Dezember 12

Ein Abend im Advent

Ein Abend im Advent

Eine besinnliche Erzählung aus der Weihnachtszeit

von Rainer Elsner

Veröffentlicht im Ostfalen-Spiegel – Wolfenbüttel im Dezember 2010

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Die Dunkelheit der herannahenden Nacht hat das spärliche Licht des Tages bereits verdrängt, als der dreizehnjährige Tom mit seiner zwei Jahre jüngeren Schwester Lisa an der Bushaltestelle ankommt. Die Kinder waren bei einer Weihnachtsfeier ihres Sportvereins. Seit den Morgenstunden fallen ohne Unterlass weiße Flocken vom Himmel. Langsam verwandelte der Schnee das triste Grau des Novembers in das strahlende Weiß des Dezembers. Überall in den Fenstern und an den Häusern glänzen die Lichter des Advents. Auch die Augen von Tom und Lisa glänzen beim Anblick der weiß-goldenen Pracht.

Während die beiden Kinder auf den Bus warten, quält sich der späte Feierabendverkehr langsam vorbei. Die glatten Straßen rauben den Fahrern die Freude an der Schönheit dieses Abends. Aber wer sich nicht auf das Fahren konzentrieren muss, wird von den Gedanken an das nahe Weihnachtsfest ergriffen. Es vergeht eine halbe Stunde, aber kein Bus ist in Sicht. Tom wird langsam unruhig. Zuerst toben beide noch im frischen Schnee, doch nun bemerken sie langsam die Kälte. Besonders Lisa fängt an, sich über kalte Füße zu beschweren.

„Warum hast du bloß dein Handy vergessen?“ stichelt Lisa ihren Bruder, „jetzt müssen wir hier erfrieren, weil wir Mama nicht anrufen können“.

Der stimmt ihr innerlich zu, will sich diese Blöße aber nicht geben und sagt deshalb unfreundlicher, als er es eigentlich wollte:

„Reiß du dich doch einfach mal zusammen! Kaum wird es ungemütlich, da muss die kleine Prinzessin schon Meckern. Aber Meckern hilft nicht!“

Das ist für Lisa zu viel. Immer muss ihr Bruder sie spüren lassen, dass er doch schon so groß und ernst ist. Dabei ist ihr einfach nur kalt! Eingeschnappt dreht sich Lisa um und setzt sich stumm auf die eiskalte Bank im Haltestellenhäuschen. Tom schaut zu seiner Schwester und bekommt ein schlechtes Gewissen. Sie hat ja Recht. Wenn er sein Handy nicht zu Hause vergessen hätte, könnten sie jetzt ihre Mutter anrufen und sich abholen lassen. Tom überlegt und sagt schließlich:

„Lisa, wir gehen zu Fuß.“

Lisa reagiert nicht, sondern schaut weiter stumm in den frisch gefallenen Schnee.

„Lisa, du hast Recht“ gibt er klein bei, „aber wir müssen uns bewegen“.

„Aber das ist doch viel zu weit“ erwidert Lisa bestürzt und springt auf.

„So weit ist das gar nicht, und wenn wir hier noch länger stehen, erfrieren wir wirklich“ erklärt Tom seiner Schwester.

„Aber ich will nicht den ganzen weiten Weg laufen“ rebelliert das Mädchen und dreht sich wieder bockig weg.

Behutsam fasst Tom nun seiner kleinen Schwester auf die Schulter und sagt ruhig:

„Lisa, entschuldige bitte, dass ich eben so schroff war zu dir! Vielleicht können wir ja von irgendwo Mama anrufen. Dann holt sie uns bestimmt ab. Aber lass uns erst mal ein Stück gehen.“

Lisa ist zwar gerne schnell eingeschnappt, aber sie ist nicht dumm. Wenn auch widerwillig, folgt sie ihrem großen Bruder. Langsam gehen die Kinder auf dem verschneiten Bürgersteig in Richtung Stadtmitte. Ihr Ziel liegt auf der anderen Seite der kleinen Stadt. Sie sind noch nicht weit gekommen, als sie vor einem kleinen Fachwerkhaus eine vermummte Gestalt sehen. Im Halbdunkel räumt das irgendwie unheimlich wirkende Wesen den Gehweg vom Schnee frei. Das erscheint aber eigentlich sinnlos, denn der Schnee bedeckt sofort wieder die gerade befreite Fläche. Etwas ängstlich gehen die Kinder an der Gestalt vorbei, denn sie ähnelt in gewisser Weise der Hexe aus Hänsel und Gretel – zumal vor dem kleinen gedrungenen Häuschen. Auch dem großen Tom ist irgendwie mulmig zu mute. Als sich die Kinder schon fast in Sicherheit wiegen, spricht die Hexe sie an:

„Ach Kinder, was geht ihr den hier so alleine durch die Kälte?“

Die Stimme klingt so gar nicht nach einer bösen alten Hexe. Sie klingt zwar etwas zitternd aber warm und liebenswürdig. Mutig drehen sich die Kinder um und schauen in die freundlichen Augen einer wohl schon sehr alten Frau.

„Na, ihr fürchtet euch doch nicht vor mir alten Frau?“ spricht sie lächelnd weiter.

„Nein, aber wir wollen schnell nach Hause kommen“ antwortet Tom etwas an der Wahrheit vorbei redend. Lisa steht stumm neben ihrem Bruder und hat seine Hand ergriffen.

„Ihr braucht aber keine Angst haben vor mir“ sagt die alte Frau, die die Furcht vor allem in Lisas Augen sofort erkennt, „ich sehe zwar vielleicht wie eine alte Hexe aus dem Märchen aus, aber ich könnte wirklich keiner Menschenseele etwas antun!“

„Können wir bei ihnen vielleicht unsere Mutter anrufen, damit sie uns hier abholt? Der Bus ist nicht gekommen“ fragt Tom nun, der sofort bemerkt, dass es kindisch war, sich vor dieser alten Frau zu fürchten.

„Aber sicher. Kommt, wir gehen erst mal rein. Dort ist es warm“ antwortet die Frau.

Mit dem Schneeschieber in der Hand geht sie voraus und die Kinder hinterher. In den Fenstern des Hauses stehen kleine Lichtbögen und aus dem Schornstein steigt Rauch in den verschneiten Himmel. In der weihnachtlich geschmückten Diele schaltet die Frau eine Lampe an und zeigt Tom und Lisa die Garderobe, wo sie ihre Kleidung aufhängen können. Dann zieht sie die dicken Sachen aus, die sie vor der Kälte geschützt haben. Und auch die Kinder ziehen ihre Jacken und Schuhe aus. Die Frau zeigt Tom ihr Telefon. Der ist zunächst irritiert, denn der große schwarze Apparat hat einen viel zu schweren Hörer und statt Tasten ein Rad mit Löchern, unter denen die Zahlen 0 bis 9 zu sehen sind. Die Frau sieht das und erklärt ihm die Funktionsweise der alten Wählscheibe. Zum Glück erreicht Tom seine Mutter auch sofort. Sie hat sich schon Sorgen gemacht und fährt umgehend los. Aber das kann dauern, die Straßen sind ja glatt.

„Kommt Kinder, wir gehen in die gute Stube, dort ist es gemütlicher“ fordert die alte Dame Lisa und Tom auf und geht wieder voraus.

Sie betreten einen in ein gemütliches Licht getauchten Raum mit alten Möbeln und vielen Bildern an den Wänden. Auf Kommoden und Regalen flackern Kerzen, in den Fenstern stehen leuchtende Schwibbögen. An einer Seite des Raumes steht eine alte Schrankwand mit einem Regal in der Mitte, in welchem unzählige vor allem alte Buchrücken zu sehen sind. Und an der Wand gegenüber den Fenstern befindet sich neben der Tür ein Kamin, in dem ein Feuer lodert. Vor dem Kamin steht ein kleiner Tisch und um ihn herum gruppiert zwei Sessel und ein Sofa. Der Raum ist wie der Hausflur weihnachtlich geschmückt.

„Wärmt euch schon mal am Feuer, Kinder. Ich mache uns schnell noch heißen Tee. Und hier habt ihr eine Decke, mit der ihr eure Beine und Füße wärmen könnt“ sagt die Frau zu Tom und Lisa. Sie reicht den Kindern die Decke und verlässt die Stube wieder.

Die Kinder setzen sich auf das Sofa und blicken fasziniert in das Feuer. Langsam breitet sich wieder Wärme in ihren Körpern aus. Zunächst können Lisa und Tom ihre Augen nicht vom Feuer lösen. Doch dann schauen sie sich in dem Raum um. Alles, Möbel, Wände, Bilder ist so gar nicht modern, ganz anders als zu Hause. Aber überall scheinen kleine Geschichten verborgen zu sein. Deutlich spüren sie, wie das gelebte Leben der alten Frau aus den Dingen spricht. Zwei Bilder in Schwarzweiß, die auf dem Kaminsimms stehen, fesseln die Kinder besonders. Auf einem Bild ist eine junge schöne Frau mit zu einem Haarkranz geflochtenen blonden Haaren unter einem Brautschleier zu sehen. Sie steht im weißen Kleid an der Seite eines Soldaten mit Schirmmütze und Säbel. Beide schauen lächelnd in die Kamera. Und ein zweites Foto steht daneben, wo wohl der gleiche Soldat in sauberer Uniform mit geflochtenen Schulterklappen freundlich, aber auf eigentümliche Weise ernst im Portrait abgebildet ist. Dies Bild ist an einer oberen Ecke mit einem schwarzen Band geschmückt.

„So Kinder, jetzt wird euch richtig warm werden“ sagt die Frau, während sie den Raum mit einem Tablett betritt.

Sie stellt die Teekanne und Tassen auf den Tisch und gisst die dampfenden Flüssigkeit in die Tassen. Auch ein Teller mit Plätzchen steht auf dem Tablett. Noch immer etwas ausgekühlt trinken die Kinder vorsichtig den heißen und süßen Tee. Nachdem alle ihre Tasse wieder auf den Tisch gestellt haben, sagt die Frau zu den Kindern:

„Ich bin die Sophia, und wie heißt ihr zwei Kleinen denn nun eigentlich?“

„Tom“ antwortet Tom etwas mürrisch, da er ja nun wirklich nicht mehr klein ist.

„Lisa“ sagt Lisa und lächelt.

„Dürfen wir sie etwas fragen?“ fragt Tom die alte Dame, nachdem er sich wieder beruhigt hat. Sie hat schräg neben den Kindern in einem der alten Sessel Platz genommen.

„Ja Tom, das dürft ihr, aber ihr braucht mich nicht mit Sie ansprechen. Da ich euch Kinder mit Du anspreche, dürft ihr kleinen Menschen auch mich mit Du anreden“ erklärt Sophia mit freundlicher Stimme.

„Bist du das da auf dem Foto?“ fragt Tom und zeigt zum Kamin.

Sophia schaut kurz hin und sagt dann mit plötzlich leiserer Stimme:

„Ja, das war die schönste Zeit meines Lebens. Aber es war uns nur eine kurze Zeit vergönnt. Und diese schöne Zeit ist auch schon sehr lange her.“

Einen Moment lang wird es still im Raum. Nur das Feuer knistert. Dann steht Sophia auf und legt Holz nach. Tom fasst erneut allen Mut zusammen und fragt:

„Ist der Soldat dein Mann, habt ihr da geheiratet?“

„Ja, das ist mein geliebter Ludwig, der fesche Leutnant“ antwortet Sophia mit einem Lächeln aber zitternder Stimme, „das Foto zeigt einen der glücklichsten Momente in unserem Leben.“

„Und warum hat das andere Foto diese schwarze Ecke?“ fragt Lisa.

„Das macht man, wenn ein Mensch gestorben ist“ antwortet Sophia mit noch leiserer Stimme.

„Warum ist dein Ludwig denn gestorben?“ fragt Lisa in ihrer noch kindlichen Unschuld weiter.

Sophia atmet tief ein, schaut die Kinder mit ernster Miene an und antwortet dann:

„Weil wir Menschen leider sehr dumm sind und unfähig, wirklich menschlich zu sein. Ihr seid ja noch sehr jung. Aber ich denke, ein Mensch kann es nicht früh genug erfahren, worauf es ankommen in diesem Leben!“ Mit bebender Stimme fragt sie: „Wollt ihr unsere, Ludwigs und meine, Geschichte hören?“

Der Klang in Sophias Stimme hat die Kinder betroffen gemacht, aber ihre Andeutungen haben auch ihre Neugier geweckt. Die Kinder schauen Sophia mit großen Augen an und antworten leise:

„Ja Sophia, bitte erzähle uns eure Geschichte.“

„Gut, merkt euch bitte alles, was ich euch erzähle. Es wird leider viel Trauriges dabei sein. Aber ich werde euch auch sehr Schönes berichten“ sagt Sophia zu Tom und Lisa und lehnt sich in ihren alten Sessel zurück.

A

„Es war im Frühling 1936. Ich ging noch zur Schule, war auf dem Weg zum Abitur. Eines Abends stand dann plötzlich dieser fesche junge Offizier vor mir. Ich kam mit ein paar Freundinnen aus dem Kino. Wir scherzten und lachten und ich rempelte ihn ausversehen an. Schick sah er aus in seiner schmucken Uniform mit seinen silbernen Leutnantsklappen auf den Schultern und seiner Schirmmütze auf seinem kantigen Kopf. Er war kein auffallend schöner Mann, aber er sah stattlich aus in der Uniform und sein Blick strahlte viel Wärme aus. >Verzeihung, mein Fräulein!< sagte er höflich und salutierte vor mir.

Ich erstarrte und war wie gefangen von ihm. Es war ein schönes, völlig aufheiterndes Gefühl, was mich plötzlich ergriff – vielleicht so, als ob nach einem vernebelten Morgen plötzlich die Sonne scheint. Obwohl ich mit meinen neunzehn Jahren noch fast ein Kind war, wusste ich sofort: Das ist er! Ich kann euch nicht sagen warum, aber ich wusste es – so erscheint es mir zumindest rückblickend bis heute. In diesem Moment vermochte ich dies heitere, erhebende Gefühl noch nicht zu deuten. Es war nur einfach schön! Der Offizier stellte sich als Leutnant Ludwig Minne vor, Panzergrenadierbataillon sowieso. Ich sagte nur, dass ich Sophia heiße. Dann bekam ich es mit der Angst zu tun. Schnell drehte ich mich weg. Meine Freundinnen griffen meine Hand und übertrieben lachend stürmten wir davon zur Straßenbahnhaltestelle.“

Sophia macht eine Pause und trinkt einen Schluck Tee. Weihnachtlicher Glanz umgibt sie. Die Kinder schauen sie gebannt an.

„Und dann, wie ging es weiter?“ fragt Lisa ungeduldig.

„Nur ruhig Blut junge Dame“ erwidert Sophia und rückt sich im Sessel zurecht.

„Es vergehen einige Tage. Der junge, fesche Leutnant, wie wir Mädchen ihn genannt haben, geht mir aber nicht aus dem Sinn. In der Schule kann ich mich nicht konzentrieren und nachts kann ich nicht schlafen. Ich bin verliebt. Das wird mir immer deutlicher bewusst. Ihr müsst wissen, Kinder, damals war alles noch nicht so offenherzig zwischen Mann und Frau, wie das heute meist der Fall ist. Und wir waren auch nicht so aufgeklärt und fast schon frühreif, wie das heute häufig der Fall ist. Was heute möglicherweise schon zu früh und zu viel passiert, das war damals viel später dran und vieles auch nicht statthaft oder gar erlaubt.“

Sophia macht wieder eine Pause.

„Aber ich will die Geschichte nicht zu sehr in die Länge ziehen. Eure Mutter kann ja jeden Moment hier sein. Kurz, irgendwann fasste ich allen Mut zusammen und ging zu seiner Kaserne. Irgendwann kam er auch tatsächlich heraus, aber er ging mit einem Kameraden plaudernd an mir vorbei – ohne mich wahrzunehmen, wie ich glaubte. Was ich alles anstellen musste, um ihn immer wieder zu sehen und wie umständlich unser Kennenlernen verlief, will ich um der Kürze willen weglassen. Irgendwann blieb er stehen und sprach mich auf das Kino an. Er begann damit, mir den Hof zu machen und mein Herz schien zu fliegen. Ludwig führte mich zum Kaffee aus und ins Theater. Ich konnte es kaum erwarten, dass er sich wieder meldet und wir wieder etwas gemeinsam unternahmen. Auf dem Weihnachtsmarkt im Advent 1936 gestand er mir schließlich seine Liebe und ich ihm die meine.“

„Habt ihr euch dann geküsst?“ fragt Lisa aufgeregt.

„Nein, oder ja, aber nur ganz kurz und verlegen. Wie gesagt, damals war alles anders als heute!“ beantwortet Sophia Lisas Frage.

„Und der Ludwig lief die ganze Zeit in dieser schicken Uniform herum?“ fragt Tom fasziniert.

„Ja, das war damals eine Zeit der Uniformen, Kinder. Das alte Preußen lebte in diesen Uniformen noch immer und alle hatten Respekt vor einem Offizier. Entsprechend stolz war ich junges Ding damals, wenn ich mit meinem Ludwig durch die Straßen flanierte. Wir Mädchen träumten alle von einem stolzen Ritter oder eben von einem Offizier mit Säbel und Portepee. Wir hatten ja keine Ahnung, welche grausame Zukunft sich hinter diesen schmucken Uniformen versteckte“ erklärt Sophia.

„Aber ich will später auch Soldat werden, wie mein Onkel Sebastian. Der ist Kompaniechef bei den Fallschirmjägern“ kommentiert Tom Sophias Worte mit etwas Unverständnis.

„Ach Junge, ich weiß, alle Jungs träumen davon, ein Held zu werden. Aber Helden sterben mitunter sehr früh, zu früh. Oder sie bemerken viel zu spät, dass es nicht sehr heldenhaft ist, Menschen zu töten“ sagt Sophia mit matter Stimme.

„Aber …“ will Tom protestieren.

Doch Sophia führt den Finger an den Mund und gibt ihm zu verstehen, einstweilen zu schweigen:

„Warte erst mal unsere Geschichte ab, Tom.“

„Okay“ sagt Tom wieder leiser und lehnt sich zurück.

„Es war, wie gesagt, die schönste Zeit meines Lebens. Im Frühling 1937 feierten wir Hochzeit. Mein fescher Leutnant war mittlerweile zum Oberleutnant befördert worden. Da ist das Foto links entstanden. Unsere Flitterwochen verbrachten wir in den bayerischen Alpen. Wir waren so verliebt! Ludwig war sehr besorgt um mich, und ich auch um ihn. Und wann immer wir kurz getrennt waren und uns dann wieder sahen, konnten wir in den Augen des anderen die grenzenlose Freude sehen, die er empfand, einfach nur weil es einen gab. Wir brauchten wenig Worte, um uns sicher zu sein, dass wir einander liebten.“

„Schön!“ entfährt es Lisa.

„Ja, das war schön. Aber es dauerte nicht lange, dann sahen auch wir die dunklen Wolken am Horizont. Ein Jahr später wurde Österreich ins Reich geholt, dann brannten im November die Synagogen. Auch wenn Ludwig Soldat war und ich zuvor im BDM, dass man Menschen so etwas nicht antut, war uns beiden bewusst. Doch, wie so viele Menschen damals, glaubten wir, die Zeiten würden auch wieder besser werden.“

„BDM?“ fragt Tom.

Sophia steht auf und schürt im Feuer. Lisa schenkt frischen Tee in alle Tassen.

„Der BDM war der Bund deutscher Mädel“ antwortet Sophia dann, während sie am Kamin hantiert, „das war eine Jugendorganisation der Nationalsozialisten, der weibliche Zweig der Hitlerjugend. Ihr werdet hoffentlich in der Schule noch mehr darüber erfahren, heute würde es meine Geschichte zu sehr in die Länge ziehen.

Doch wieder ein Jahr später bekam der Wahnsinn ein neues Gesicht. Zunächst mit stolzgeschwellter Brust rollte mein Ludwig mit seinen Panzern über die Grenze nach Polen. Der Beruf des Soldaten war es, und ist es übrigens noch heute, Krieg zu führen. Und so waren vor allem die Offiziere froh, sich endlich auf dem Schlachtfeld beweisen zu können. In meinem naiven Denken durchschaute ich die Situation noch nicht, aber ich hatte kein gutes Gefühl dabei. Für unsere Liebe war das eine harte Prüfung. Wir sahen uns von nun an immer nur wenige Tage, allenfalls Wochen im Jahr. Immer, wenn Ludwig Heimaturlaub hatte. Zunächst gaben wir uns dann immer einfach unserer jungen Liebe hin, Ludwig schenkte mir drei Kinder. Aber mit jedem Heimatbesuch wurde er nachdenklicher und trauriger. Schließlich verbrachten wir unsere wenigen Abende nicht mehr eng umschlungen im Ehebett, sondern in langen Gesprächen. Es ist unvorstellbar, was er mir von der Front berichtet. Das Sterben, das Töten, das Leiden von unzähligen Menschen, grausame Wunden ließen meinen Ludwig nicht mehr richtig schlafen. Dazu kamen noch Verbrechen, die er auch zu sehen bekam. Frauen und auch Kinder wurden erschossen und es hieß, in Polen gäbe es ein Lager, in dem Juden vergast werden. Bei unserem letzten Treffen war mein Ludwig nur noch ein Schatten seiner selbst. Inzwischen war er Oberstleutnant und Bataillonskommandeur in der 6. Armee. Aus der Zeit stammt das andere Foto dort.“

Sophia zeigt auf das Bild mit dem Trauerflor. Die Kinder folgen ihrer Hand schweigend.

„Auf dem Bild sieht man seine Traurigkeit nicht. Da hat er sich zusammengerissen und seine liebenswürdige Seele zum Ausdruck gebracht. Vielleicht wusste er, dass das das letzte Bild sein würde, was ich von ihm haben würde.“

Sophia kommt ins stocken. Tränen kullern über ihre Wangen. Lisa legt aus einem Reflex ihre Hand auf Sophias Knie. Sophia greift nach der Hand und erzählt weiter:

„Ihr habt vielleicht schon von Stalingrad gehört. Mein Ludwig und seine Grenadiere wurden dort im Winter 1942/43 eingekesselt. Als ich von der mörderischen Schlacht hörte, wusste ich, ich würde meinen Ludwig nicht wieder sehen. Im Januar 1943 kam ein junger Leutnant vom Ersatzheer, so fesch und stolz wie einst mein Ludwig, zu mir und sagte, mein Ludwig sei heldenhaft für Reich und Führer gefallen. Da die Kinder hinter mir standen, musste ich mich zusammenreißen. Denn alle fingen sogleich an zu weinen. Dem jungen Offizier sagte ich nur: >Ach Herr Leutnant, wenn sie wüssten< und ließ ihn dann stumm im Flur stehen.

Später am Abend, als die Kinder alle im Bett lagen, und ich sie halbwegs beruhigen konnte, sank ich in unser Ehebett. Hier, wo wir in manch langer Nacht mit so viel Freude unsere Liebe gefeiert hatten, von der wir glaubten, sie würde ewig dauern. Hier, wo wir zuletzt in dunkler Ahnung lange vertraute Gespräche führten und hier, wo mein Ludwig mir gestand, dass Soldat ein böser Beruf ist, hier brach ich in Tränen aus. Und bis zum frühen Morgen konnte ich nicht mehr aufhören zu weinen. Erst, als mein Körper auszutrocknen drohte, hörte ich auf mit dem Weinen. Mit dunklen Augen frühstückte ich mit den Kindern und beschloss, meine Kinder werden niemals in irgendeinen Krieg ziehen! Es folgten viele dunkle Wochen und Monate, wo mich der Kummer um Ludwig in einer tiefen Traurigkeit erstarren ließ und immer wieder unverhofft meine Tränen flossen. Nur die Kinder gaben mir noch Kraft, mein Leben nicht aufzugeben. Doch dieser Schmerz sollte sich noch steigern lassen.“

Sophia verstummt und trinkt wieder einen Schluck Tee. Der Raum ist erfüllt von Stille, nur das Feuer im Kamin knistert und die Kerzen ringsum flackern. Schweigsam schauen Lisa und Tom Sophia an und warten, dass die Geschichte weiter geht.

„Als wollte die Welt mich verhöhnen, starb mein ältester Sohn, den wir auch Ludwig genannt hatten, in den Bombennächten des Frühjahrs 1945. Wenig später sollte dieser schreckliche Krieg zu Ende sein. Doch mein Schmerz lebte fort. Hermann, unser mittlerer Sohn, hasste die Britten, weil sie seinen großen Bruder getötet hatten und Anna-Sophia, unser Mädchen, fragte nur, wann kommt Ludwig wieder. Sie konnte nicht wissen, dass mich dies doppelt stach. Denn sie hatte ihren Vater nicht mehr kennenlernen dürfen. Mir aber fehlten nun zwei Ludwigs. Es dauerte lange, bis ich wieder etwas Freude in mein Herz lassen konnte. Noch länger brauchte ich, bis Hermann endlich begriffen hatte, dass die Bomben der Britten zwar ebenfalls nichts Gutes waren, dass wir Deutschen diesen grausamen Krieg aber allein zu verantworten hatten und dass sowieso nicht jeder Engländer oder Amerikaner oder Russe böse war, nur weil wir Krieg gegen diese Länder geführt hatten. War ich anfangs noch genauso dumm fanatisch wie viele meiner Generation, so empfing ich am Ende trotz der Bomben die alliierten Truppen als Befreier.“

Wieder verstummt Sophia. Es ist doch sehr anstrengend für die alte Frau, über ihre Vergangenheit zu sprechen. Doch vielleicht war dies die letzte Gelegenheit, ihre Erfahrung weiter zu reichen.

„Hast du später wieder geheiratet, Sophia?“ fragt Lisa vorsichtig.

„Nein“ antwortet Sophia ohne zögern, „es gab so manchen Verehrer, ich war schließlich noch jung und auch nicht unansehnlich. Aber ich war für Ludwig geboren worden und wenn die Kinder nicht gewesen wären, ich weiß nicht, ob ich den Krieg überlebt hätte“.

„Aber dann hast du ja noch über sechzig Jahre alleine gelebt“ stellt Tom fest.

„Alleine?“ fragt Sophia, „nein alleine war ich nie. Ich hatte ja die Kinder und später auch Enkel – und ich hatte zum Glück auch einige gute Freunde. Und Ludwig war ja nie wirklich verschwunden, er ist bis heute bei mir. Ich trage ihn in meinem Herzen. Erst wenn ich gehe, wird er mit mir gehen. Manchmal denke ich, ich bin so alt geworden, weil Ludwig so früh gestorben ist. Ich musste einfach zwei Leben leben.“

Sophia verstummt und Lisa weint leise. Tom rutscht unruhig auf dem Sofa hin und her.

„Das ist wohl doch noch zu schwer zu verstehen für dich, was Lisa?“ fragt Sophia mit ruhiger Stimme.

„Deine“ Lisa korrigiert sich, „eure Geschichte ist sehr traurig aber auch sehr schön, denn du hast deinen Ludwig wohl wirklich sehr geliebt“ antwortet Lisa schluchzend.

„Ja, das habe ich“ bestätigt Sophia Lisas Feststellung, „und wenn dies der einzig denkbare Weg war, auf dem sich unsere Liebe verwirklichen konnte, dann will ich auch keinen anderen gegangen sein – so schmerzhaft dieser Weg auch war“ spricht Sophia weiter.

„Aber warum warst du dir gleich so sicher, dass Ludwig der richtige ist?“ fragt Lisa nun wieder etwas gefasster.

„Das kann ich dir nicht sagen, Lisa. Wahrscheinlich war ich anfangs gar nicht sicher. Ich habe einfach nicht weiter darüber nachgedacht. Ich wusste nur sehr schnell, dass ich ihn liebe. Später, in seinen tiefgründigen Briefen von der Front, hat mir Ludwig immer auch ein paar Verse gedichtet. Am Ende hatte ich eine Sammlung von Aufsätzen über den Sinn des Lebens, die Liebe und unsere Liebe – und ein langes Gedicht über die Liebe. An einer Stelle schrieb er da: >Liebe wird von uns nicht gelenkt, Liebe wird uns geschenkt<. Es gibt also keine Erklärung für die Liebe, Kind.“

Lisa schaut Sophia an und versucht die Worte dieser Frau zu begreifen. Nachdenklich wendet sie ihren Blick dabei dann dem Feuer zu.

„Aber Kind, so sicher du dir deiner Liebe eines Tages auch bist, bewehren muss sie sich im Leben. Und das hält mitunter sehr harte Prüfungen bereit“ spricht Sophia weiter.

Lisa schaut Sophia wieder an und sagt leise „Ja“.

Nun kann Tom sich nicht mehr zurückhalten.

„Aber deine Geschichte stammt aus einer anderen Zeit. Heute sind unsere Soldaten die Guten. Mein Onkel schützt unsere Freiheit in Afghanistan“ bringt er seinen Unmut zum Ausdruck.

Sophia, die von der Reise in ihre Vergangenheit mittlerweile sehr aufgewühlt und auch erschöpft ist, erwidert etwas verärgert:

„So, tut er das?“ Dann wird ihr wieder bewusst, dass sie es noch mit einem Kind zu tun hat und sagt in wieder ruhigerem Ton: „Tom, du bist noch sehr jung. Ich kann verstehen, wenn du meine Geschichte noch nicht ganz begreifen kannst. Und ich weiß auch, dass ihr Jungen immer gerne Soldaten sein wollt. Und sicher ist dein Onkel auch ein ganz lieber Kerl. Mein Ludwig war für mich ja auch der liebste Kerl auf dieser Welt. Und trotzdem ist er in den Krieg gezogen und hat Menschen getötet und zum Töten befohlen.“

„Aber mein Onkel macht sowas nicht, der hilft den Menschen dort“ widerspricht Tom.

„Was ist dein Onkel? Fallschirmjäger? Fallschirmjäger gehören zu den Kampftruppen. Sie lernen nichts anderes, als Menschen zu töten! Aber auch jeder andere Soldat hat als eigentliche Aufgabe das Töten. Auch der Panzerschlosser oder der einen Brunnen bohrende Pionier. Der Beruf des Soldaten ist das Töten und Sterben. Es tut mir leid, Tom. Aber das muss dir bewusst sein, denn sonst wirst du irgendwann so unglücklich, wie es am Ende mein Ludwig war.“

Tom wird wütend und springt auf und ruft:

„Du bist eine böse alte Hexe! Mein Onkel ist kein schlechter Mensch!“

Da springt auch Lisa auf, fast ihren Bruder an der Hand und sagt zu ihm:

„Aber du, wenn du dich nicht augenblicklich entschuldigst. Sophia hat uns ohne Fragen aufgenommen und geholfen. Sie hat viel gelitten in ihrem Leben und du schreist sie an!“

Tom schaut entgeistert seiner Schwester in die Augen, die plötzlich so besonnen und weise redet. Diese Unterbrechung nutzt Sophia, um die Wogen wieder zu glätten:

„Ich habe doch gar nicht gesagt, dass dein Onkel ein schlechter Mensch ist. Ich habe nur gesagt, was der Beruf des Soldaten ist. Viele unserer Soldaten heute sind sicher ganz liebe und friedliche Menschen. Und vielleicht kommen wir auch noch nicht ganz ohne Soldaten aus. Aber das ändert nichts daran, dass unsere Soldaten nichts in Afghanistan zu suchen haben. Und dass die Hauptaufgabe des Soldaten das Töten von Menschen ist – und das Sterben. Kinder, vielleicht erzähle ich euch zu schwere Kost, aber ihr müsst dieses Wissen erlangen und weiter tragen. Die Menschen meiner Generation werden bald alle nicht mehr am Leben sein.“

Sophias Stimme wird nun sehr ernst.

„Es gibt zwei Wege, den menschlichen und den Weg der Macht. Heute scheinen wir wieder den Weg der Macht gehen zu wollen. Deutsche Soldaten sollen in der Welt dafür sorgen, dass unsere Wirtschaft freien Handel betreiben kann. Das ist Imperialismus, Kinder, die Großmachtbestrebung des 19ten Jahrhunderts. Und nun gibt es auch wieder Orden für besonders gute Krieger. Mein Ludwig hatte auch so ein Eisernes Kreuz. Zum Schluss wollte er es am liebsten nicht mehr tragen.“

Sophia stockt der Atem, redet dann aber weiter.

„Irgendwie erinnert mich so vieles heute, wenn bisher auch nur sehr versteckt, an diese schreckliche Zeit. Mit einer Demokratie, die sich den Menschrechten verpflichtet hat, Kinder, hat das fast nichts mehr gemein.“

Als Sophia eine Pause macht, meldet sich Lisa abermals zu Wort. Um die Situation wieder etwas zu beruhigen fragt sie:

„Und wie ging dein Leben nach dem Krieg weiter?“

Sophia, die kurz aufgestanden ist, legt zunächst ein Stück Holz ins Feuer und spricht dann wieder ruhiger weiter:

„Nun, nachdem ich mich mit meiner Situation abgefunden hatte, beschloss ich, mein Leben dem Frieden zu widmen und so vielleicht dem Sterben meiner beiden Ludwigs postum noch einen Sinn zu geben. Zunächst engagierte ich mich in einem Verein für deutsch-französische Freundschaft. Anna-Sophia lerne hier ihren späteren Mann kennen. Beide leben, auch schon in die Jahre gekommen, glücklich in Toulouse. Das steht für einen echten Erfolg und gibt Hoffnung, denn 1914 sahen sich Deutsche und Franzosen noch als verhasste Erbfeinde. In den 1950er Jahren setzte ich mich gegen die Wiederbewaffnung ein, vergeblich, wie ihr wisst. Und in den 60er Jahren gründete ich einen Verein für die deutsch-russische Freundschaft mit. Im kalten Krieg war das aber fast unmöglich.“

Sophia schaut den Kindern, die ihr wieder gebannt lauschen, in die Augen und sagt:

„Kinder, ihr dürft nicht vergessen. Auch die Russen oder die Chinesen oder die Afghanen lieben ihre Kinder wie wir. Sting hat in den 1980er Jahren, als es noch den Kalten Krieg gab, gesungen >The Russiians love their children too<, die Russen lieben auch ihre Kinder. Das bringt es schon fast auf den Punkt. Wir müssen auf die Menschen zu gehen und mit ihnen reden und ihnen nicht nur von der Menschlichkeit erzählen, sondern sie ihnen auch zeigen. Solange der wirtschaftliche Erfolg großer Konzerne aber mehr wiegt als ein Menschenleben, wird es Piraten in Somalia geben und wütende Kinder in Palästina. Das ändert auch keine Bundeswehr. Und in Guantanamo haben wir Menschen im Westen schwer versagt. Das hat uns unglaubwürdig gemacht.“

Wieder macht die alte Frau eine Pause und trinkt einen Schluck Tee. Mit etwas zitternder Stimme redet sie dann weiter.

„Sicher gibt es auch wirklich böse Menschen in der Welt, und gegen die müssen wir uns auch schützen. Aber die meisten Menschen wollen in Ruhe und Frieden leben, egal welcher Weltanschauung sie anhängen. In den aktuellen Konflikten wird Religion oft nur als Deckmantel für ganz anderes benutzt. Denn, ob jemand an Gott, Allah oder Buddha glaubt, hängt doch sehr stark von seiner Geburt ab. Jeder Mensch aber liebt andere Menschen und liebt sein Leben, und jeder Mensch hat Sorgen und Nöte. Meist bekommen wir nur Probleme miteinander, weil wir nicht miteinander reden. Das wichtigste ist, auf andere Menschen zuzugehen und mit ihnen zu reden. Und das klappt in der Regel ohne Waffen besser als mit. Weihnachten nennen wir das Fest der Liebe. Und daran sollten wir uns erinnern, Kinder. Ich rede nicht so, weil ich euch verschrecken will, sondern weil ich Kinder wie euch liebe und sie vor solchen Torheiten bewahren will, wie wir sie in unserer Jugend begangen haben. Ein anderer Vers von meinem Ludwig hilft hier in gewisser Weise auch weiter. Zwar hat er ihn eigentlich deutlich persönlicher gemeint, aber er kann auch in Bezug auf die Völkerfreundschaft verstanden werden: >Liebe ist Freundschaft, Liebe uns Freunde schafft.<“

Sophia hat gerade diese schönen Worte gesprochen, da ertönt die alte Türklingel. Die Kinder schrecken auf und merken, plötzlich, wie weit sie in eine andere, etwas magisch wirkende Welt abgetaucht waren. Vielleicht kommt diese Frau doch aus einem Märchen, denkt Lisa, nur dass sie keine Hexe ist, sondern vielleicht eine gut Fee. Außerdem, wer hat denn gesagt, dass Hexen wirklich böse sein müssen …?

Sophia begrüßt die Mutter von Tom und Lisa an der Haustür. Die bedankt sich bei ihr. Mit glänzenden Augen verabschiedet sich dann Lisa von Sophia. Und auch Tom haben die letzten Worte nachdenklich und milde gestimmt. Mit einem Lächeln drückt er Sophia die Hand zum Abschied und sagt:

„Danke Sophia, diesen Abend werde ich wohl nicht so bald vergessen. Entschuldige bitte, dass ich so wütend geworden bin.“

Sophia schaut ihn an und streicht ihm über den Kopf. „Das habe ich durchaus verstanden“ sagt sie mit Freudentränen in den Augen. Lisa, die die alte Frau schnell sehr ins Herz geschlossen hat, umarmt diese spontan und küsst sie zum Abschied auf die Wange.

„Und noch was Kinder!“ sagt Sophia, als alle schon über die Türschwelle gehen, „im Zweifel folgt immer eurem Herzen und bleibt wahrhaftig, bleibt euch selbst treu!“

A

Vor dem Haus begrüßt die kalte Winterluft die Kinder. Es hat aufgehört zu schneien. Stattdessen leuchten viele helle Sterne am Himmel und verleihen so der hereingebrochenen Nacht noch mehr Glanz, als sie schon durch Schnee und Weihnachtsschmuck bekommen hat. Alle schauen zum Himmel und Lisa meint, eine Sternschnuppe gesehen zu haben. Vielleicht war das ein Zeichen von Ludwig, denkt sie und lächelt. Schließlich ist Weihnachten ja das Fest der Liebe!

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