ragen die Felsen immer wieder aus dem Waldboden mitunter zehn und mehr Meter empor. Die Klippen sind aus Hilssandstein und reichen auf einer Länge von etwa vier Kilometern bis zum Jägerhaus mit der Hubertuskapelle in der Mitte des Hainbergs.

Hubertuskapelle

Um 1730 herum wurde hier die Hubertuslegende zweimal im Fels verewigt, einmal an der Südwand des Felsen und dann im Innern des Felsen. Die eigentliche Hubertuskapelle befindet sich in einer kleinen Höhle im Felsen unterhalb der Südseite des Jägerhauses. Diese Felsgrotte wurde wahrscheinlich schon lange als heilige Stätte genutzt. Die Kapelle ließ seinerzeit der Droste des Amtes Wohldenberg, der Hildesheimer Domherr Johann Friedrich Anton Freiherr von Bocholtz, einrichten.

Jägerhaus

Vermutlich etwa 1830 entstand das Jägerhaus, welches der Grafen Ernst Friedrich Herbert von Münster erbauen ließ. Zunächst diente es wohl als Jagdhaus des Grafen. Im Lauf der Jahre erfuhr das Gebäude mehrere An- und Umbauten. Später wurde das Haus dann zu einer Waldgaststätte. Auch heute ist das Jägerhaus seit vielen Jahren wieder eine beliebte Waldgaststätte. Bei Wanderungen oder Montainbike-Touren über den Hainberg ist es ein willkommener Ort für eine längere Pause. Mit dem großen Parkplatz kann es aber auch als Ausgangs- und Endpunkt für diverse Touren dienen. Eine Stärkung am Ende einer Tour kann auch ein guter Abschluss sein. Seit Juni 2013 hat die Waldgaststätte Jägerhaus leider ihre Pforten geschlossen. Bis auf weiteres steht sie also nicht mehr für eine Stärkung vor, während oder nach einer Tour zur Verfügung.

Der heilige Hubertus unterm Hakenkreuz

Der letzte große Umbau des Jägerhauses fand 1936 statt. Für die seit 1933 alljährlich stattfindenden Hubertusfeiern der „Deutschen Jägerschaft“ ließ Friedrich Alpers das Jägerhaus umbauen. Es wurde nun zur „Weihestätte“ der Deutschen Jägerschaft. Alpers war damals „Gaujägermeister“ des „Jagdgaues Braunschweig“ und SS-Standartenführer. Der Umbau stand im Zusammenhang mit weiteren Baumaßnahmen bei Braunschweig für den „obersten deutschen Jäger“, den „Reichsjägermeisters“ Hermann Göring.

Diese historische Begebenheit wird an verschiedenen Stellen im Internet recht unbeschwert und ohne jede kritische Anmerkung berichtet. Das Jägerhaus selbst hatte zuletzt seinen Internetauftritt mittlerweile komplett überarbeitet und auch die Domain gewechselt. Die seinerzeit (2010) noch zu findenden recht unkritischen Worte sind dabei gleich mit verschwunden. In einem auf der Internetseite wiedergegebener Pressebericht distanziert sich das Jägerhaus nun eindeutig von der braunen Vergangenheit und der leider auch heute noch anzutreffenden Geisteshaltung. An anderer Stelle im Internet wird aber weiter schlicht vom „Reichsjägermeister Hermann Göring“ gesprochen oder einfach von „prominenten Mitmenschen“. Noch heute (2012) sind denn auch die Spuren dieser unseligen Vergangenheit zu finden.
Anmerkung Mai 2016: 2013 wurde der Gastronomiebetrieb im Jägerhaus aus Altersgründen aufgegeben. Inzwischen hat das Jägerhaus einen neuen Besitzer gefunden mit widerum neuer Domain (siehe oben). Wie und wann dort wieder ein Gastronomiebetrieb stattfindet, ist noch offen.

Die beteiligten Personen sollen hier nicht einfach in die braune Ecke gestellt werden. Und genauso wenig ist dies ein weiterer Versuch, die gesamte Jägerschaft in diese Ecke zu stellen. Doch dieser sorglose Umgang mit diesem finstersten Kapitel deutscher Geschichte gibt Anlass, es anzusprechen.

Wie alle Vereine und Verbände in Deutschland war auch die Deutsche Jägerschaft von den Nazis gleichgeschaltet worden. Und das Göring ein leidenschaftlicher Jäger war, kann anderen Jägern nicht zum Vorwurf gemacht werden. Insofern sollte also nicht ohne nähere Betrachtung der Stab gebrochen werden. Jedoch müssen alle Unternehmungen in dieser Zeit auch immer im Zusammenhang mit dem mörderischen Regime Hitlers betrachtet werden. So fanden diese Hubertusfeiern mit anwesenden Naziführern sicher mit dem monströsen Schmuck und der menschenverachtenden Rhetorik der Nazis statt. Da dann einfach vom „Reichsjägermeisters Hermann Göring“ zu sprechen, als sei er irgendeine „prominente Persönlichkeit“, grenzt fast schon an  Geschichtsverfälschung.

Der „Reichsjägermeisters“ Hermann Göring war lange Zeit der Stellvertreter Hitlers. Er veranlasste den Bau der ersten Konzentrationslager und die Gründung der Gestapo. Im Juli 1941 erließ er den Befehl zur „Endlösung der Judenfrage“ und war somit einer der Hauptverantwortlichen für die Vernichtung der Juden in Deutschland und Europa. Das darf bei der Nennung seines Namens oder seiner Taten nicht unerwähnt bleiben.

Burg Wohldenberg

Die Burg Wohldenberg findet ihre erste Erwähnung im Jahr 1174 als neuer Sitz der Grafen von Wöltingerode. Die Burgherren standen in der Auseinandersetzung zwischen Heinrich dem Löwen und dem deutschen Kaiser auf kaiserlicher Seite. Dies hatte eine Zerstörung der Burg durch den Braunschweiger Herzog zur Folge. Die Burg wurde wieder aufgebaut und blieb bis 1275 im Besitz der Grafen. 1275 erwarb dann der Bischof von Hildesheim die Burg. Im Dreißigjährigen Krieg wurde die Burg von kaiserlichen Truppen zu großen Teilen zerstört.

Eine Weile dienten die Reste der Burg aber noch als Amtssitz. Aus wirtschaftlichen Gründen wurden 1800 die meisten Gebäude abgerissen. Nur das Pforthaus mit Eckturm und der Stumpf des Bergfrieds sind erhalten geblieben. Der Eckturm wurde zum Glockenturm der 1731 erbauten katholischen Pfarrkirche St. Hubertus, der Stumpf des Bergfrieds wurde 1856 zu einem Aussichtpunkt ausgebaut.

Unterhalb der Burg entstand 1852 ein neues Amtshaus, welches heute als Haus Wohldenberg eine Jugendbildungsstäte der katholischen Kirche beherbergt. Der Bergfried befand sich zuletzt im Besitz des Landes Niedersachsen und wurde 1993 an einen Mobilfunknetzbetreiber verkauft, der dort eine Antennenanlage installiert hat. Die katholische Kirchengemeinde ist Pächter des unverändert zugänglichen Turms.

Als Ausgangspunkt für eine Wanderung ist die Burg Wohldenberg über eine Stichstraße zu erreichen, die von der K308 oberhalb der Ortschaft Silium abzweigt. Wie über die Bodensteiner Klippen kann auch von der Burg Wohldenberg aus zum Jägerhaus gewandert werden, so dass eine Einkehr auf halber Strecke möglich ist. Dabei führt der Weg anfangs über teilweise schmale aber gut zu begehende Pfade. Auf dem Weg zur autobahn wechselt der Weg dann auf eine Forststraße, die die BAB7 über eine 2012 erneuerte Brücke überquert.

Auch von anderen Orten am Hainberg können Wanderungen begonnen werden. Da diese Orte für diesen Artikel aber noch nicht wandernd erkundet wurden, bleibt es zunächst bei einigen allgemeinen Informationen.

Jägerturm

Der Jägerturm diente ebenfalls der Jagd und wurde wohl im Jahr 1736 errichtet. Leider ist der Turm selbst heute nicht zugänglich. Aber als Anlaufpunkt während einer Wanderung durch den Hainberg lohnt er dennoch.

BAB 7

Die Bundesautobahn 7 wurde in mehreren Abschnitten seit 1937 als Nord-Süd-Verbindung gebaut. Der Abschnitt durch den Hainberg wurde erst nach dem Krieg in den 1950er Jahren erbaut und freigegeben. Die für unsere derzeitige Mobilität sicher notwendige Autobahn stellt einen starken Einschnitt in die Landschaft dar. Besonders für die Tierwelt wurde zahlreiche Wechsel unterbrochen.

Da der Hainberg sicher noch weitere Wanderungen wert ist, wird dieser Artikel wohl auch noch die eine oder andere Ergänzung und Bearbeitung erfahren.

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Quellen

Brüning, Kurt; Schmidt, Heinrich (Hrsg.):

Handbuch der historischen Stätten Deutschlands: Zweiter Band: Niedersachsen und Bremen. 3., verb. u. erw. Aufl. Stutgart: Alfred Körner Verlag, 1969.

http://www.jaegerhaus-strohmeyer.de (Herbst/Winter 2009/2010; mittlerweile offline)

http://www.jaegerhaus-hainberg.de/ Neue Internetseite des Jägerhauses im Hainberg (bis 2013; mittlerweile offline)

http://www.jaegerhaus-sehlde.de nun aktuelle Internetseite des Jägerhauses im Hainberg – derzeit nur mit kurzer Information über den aktuellen Sachstand

Diverse Webseiten, die gefunden werden, wenn nach dem Hainberg, der Hubertuskapelle oder dem Jägerhaus gesucht wird.

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