April 7

Atomausstieg innerhalb weniger Jahre möglich

Ein Atomausstieg ist innerhalb weniger Jahre möglich

Ergänzungen zur heute veröffentlichten Studie von Greenpeace

Wolfenbüttel, 07.04.2011. (re) Ein Atomausstieg ist in wenigen Jahren möglich. Dies zeigt die gerade veröffentlichte Studie von Greenpeace wie auch andere ähnliche Studien. Allerdings ist dieser Ausstieg, der zugleich auch ein Umstieg sein wird, nicht ohne vielfältige gesellschaftliche Veränderungen möglich. Die Netzstrukturen müssen großräumig sein, um eine geordnete Lastverteilung hinzubekommen. Und die Netze müssen eine überschaubare Größe behalten und von Unternehmen der öffentlichen Hand, also Länder und Kommunen, betrieben werden, damit ein sinnvoller und gerechter Betrieb der Netze gewährleistet werden kann.

Dezentralisierung der Stromversorgung

Die Erhöhung der Wirkungsgrade, die Nutzung möglichst vieler für die regenerative Energiegewinnung geeigneter Bereiche und auch soziale und ökologische Aspekte sprechen für eine Dezentralisierung der Energieerzeugung. Windräder auf Ackerflächen, Photovoltaikanlagen auf Hausdächern und kleine Blockheizkraftwerke in z. B. Wohnanlagen werden einen nicht unbedeutenden Teil des benötigten Stroms liefern müssen.

Windräder südöstlich der Asse bei Wolfenbüttel (Foto: re)

Die also notwendige Dezentralisierung der Energieversorgung wird zu einer Umverteilung von Einflüssen (Macht) und Kapitalerträgen (Reichtum) führen. Dies wird entsprechende Widerstände zur Folge haben. Die Klage von RWE oder auch die Problematik, mit der die neue grün-rote Landesregierung in Baden Württemberg mit EnBW zu kämpfen hat, geben einen ersten Eindruck davon.

Chance für unsere Demokratie

Wahrscheinlich werden auch die Strompreise steigen, was bei den Stromverbrauchern zu Mehrkosten führen wird. Firmen und Privatpersonen gleichermaßen sollten sich also schon jetzt Gedanken machen über ein mögliches Einsparpotenzial bei ihren stromverbrauchenden Gerätschaften. Und der verstärkte Bau von Windrädern oder auch von Wasserkraftwerken wird immer wieder zu auch berechtigten Diskussionen über ökologische und landschaftliche Auswirkungen führen.

Es wird also künftig wahrscheinlich mehr den je zu öffentlichen Diskussionen über die Zukunft unserer Energieversorgung kommen. Bleibt zu wünschen und zu hoffen, dass dabei alle Beteiligten ihr Augenmaß nicht verlieren und sich auch ggf. in ihren (egoistischen) Einzelinteressen zu Gunsten lebender und künftiger Generationen zurücknehmen können. Dies ist dann zugleich eine Chance für unsere Demokratie.

Weitere Informationen:

Eine journalistische Aufbereitung der Arbeit von Greenpeace findet sich z. B. bei Spiegel-Online. Hier sind auch die zugehörigen Grafiken zu finden. Die taz berichtet heute von einer Studie des Fraunhofer-Instituts, die von einem möglichen Ausstieg bis 2020 spricht. In diesem Bericht wird das Thema etwas eingehender behandelt. Und Die Zeit zeigt in einem Bericht über Baden Württemberg und EnBW ein Beispiel für die Widerstände in den Großkonzernen.

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März 18

Technik – Was ist wesentlich?

Was ist wesentlich?

Atomkraft – Über die Nutzung einer unbeherrschbaren Technik

Kommentar – im Ostfalen-Spiegel

Von Rainer Elsner

In Japan hat ein Erdbeben für die starke Beschädigung eines Atomkraftwerkes gesorgt. Dieser Schaden ist dabei, in eine Katastrophe ähnlichen Ausmaßes zu münden, wie dies bei der Havarie des Atomkraftwerkes in Tschernobyl 1986 der Fall war und wozu es bereits einige Jahre zuvor, 1979, in dem Kernkraftwerk[1] Three Mile Island bei Harrisburg in den USA beinahe gekommen wäre. Vor dem Hintergrund der Gefahren für Leib und Leben von unzähligen Menschen stellt sich die Frage: Was ist wesentlich?

Zunächst muss die weltweit in großem Umfang erfolgende bedenkenlose Nutzung einer im Zweifel nicht beherrschbaren Technik wie der Kernenergie[1] kritisch betrachtet werden. Dies sind wir auch den nun durch das Erdbeben leidenden Menschen in Japan schuldig, denn sie sind durch diese Technik einer zusätzlichen Gefahr ausgesetzt. Es stellt sich dann die Frage, warum wir Menschen eine gefährliche Technik wie die Atomenergie seit Jahrzehnten relativ sorglos einsetzen. Umso mehr stellt sich diese Frage, da sich die Risiken nicht in der Möglichkeit einer nuklearen Katastrophe erschöpfen und die Atomkraft auch nicht die einzige unbeherrschbare Risikotechnik ist.

Unbeherrschbares Erbe

Denn wenn bei strahlenden Abfällen durch die Halbwertszeit der radioaktiven Elemente zumindest theoretisch noch ein Ende des Problems gesehen werden kann, so ist dies bei einer anderen von uns angewandten Technik schlicht nicht möglich. Wir überlassen unseren Kindern und Kindeskindern also ein gewaltiges unbeherrschbares Erbe.

Was in der Auseinandersetzung um die Atomkraft bisher wenig beachtet wird, ist die Gentechnik. Dies geschieht wohl auch aus dem verbreiteten Hang zum einfachen Denken. Mit der Gentechnik, vor allem der sorglosen Freisetzung gentechnisch veränderter Organismen, haben wir aber eine nach der Atomkraftnutzung weitere Stufe verantwortungsloser technischer Bearbeitung unserer Lebenswelt betreten! Einmal in die freie Natur entlassen kann niemand (!) vorhersagen, was diesem massiven Eingriff in die – eigenen Gesetzen folgende – Natur nachkommt.

Und dann stellen sich uns viele Fragen! Wer hat all dies zu verantworten, was eigentlich niemand verantworten kann? Und warum handeln Menschen so verantwortungslos? Wem nutz es? Was folgt als nächstes in dieser verhängnisvollen Entwicklung? Und können wir diese Entwicklung noch stoppen?

Abschließende Antworten kann und will ich hier nicht liefern. Vielmehr will dieser Kommentar möglichst viele Menschen zum kritischen Nachdenken anstoßen – zum Nachdenken über unseren gedankenlosen Einsatz jedweder verfügbarer Technik und über die damit verbundenen Verantwortlichkeiten.

Wer trägt die Verantwortung?

Wer trägt die Verantwortung? Völlig zu Recht müssen wir uns zunächst alle selbst in die Pflicht nehmen, denn eigentlich immer, besonders aber in einem demokratischen Gemeinwesen verantworten alle Glieder eines Gemeinwesens die Handlungen dieses Gemeinwesens. Dann aber stellt sich auch die Frage nach den Machtverhältnissen? Ganz offensichtlich schauen wir dann auf Politikerinnen und Politiker. Doch auch die Bundeskanzlerin – mit ihrem fragwürdigen Moratorium – oder der Bundestag entscheiden nicht allein! Ein nicht unbedeutender Teil der Macht in unserem Gemeinwesen – übrigens grenzübergreifend, also weltweit – befindet sich tatsächlich in den Händen von Konzernen – und in manchen Ländern auch von Oligarchen. Und dann suchen und fragen wir eben auch diese meist mehr im Hintergrund operierenden Menschen.

Wo liegt die Verantwortung bei der Freisetzung gentechnisch veränderter Organismen? Und welchen Nutzen hat die Gentechnik in der Landwirtschaft? Für die Menschheit hat sie wenig Nutzen aber unübersehbare Risiken, für die Konzerne Bayer/Aventis, Monsanto, Syngenta und DuPont jedoch bringt sie riesige Gewinne!

Und bei der Atomkraft? Im aktuellen Beispiel der Atomenergie liegt in Deutschland ein wesentlicher Anteil der Verantwortung bei den vier großen Energieversorgungskonzernen, E.ON, RWE, EnBW und Vattenfall Europe, und da dann vorrangig in den Händen der Unternehmensführung vertreten durch den jeweiligen Vorstandvorsitzenden (aber dennoch auch bei den Aktionäre und Kunden!). Wenn wir nach der Verantwortung fragen, dann müssen wir also auch und gerade die – demokratisch nicht legitimierten, wohl aber auf die gesamte Gesellschaft Einfluss nehmenden – Unternehmensführungen und konkret die Vorstandvorsitzenden fragen, ob sie diese genannten Gefahren verantworten können? Und ganz konkret können wir zum Beispiel den Vorstandvorsitzenden der E.ON AG (dem hauptsächlichen Versorger hier in Ostfalen) ein paar Fragen stellen: Das Atommüllendlager ASSE II bei Wolfenbüttel. Geht der Vorstandsvorsitzende der E.ON AG mit hinunter in das Bergwerk? Hilft er unter Bedrohung seiner Gesundheit bei der Bergung der radioaktiven Abfälle mit? Und bei einem drohenden „Super-GAU“ im hier nächstgelegenen AKW Grohnde bei Hameln. Was würde er wohl empfinden, wüsste er, dass eines seiner Kinder unmittelbar vor Ort ist? Oder er selbst, geht er bei einem drohenden „Super-GAU“ vor Ort in den Gefahrenbereich, um die Katastrophe abzuwenden? Ist der Vorstandvorsitzende der E.ON AG folglich bereit, seine eigene Gesundheit und sein eigenes Leben und nicht nur das Leben von Mitarbeitern und Rettungskräften zu riskieren? Das müssen wir fragen und daraus ergibt sich dann ein Appell auch an diese Verantwortungsträger!

Was ist also wesentlich?

Was ist also wesentlich? Wesentlich ist, dass sich jeder einzelne Mensch in unserem Gemeinwesen seiner Verantwortung bewusst wird. Wesentlich ist, dass sich jeder Mensch an die eigene Betroffenheit erinnert. Wesentlich ist, dass sich jeder Mensch des ihm innewohnenden Gefühls der Verbundenheit mit den anderen Menschen bewusst wird. Es ist also nicht nur eine Frage der eigenen Verantwortung, sondern davor eine Frage der eigenen Würde, also letztlich der eigenen Vernunft (nicht des einfachen Verstandes!), was wir als wesentlich anerkennen und zum Maßstab unseres Handelns erklären!

„Vernunft ist in Bewegung ohne gesicherten Bestand.
Sie drängt zur Kritik jeder gewonnenen Position, steht daher im Gegensatz zu der Neigung, sich durch endgültige feste Gedanken vom weiteren Denken zu befreien.“[2]

„… es ist ein Wunder, … daß in der Vernunft eine Kraft der Selbsterhaltung liegt, die als Freiheit immer wieder wirklich wird. Vernunft ist wie ein offenbares Geheimnis, das jederzeit jedem kund werden kann, der stille Raum, in den jeder einzutreten vermag durch eigenes Denken.“[3]

Karl Jaspers

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Weitere Informationen

Das Beispiel AKW Grohnde, weniger als 100 km Luftlinie entfernt von Braunschweig. Folgende sicherheitsrelevante Informationen hat Greenpeace im Herbst 2010 im Greenpeace Magazin 06/2010 veröffentlicht:

  • Meldepflichtige Ereignisse pro Jahr: 8,46 (Einstufung: viel)
  • Konstruktionsbedingte Sicherheitsmängel: In der 3. Baulinie wurden einige Sicherheitssysteme verbessert. Dennoch ist das aus den 70er-Jahren stammende Kraftwerksdesign stark veraltet. Beim gezielten Absturz eines großen Verkehrsflugzeugs würde die Betonhülle bersten.
  • Zwischenfälle (Auswahl):
    1985: Das Hochdruck-Notkühlsystem ist nicht einsatzfähig, weil eine der vier Pumpen Gas statt Wasser enthält. 
Ein Leck im Primärkühlkreislauf hätte somit zur Kernschmelze führen können.
    1990: An 18 Zentrierstiften, die verhindern sollen, 
dass sich Brennelemente verschieben, werden während einer Revision Schäden entdeckt.
    2005: Wegen verschiedener Störungen wird im Juni binnen zwei Wochen zweimal eine Schnellabschaltung ausgelöst.
    2010: Im August werden bei der jährlichen Revision an einer Anlage zur Abwasseraufbereitung ein Leck und eine räumlich begrenzte radioaktive Kontamination entdeckt. [4]

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Quellen und Hinweise

[1] Begriffserklärung: Kernkraftwerk und Kernenergie werden von den Befürwortern der Atomkraft erst etwa seit den 1960er Jahren vorrangig verwandt. Zuvor waren hauptsächlich Begriffe mit der Vorsilbe Atom im Gebrauch. Unter anderem wegen einer Abgrenzung zur Atombombe wurde dann auf Seiten der Befürworter die harmloser klingende Vorsilbe Kern eingeführt. Kritiker der Atomenergie behielten die Vorsilbe Atom und die Bezeichnung Atomkraft bei.

[2] Jaspers, Karl: Vernunft und Widervernunft in unserer Zeit: Drei Vorlesungen. Neuausg. 3. Aufl. München: Piper, 1990 [(1) 1950], S. 34.

[3] Jaspers, Vernunft, S. 71.

[4] Hassenstein, Wolfgang: „Nukleares Roulette“ in greenpeace magazin 6.10, S.31 ff.

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März 16

25 Jahre Tschernobyl – Bundesweite Demonstration auch in Ostfalen

25 Jahre Tschernobyl – AKWs endlich abschalten!

Bundesweite Demonstration an dreizehn Atomstandorte

Wolfenbüttel/Salzgitter, 16.03.2011. (re) Ein Bündnis aus Anti-Atom-Initiativen, Umweltverbänden und Friedensinitiativen organisiert anlässlich des 25. Jahrestages der Reaktor-Katastrophe von Tschernobyl eine bundesweite Gedenk- und Protestaktion. Vor dem Hintergrund der tragischen Vorfälle in Japan erscheint diese mahnende Aktion aktueller denn je. Die Veranstalter schreiben auf ihrer Internetseite:“Ausgerechnet Ostermontag, am 25. April, findet die nächste bundesweite Demonstration gegen Atomenergie statt. Denn manche Anlässe lassen sich eben nicht verschieben: Am folgenden Tag jährt sich die Reaktor-Katastrophe von Tschernobyl zum 25. Mal und die Forderung ist, endlich Konsequenzen zu ziehen und die Atomkraftwerke abzuschalten. Darum werden zeitgleich an zehn Reaktor-Standorten und drei weiteren Atom-Standorten große Aktionen stattfinden.”

Ausstiegs-Haltestellen in der gesamten Region

Das Braunschweiger Land ist einer der drei weiteren Atom-Standorte, an denen Aktionen stattfinden sollen. Mit den aktiven Endlagern Morsleben und ASSE II sowie dem im Bau befindlichen Endlager Schacht KONRAD ist das Braunschweiger Land, also ein bedeutender Teil von Ostfalen, von der Atomenergienutzung stark und nachhaltig betroffen. Im Braunschweiger Land ist es geplant, möglichst in der ganzen Region kleinere und größere Aktionen durchzuführen. Dazu sollen sogenannte Ausstiegs-Haltestellen dienen. Nähere Informationen finden sich auf der Internetseite der bundesweiten Initiative und auf der Internetseite der Arbeitsgemeinschaft Schacht KONRAD e. V.

Abschlusskundgebung am Schacht Konrad

Von 14:00 bis 16:00 Uhr ist an diesem Tag dann eine Abschlusskundgebung auf der Industriestraße Nord vor Schacht KONRAD geplant.

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März 15

Ostfalen-Spiegel: Den Atomausstieg selber machen

Ostfalen-Spiegel wechselt zu Stromversorgung absolut ohne Atomkraft

Den Atomausstieg selber machen!

Wolfenbüttel, 15.03.2011. (re) Bereits seit Jahren bezieht die Redaktion laut ihrem Energieversorger ihren Strom zu einhundert Prozent aus erneuerbaren Energiequellen frei von Atom- und Kohlestrom. Bei vielen Anbietern ist dies allerdings nur ein Tarif neben Tarifen mit Atom- und Kohlestrom (meist von den vier großen deutschen Energieversorgern und Atomkraftwerksbetreibern). Entsprechend werden diese Energieversorger mindestens indirekt weiter unterstützt. Hinzu kommt, dass nur ein stetiger Zubau von ökologisch verträglichen Kraftwerken zu einem tatsächlichen Atomausstieg führt.

Atomkonzern E.ON hält einen Anteil von 26 Prozent an den Stadtwerken Wolfenbüttel

Bereits vor dem Erdbeben und dem damit verbundenen atomaren Notstand in Japan hat die Redaktion den Wechsel zu Greenpeace Energy eingeleitet. Ausschlaggebend für die Entscheidung für diesen Anbieter sind der konsequente Vertrieb von ökologisch verträglichem Strom ohne Atom und Kohle, der Bau eigener, sauberer Kraftwerke und das Genossenschaftsmodell. Hinzu kommen die Besitzverhältnisse des bisherigen Stromversorgers, der Stadtwerke Wolfenbüttel. Der große Atomkonzern E.ON AG hält über den Regionalversorger E.ON Avacon AG einen Anteil von 26 Prozent an den Stadtwerken Wolfenbüttel (die übrigen 74 Prozent gehören der Stadt Wolfenbüttel). Somit wurde der Energieversorger E.ON auch direkt unterstützt. Dies gab den letzten Anstoß zum Wechsel.

Atomausstieg selber machen

Die Redaktion des Ostfalen-Spiegels empfiehlt allen Leserinnen und Lesern, dringend über den eigenen Atomausstieg nachzudenken. Dabei ist Greenpeace Energy nicht der einzige empfehlenswerte Energieversorger! Sowohl für den eigenen Haushalt als auch für Gewerbebetriebe ist ein selbstgemachte Atomausstieg jederzeit möglich. Die Initiative “Atomausstieg selber machen”, ein Bündnis von Umweltverbänden, Verbraucherschutz-Organisationen und Anti-Atom-Initiativen, fordert seit 2006 dazu auf : “Wir rufen alle Menschen und Unternehmen in Deutschland dazu auf, kein Geld mehr an die Atomkonzerne und ihre Tochterunternehmen zu zahlen.” Auf der Internetseite von “Atomausstieg selber machen” finden sich zahlreiche Informationen zum persönlichen Atomausstieg und Empfehlungen für wirklich unabhängige Stromanbieter.

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Oktober 12

III. Die Demokratie lebt vom Diskurs

Die Demokratie lebt vom Diskurs

oder

Die Anwendung von Gewalt stellt immer ein Versagen dar!

Gedanken zum Zeitgeist III – im Ostfalen-Spiegel

Von Rainer Elsner

„Stuttgart 21“, Laufzeitverlängerung der Atomkraftwerke, Gorleben, Hartz IV, Auslandeinsätze der Bundeswehr – die Liste ist lang, die Liste von in der Gesellschaft kontrovers diskutierten Themen. Zugleich ist dies eine Liste mit Entscheidungen von Politikern, für die sie häufig keine Mehrheit in der Bevölkerung hinter sich haben. Dann spitzen sich solche gesellschaftlichen Diskussionen so weit zu wie gerade in Stuttgart oder seit Jahren in Gorleben, dass die getroffenen Entscheidungen nur noch mit Polizeigewalt durchgesetzt werden können. – Ist das mit einer freien und demokratischen Gesellschaft noch vereinbar? Oder ist es nicht höchste Zeit, über das demokratische Selbstverständnis in Politik und Gesellschaft nachzudenken? Auf welcher Basis steht unsere demokratische Gesellschaft, was zeichnet sie aus? Die folgenden Gedanken wollen dies näher erörtern und Denkanstöße geben für eine dringend notwendige gesellschaftliche Diskussion.

„Die Demokratie ist keine Frage der Zweckmäßigkeit, sondern der Sittlichkeit.“ Willy Brandt [1]

Die Demokratie lebt vom Diskurs und von der Achtung der Rechte aller Menschen, auch der anders denkenden (denn wer weiß schon sicher, was ist?). – Demokratische Entscheidungen sind nur dann demokratische Entscheidungen, wenn sie in einer offenen und freien Diskussion aller Beteiligten mit gleichen Bedingungen für alle gefunden werden – und wenn in dieser Diskussion von allen Beteiligten die Rechte und die Würde jedes einzelnen Beteiligten geachtet werden. Ziel muss dabei immer das Gemeinwohl sein, nicht die egoistischen Einzelinteressen.

Konkreter bedeutet das für einen demokratischen Entscheidungsprozess, es gibt eine entsprechende Diskussionskultur, allen Beteiligten stehen die gleichen (alle) Informationen und Hilfsmittel wie auch der Rat von Experten zur Verfügung und es gibt genügend Zeit, um sich auch ohne großes Vorwissen in das Thema einzuarbeiten und eine verantwortbare Entscheidung zu finden. Aus diesem Grund ist eine demokratische Gesellschaft auch an einer möglichst umfassenden und fundierten Bildung ihrer Glieder (der in ihr lebenden Menschen) interessiert – einer Bildung mit fächerübergreifendem Grundwissen und einer Charakterbildung mit zugehöriger Selbstachtung und Achtung allen anderen gegenüber. Denn, je fundierter diese Bildung der Menschen ist und je weniger sie unter Zeitdruck stehen, desto sicherer können sie die für eine vernünftige Entscheidung notwendige kritische Distanz zum Thema aufbauen und umso schneller und sicherer werden sie zu verantwortbaren Entscheidungen finden können. Das ist das Ideal.

Zur Verdeutlichung soll ein Blick in den philosophischen Unterbau dieses Gedankenganges dienen. Basis einer freien und demokratischen Gesellschaft ist der in der unbedingten Würde jedes einzelnen Menschen gründende Kategorische Imperativ: „handele nur nach derjenigen Maxime, durch die du zugleich wollen kannst, daß sie ein allgemeines Gesetz werde.[2] Immanuel Kant sagt weiter: „Nun folgt hieraus unstreitig: daß jedes vernünftige Wesen als Zweck an sich selbst, sich in Ansehung aller Gesetze, denen es nur immer unterworfen sein mag, zugleich als allgemein gesetzgebend müsse ansehen können, weil eben diese Schicklichkeit seiner Maximen zur allgemeinen Gesetzgebung es als Zweck an sich selbst auszeichnet […]. Nun ist auf solche Weise eine Welt vernünftiger Wesen […] als Reich der Zwecke möglich und zwar durch die eigene Gesetzgebung aller Personen als Glieder.“[3]

Die repräsentative (parlamentarische) Demokratie ist eine pragmatische Abweichung vom zuvor beschriebenen Ideal. In der parlamentarischen Demokratie werden die politischen Entscheidungen in den Parlamenten getroffen. Die Parlamentarier entscheiden stellvertretend für alle Menschen (ihre Wählerinnen und Wähler und deren Kinder). Mittlerweile geht diese Abweichung vom Ideal aber noch weiter. In unserer parlamentarischen Demokratie werden viele politische Entscheidungen faktisch nicht in den gesetzgebenden (legislativen) Parlamenten, sondern auf der eigentlich ausführenden (exekutiven) Ebene in den Regierungen und deren Ämtern gefällt (aktuelles Beispiel sind die Geheimverhandlungen zur Inbetriebnahme von Gorleben). Entsprechend findet ein gesellschaftlicher Diskurs allenfalls begleitend statt und beeinflusst die politischen Entscheidungen nicht zwingend! Diese starke Abweichung vom Ideal öffnet die Tür für eine vielfältige Einflussnahme von einzelnen Interessengruppen. Tatsächlich werden viele Gesetze in Ministerien geschrieben und nicht in parlamentarischen Arbeitsgruppen. Und in diesen Ministerien sitzen häufig von betroffenen Industriekonzernen bezahlte „Leiharbeiter“ mit an den Schreibtischen.

Dem Volk bleibt nur der Weg auf die Straße

Für den eigentlichen Souverän in einem demokratischen Staatswesen, dem Volk, bleibt kaum noch Raum für eine Einflussnahme. Neben dem Engagement in Parteien (die zu Machtverteilungs- und Machterhaltungsvereinen zu verkommen scheinen) und Bürgerinitiativen (mit entsprechend eingeschränkter Einflussmöglichkeit) bleibt nur der Weg auf die Straße. Gerade in unserer heutigen Mediengesellschaft, kann eine öffentliche Aufmerksamkeit nur mit auffälligen Aktionen erreicht werden. Wenn immer mehr Menschen möglichst oft und lange auf die Straße gehen, wird auch die Aufmerksamkeit der Medien größer. Nur so werden weitere Menschen (Wählerinnen und Wähler) aufmerksam und letztlich auch Politiker und Politikerinnen. Bleiben diese dann unnachgiebig, helfen mitunter nur noch über das einfache Demonstrieren hinausgehende phantasievolle, gewaltfreie (!) Aktionen. Das zeigen die von den politisch Verantwortlichen gegen ein offensichtliches Interesse vieler Bürgerinnen und Bürger zugespitzten Auseinandersetzungen um Themen, wie vor Jahrzehnten beim nuklearen Wettrüsten, wie seit Jahrzehnten in Gorleben (stellvertretend für eine verantwortungslose Atompolitik) oder aktuelle in Stuttgart (für ein Prestigeobjekt einiger Politiker und Konzerne). Hier werden Sitzblockaden oder Besetzungen von Bäumen, Gebäuden oder Maschinen durchaus zu einem angemessen und legitim erscheinenden Mittel, sich Gehör zu verschaffen. Wie für die staatlichen Gewaltorgane ist hier sicher eine Verhältnismäßigkeit zu beachten. Jedoch sind die Bürger zunächst immer in einer schwächeren Position!

Wegen der eingeschränkten Möglichkeit zur Einflussnahme für die Bürgerinnen und Bürger ist in einer parlamentarischen Demokratie das Demonstrationsrecht der Bürgerinnen und Bürger das neben dem Wahlrecht höchste Gut. Denn es ist neben dem Gang zur Wahlurne (alle paar Jahre) die einzige Möglichkeit, auf aktuelle politische Entscheidungen Einfluss zu nehmen. Dies gehört im Übrigen zum verfassungsrechtlichen Grundwissen jedes Polizeibeamten und es irritiert umso mehr, wenn der Präsident des Bundesverfassungsgerichtes Voßkuhle dies in Frage stellt![4]

Bei der Betrachtung der aktuellen verschärften Auseinandersetzung in Stuttgart um das Projekt „Stuttgart 21“ stellen sich nun zwei grundsätzliche Fragen: Wie demokratisch und grundgesetzkonform denken Politikerinnen und Politiker (und auch Konzernchefs – Betriebe stellen keinen grundrechtsfreien Raum dar!), die ein so umstrittenes Projekt gegen einen deutlichen Widerstand in der Bevölkerung mit Polizeigewalt durchzusetzen versuchen? Und wie stark fühlen sich die dafür eingesetzten Polizeibeamtinnen und Polizeibeamten noch dem demokratischen Rechtsstaat und seiner Verfassung verpflichtet, die „blind“ mit Gewalt gegen friedlich demonstrierende Menschen vorgehen?

Die Antworten darauf müssen vor allem die so Befragten selbst für sich finden. Was ist aber neben dem bereits gesagten zu beachten?

Unverletzliche und unveräußerliche Menschrechte

Am 10. Dezember 1948 hat die Generalversammlung der Vereinten Nationen die „Allgemeine Erklärung der Menschenrechte“[5] verabschiedet. Deutschland hat sich wenig später nach grausam schmerzhaften Erfahrungen eindeutig dazu bekannt („Das Deutsche Volk bekennt sich darum zu unverletzlichen und unveräußerlichen Menschenrechten als Grundlage jeder menschlichen Gemeinschaft, des Friedens und der Gerechtigkeit in der Welt“ (Art. 1 Abs. 2 GG)). Seit 1949 gilt in der Bundesrepublik Deutschland das Grundgesetz als alles gründende und alle in diesem Staat lebenden Menschen verpflichtende Basis! In Artikel 1 wird die Würde des Menschen für unantastbar erklärt! Und „sie zu achten und zu schützen ist Verpflichtung aller staatlichen Gewalt“ (Art. 1 Abs. 1 GG). Das gilt gleichermaßen für die verantwortlichen Politiker wie Ministerpräsident Mappus oder Innenminister Rech wie auch für die eingesetzten Polizeikräfte.

Umso mehr befremdet es, wenn die verantwortlichen Politiker nach dem brutalen Einsatz am 30. September 2010 keine Einsicht zeigen, sondern wider besseres Wissen friedliche Demonstranten zu Gewalttätern erklären. Anstatt das totale Versagen einzugestehen angesichts der Polizeigewalt sogar gegen Kinder, sprechen sie diesen zehn oder zwölf Jahre alten Menschen jede Fähigkeit ab, sich bereits ein politisches Urteil bilden zu können (was bei Betrachtung der betriebenen Bildungspolitik möglicherweise ja zumindest gewünscht ist).

Polizisten sind Verteidiger des demokratischen Rechtsstaats, nicht der Mächtigen

Wenn dabei auch noch alle Polizisten in Deutschland tatsächlich so denken würden, wie der Bundesvorsitzende der Deutschen Polizeigewerkschaft (DPolG) Rainer Wendt, der den Einsatz der Beamten in Stuttgart mit folgenden Worten rechtfertigte: „Polizeiliche Einsatzmittel müssen Waffen sein, die weh tun, nur dann wirken sie“[6], dann befände sich unsere freiheitliche und demokratische Gesellschaft möglicherweise bereits wieder auf dem Weg in die Unfreiheit. Denn dann könnten wir Bürgerinnen und Bürger uns nicht mehr auf die Menschen verlassen, die sich – achtenswerterweise! – bereiterklärt haben, diese Freiheit und Demokratie zu schützen. Polizistinnen und Polizisten sind Verteidiger des demokratischen Rechtsstaats, nicht der Mächtigen! Das Image der Polizei hatte sich seit den 1960er Jahren zunächst nach und nach stark verbessert. Seit einiger Zeit bekommt der wache Bürger vor allem bei Demonstrationen aber immer häufiger den Eindruck, wieder auf dem Weg in einen Polizeistaat zu sein. Die Verantwortung dafür tragen in erster Linie die politischen Entscheidungsträger! Aber jeder einzelne Polizist, jede einzelne Polizistin muss sich fragen, ob er beziehungsweise sie solche Einsätze mit seinem beziehungsweise ihrem Gewissen (und seinem/ihrem Eid auf die Verfassung) noch vereinbaren können? Wenn wir Deutschen in diesem Zusammenhang auf eine Lehre aus dem Dritten Reich zurückgreifen können, dann auf folgende: Befehle müssen nicht um jeden Preis ausgeführt werden, es kann sogar menschlich notwendig sein, sie zu verweigern!

Nicht im Stich lassen

Die deutlich besonnenere Stellungnahme der Gewerkschaft der Polizei (GdP, größte deutsche Interessenvertretung der Polizei) stimmt zum Glück wieder hoffnungsvoller, indem sie feststellt: „Fehlende politische Überzeugungskraft kann nicht durch polizeiliches Handeln ersetzt werden“[7]. Wenn der GdP-Vorsitzende Konrad Freiberg dann weiter sagt: „Ich appelliere aber auch an alle Bürgerinnen und Bürger, die Polizei nicht im Stich zu lassen. Die Bürgerinnen und Bürger müssen wissen, dass Gewalt und Rechtlosigkeit auch sie treffen könnten“[7], dann stößt dies durchaus auf Verständnis und Zustimmung. Nur darf die Polizei dann eben auch uns Bürgerinnen und Bürger nicht im Stich lassen. Uns alle, aber vor allem die verantwortlichen (hoffentlich demokratisch gesinnten) Politikerinnen und Politiker sollte dieser eindeutige Hilferuf nachdenklich stimmen.

Wer den Polizeieinsatz vom 30. September in Stuttgart sieht, bekommt auch eine Ahnung davon, was Politiker wie Wolfgang Schäuble im Schilde führen mögen, wenn sie seit Jahren vehement den Einsatz der Bundeswehr im Innern fordern. Auch hier sollten wir uns an die Lehren aus unserer Geschichte erinnern, wo in den Anfängen der Weimarer Republik die Reichsregierung (demokratiefeindliche) Freikorps-Soldaten einsetzte, um die Republik zu retten und wo am Ende dieser unsäglich begonnenen Entwicklung diese in einem Polizeistaat unerreichter „Güte“ mündete. Soldaten – welcher Gesinnung auch immer – sind eben keine Polizisten.

Nur mit dem Wagen von mehr Demokratie können wir diese retten

Normale Bürger und vor allem Schülerinnen und Schüler verlieren bei einer Erfahrung wie der in Stuttgart den Glauben an unseren Rechtsstaat. Ist das vielleicht das Ziel der verantwortlichen Politiker?

Wenn das nicht das Ziel ist, mögen diese Politiker und Politikerinnen sich bitte an die Worte Willy Brandts erinnern: „Wer morgen sicher leben will, muß heute für Reformen kämpfen“[8], und zum Beispiel für mehr faire Bürgerbeteiligung bei solch gewichtigen Projekten sorgen. Nur mit dem Wagen von mehr Demokratie können wir diese retten und nicht mit der zunehmenden Einschränkung und Abschaffung demokratischer Rechte! Alle Staatsgewalt geht vom Volke aus (Art. 20 Abs. 2 GG), nicht von der Regierung, nicht von der Polizei und schon gar nicht von einem Wirtschaftsunternehmen!

Gegen die hier dann gerne angeführte Kritik, die Menschen wären für mehr Bürgerbeteiligung noch nicht reif, ist noch einmal Immanuel Kant heranzuziehen. Begründet in seinem Verständnis von Freiheit war Kant eindeutig ein Verfechter möglichst umfassender Freiheiten für jeden Menschen. Dabei sah er deutlich den langwierigen und schwierigen Weg, der zu deren Verwirklichung führt. Ihm war klar, dass die Verwirklichung von Freiheiten auch mit Risiken und Rückschlägen verbunden sein würde, aber die Freiheit ‘richtig’ zu Nutzen lernt der Mensch nur in Freiheit:

„Ich gestehe, daß ich mich in den Ausdruck, dessen sich auch wohl kluge Männer bedienen, nicht wohl finden kann: Ein gewisses Volk (was in der Bearbeitung einer gesetzlichen Freiheit begriffen ist) ist zur Freiheit nicht reif … Nach einer solchen Voraussetzung aber wird die Freiheit nie eintreten; denn man kann zu dieser nicht reifen, wenn man nicht zuvor in Freiheit gesetzt worden ist … Die ersten Versuche werden freilich roh, gemeiniglich auch mit einem beschwerlicheren und gefährlicheren Zustande verbunden sein, als da man noch unter den Befehlen, aber auch der Vorsorge anderer stand; allein man reift für die Vernunft nie anders, als durch eigene Versuche (welche machen zu dürfen man frei sein muß).“[9]

Die großartige Leistung der Bürgerinnen und Bürger der ehemaligen DDR

Das Wagnis der Freiheit gelingt nicht ohne stetes Bemühen, aber es gibt keine vernünftige Alternative. Gerade in diesen Tagen können wir freilich Mut schöpfen. Erinnern wir Bürgerinnen und Bürger uns vielleicht gerade jetzt – im Umfeld des zwanzigsten Jahrestages der deutschen Einheit und dem nahen 21sten Jahrestages des Mauerfalls – an die großartige Leistung der Bürgerinnen und Bürger der ehemaligen DDR (und im Hintergrund auch an die Zurückhaltung der dortigen Polizei- und Armeekräfte). Das Volk der DDR schaffte es, sich ohne Gewalt durch stetiges und unnachgiebiges Bemühen gegen die Herrschenden durchzusetzen. Was damals galt, gilt auch heute:

Wir sind das Volk!

Und was damals wohl alle Beteiligten im Bewusstsein hatten gilt grundsätzlich: Die Anwendung von Gewalt stellt immer ein Versagen dar!

Das heute zunehmend mehr Menschen für ihre Rechte und ihre Meinung auf die Straße gehen, gibt Hoffnung! Denn wenn alle Menschen (Politiker wie normale Bürgerin) diese Chance erkennen, kann diese Entwicklung auch in eine politische Ordnung münden, die dem anfangs beschriebenen Ideal näher kommt.

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Nachsatz zu Äußerungen aus der Wirtschaft

Aus Wirtschaftskreisen wird politischer Protest gern als schädlich für die Wirtschaft und somit verantwortungslos bezeichnet. Nun mag politischer Protest mitunter tatsächlich Wirtschaftsprozesse behindert. Aber jeder Mensch muss sich fragen, was ihm das Leben und die Freiheiten anderer Menschen jetzt und in der Zukunft wert sind. Und das hier beschriebene anzustrebende demokratische Ideal gilt als Grundlage für alle gesellschaftlichen Prozesse, also auch für die wirtschaftlichen.

Nun kann möglicherweise niemand erwarten, dass Wirtschaftsunternehmen beziehungsweise die in ihnen Verantwortung tragenden Menschen einfach das bestehende Wirtschaftssystem von heute auf morgen umwerfen. Das wäre dann wahrscheinlich auch volkswirtschaftlich schädlich. Aber verantwortungsbewusst entscheidende und handelnde Menschen unterstützen nach ihren Möglichkeiten demokratische Prozesse und behindern sie nicht. Wer nur dem Primaten der Ökonomie folgt, handelt egoistisch und damit meist auch gegen das Gemeinwohl.

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Weitere Informationen:

Ein interessanter Kommentar mit zwei eingebundenden aufschlussreichen Video- bzw. Fernsehaufnahmen findet sich unter:

http://www.spiegelfechter.com/wordpress/4202/der-bahnhof-des-himmlischen-friedens#more-4202

Und angesichts der unverhältnismäßigen Polizeigewalt sei hier auch an eine laufende Aktion von Amnesty International Deutschland erinnert:

http://www.amnestypolizei.de/mitmachen/fordern.html

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Quellen

[1] Willy Brandt, Erinnerungen, 1989, zitiert nach Wikiquote (http://de.wikiquote.org/wiki/Willy_Brandt).

[2] Immanuel Kant: Grundlegung zur Metaphysik der Sitten. Hrsg. Von Theodor Valentiner. Stuttgart: Reclam, 1991 [(1) 1785], S. 68 (Hervorhebung im Original).

[3] Kant, Grundlegung, S.92.

[4] Radiomeldung im Deutschland Funk vom 9. Oktober 2010 (http://www.dradio.de/nachrichten/201010090400/6).

[5] Allgemeine Erklärung der Menschenrechte der UN-Generalversammlung 1948 (http://www.amnesty.de/umleitung/1899/deu07/001?lang=de%26mimetype%3dtext%2fhtml).

[6] „Polizeichef traute eigenen Beamten nicht“, Spiegel-Online vom 2. Oktober 2010 (http://www.spiegel.de/politik/deutschland/0,1518,720844,00.html).

[7] Pressemitteilung der Gewerkschaft der Polizei vom 11.10.2010 (http://www.gdp.de/gdp/gdp.nsf/ID/56BD03CDD23D9E43C12577B9001F4070?Open).

[8] Wahlkampfplakat aus 1972.

[9] Immanuel Kant: zitiert nach Ingeborg Maus: Zur Aufklärung der Demokratietheorie: Rechts- und demokratietheoretische Überlegungen im Anschluß an Kant. Suhrkamp-Taschenbuch. Frankfurt /Main: Suhrkamp, 1994, S. 128 (Hervorhebungen im Original).

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Gedanken zum Zeitgeist

In den Gedanken zum Zeitgeist erscheinen in loser Folge kritische Kommentare zur aktuellen gesellschaftlichen und politischen Entwicklung in Deutschland und der Welt. Die einzelnen Gedanken zum Zeitgeist fokusieren in der Regel ein Thema und setzen auch unterschiedliche Schwerpunkte.  Grundsätzliche Standpunkte wie auch der philosophische Unterbau werden dabei nicht jedes Mal neu dargelegt. Für ein besseres Verständnis der Basis der geäußerten Kritik ist es also sinnvoll, nach und nach alle Gedanken zum Zeitgeist zu lesen und auch die Seite Ostfalen-Spiegel.

I. Tapfer sterben für …

II. Der Finger in der Wunde

III. Die Demokratie lebt vom Diskurs

IV. Mehr Schein als Sein

V. Begründung einer Hoffnung

VI. Wer das Geld hat –

VII:.…

Katgeorie:Hauptartikel, Kommentare, Politik und Gesellschaft, Wirtschaft | Kommentare deaktiviert für III. Die Demokratie lebt vom Diskurs
August 22

Widerstand gegen eine Energie ohne Zukunft

Widerstand gegen eine Energie ohne Zukunft

Der „Energiepolitische Appell“ deutscher Spitzenmanager bewirkt möglicherweise das Gegenteil von dem, was bezweckt war. Der Widerstand gegen das Vorhaben, die Laufzeiten für die deutschen Atomkraftwerke zu verlängern, wächst – bei mündigen Bürgern wie auch in den Reihen der Regierungskoalition.

Salzgitter/Berlin, 22.08.2010. (re) Wirtschaftsmacht gegen Volkswillen, so könnte die derzeitige Debatte über die Verlängerung der Laufzeiten für die deutschen Atomkraftwerke (AKWs) überschrieben werden. Vor zehn Jahren haben die deutschen Energieversorgungsunternehmen (EVUs) – vornehmlich die vier großen Konzerne – eine Vereinbarung mit der damaligen rot-grünen Bundesregierung unterschrieben, in welchem der Ausstieg aus der Nutzung der Kernenergie festgeschrieben und in Folge dessen 2002 ins Atomgesetz übernommen wurde. Mit den geänderten Mehrheitsverhältnissen in Berlin kam umgehend der Wunsch auf, aus dieser gesetzlichen Regelung wieder auszusteigen. Der vorläufige Höhepunkt ist nun der „Energiepolitische Appell“ führender deutscher Manager aber auch anderer bekannter Personen. In diesem Appell wird für die Verlängerung der Laufzeiten für die deutschen AKWs geworben. Unterzeichner sind neben Managern aus den vier großen deutschen Stromkonzernen zum Beispiel auch der Vorstandsvorsitzende der Deutschen Bank Josef Ackermann, der Manager der Deutschen Fußballnationalmannschaft Oliver Bierhoff und der ehemalige SPD-Politiker Wolfgang Clement sowie der Aufsichtsratsvorsitzende der Salzgitter AG Rainer Thieme.

Auf der anderen Seite formiert sich ein immer stärker werdender Widerstand gegen den weiteren Betrieb von Atomkraftwerken. Wie bereits berichtet, ist für den 18. September eine Großdemonstration gegen die weitere Nutzung der Atomenergie geplant. Damit soll einmal mehr der Mehrheitswillen des deutschen Volkes vor dem Reichstag zum Ausdruck gebracht werden. Und auch im Regierungslager wächst der Widerstand. Wie Spiegel-Online und Die Zeit berichten, wird der Appell aus der Wirtschaft von Mitgliedern der Regierungskoalition mit sachlich unterschiedlichen Schwerpunkten zum Teil scharf verurteilt.

Gegen-Kampagne „Energie ohne Zukunft“

Der Ärger über diese kapitalkräftige Kampagne der Industrie bringt auch bisher nicht engagierte Bürgerinnen und Bürger zum Handeln. Wie der Pressedienst der Arbeitsgemeinschaft Schacht Konrad mitteilt, wurde an diesem Wochenende die Gegen-Kampagne „Energie ohne Zukunft“ ins Leben gerufen. Niklas Sum und Philipp Schächtle, die keiner Partei oder Umweltorganisation angehören, haben diese Online-Kampagne binnen kürzester Zeit ins Leben gerufen. Der studierte Betriebswirt Niklas Sum (24), der in einem sozialen Internet-Start-Up in Berlin arbeitet, zeigt sich überzeugt, dass seine Website mehr Unterstützer findet als die von der Agentur „Jung von Matt“ geplante Kampagne: „Die Argumente sprechen gegen Atom- und Kernenergie. Die Menschen sind nicht bereit der Lobbyarbeit der Atomindustrie weiter Glauben zu schenken.“

Leichterer Zugang zur Atombombe

Die Nutzung der Atomenergie war von Anbeginn mit Gefahren und zweifelhaften Begehrlichkeiten verbunden. Sowohl Marie Curie als auch ihre ebenfalls mit radioaktivem Material forschende Tochter Irène Joliot-Curie sind vermutlich an den Folgen des Umgangs mit radioaktiven Elementen gestorben. Forscher im Manhatten-Projekt zur Entwicklung der ersten Atombombe haben sich verstrahlt und sind bald danach daran verstorben. Hunderttausende Tote haben 1945 die Atombombenabwürfe auf Japan gefordert. Und an den Folgen der Katastrophe von Tschernobyl 1986 sind unzählige Menschen gestorben. Trotz solcher Erfahrungen wird von Politik und Wirtschaft in vielen Ländern unverändert an dieser Technik festgehalten. Ein wichtiger Grund, Atomkraftwerke zu betreiben, scheint denn auch immer der leichtere Zugang zur Atombombe zu sein. Wegen des politischen Interesses waren Regierungen auch immer wieder an der Einführung dieser Technik beteiligt. In Frankreich ist der Energieversorger EDF staatlich (wenn auch seit 2004 als Aktiengesellschaft), in Deutschland wurde der Bau von Atomkraftwerken in den 1970er Jahren mit Forschungsgeldern subventioniert und warum der Iran so vehement an dem Bau seines ersten Atomkraftwerkes festgehalten hat, bleibt auch zu fragen. Für die großen deutschen Energieversorger ist diese Technik zusammen mit den steuerfreien Entsorgungsrückstellungen mittlerweile eine Art „Lizenz zum Gelddrucken“.

Keineswegs taugliche „Brückentechnologie“

Auch die als besonders sicher dargestellten deutschen Atomkraftwerke bergen das „Restrisiko“ eines Unglücks (GAU) mit massiver Freisetzung radioaktiver Strahlung. Dieses Risiko steigt mit jedem Betriebsjahr, in dem die Strahlung und andere Alterungsprozesse die Anlagen verschleißen lassen. Der Betrieb der Atomkraftwerke, die möglichst ohne Lastwechsel gefahren werden müssen, steht zudem einer verantwortungsbewussten, zukunftsorientierten Energiewende im Weg und ist keineswegs eine dafür taugliche „Brückentechnologie“. Und die Belastung für Mensch und Umwelt beginnt bereits beim Uranbergbau. Ungeachtet dessen ist die Frage der sicheren Entsorgung der über Jahrtausende strahlenden Abfälle ohnehin unverändert ungeklärt und kann wahrscheinlich auch niemals abschließend geklärt werden. Alles Gründe, die verantwortungsbewusst denkende und handelnde Menschen den Ausstieg aus dieser Technik fordern lässt.

Literaturauswahl zu den verschiedenen Aspekten der Atomenergienutzung:

Fischer, Bernhard; Lothar Hahn, Christian Küppers u. a.:

Der Atommüll-Report: „Entsorgung“, Wiederaufarbeitung, Lagerung: Das offene Ende der Atomwirtschaft. Eine Publikation des Öko-Instituts. München: Knaur, 1991.

Jungk, Robert:

Der Atomstaat. Vom Fortschritt in die Unmenschlichkeit. Mit einem Vorwort von Mathias Grefrath. München: Heyne, 1991.

May, John:

Das Greenpeace-Handbuch des Atomzeitalters: Daten – Fakten – Katastrophen. A. d. Engl. V. Helmut Dierlamm u. Reiner Pfleiderer. Redaktionelle Betreuuung Wolfram Ströle. München: Knaur, 1989.

Paul, Reimar:

Das Wismut Erbe. Göttingen: Verlag Die Werkstatt, 1991.

Juni 18

E-Mail-Archivierung

Die Archivierung geschäftlicher E-Mails wird vernachlässigt

In vielen, vor allem kleineren Firmen existiert seit einiger Zeit ein meist unbekanntes rechtliches Risiko. Geschäftliche E-Mails werden nicht dauerhaft archiviert.

Wolfenbüttel. (re) Die Nutzung des Internets ist mittlerweile allgemein üblich. Das hat dazu geführt, dass die elektronische Post auch im geschäftlichen Bereich alltäglich genutzt wird. Anfragen, Angebote oder auch Rechnungen werden immer häufiger per E-Mail ausgetauscht. Allein 2006 wurden weltweit mehr als 22 Milliarden geschäftliche E-Mail-Nachrichten versandt. Viele Gewerbetreibende beachten dabei bisher aber nicht ihre Buchführungspflicht. Wie jedes für den Geschäftsbetrieb ausgetauschte Papierdokument müssen auch E-Mails dauerhaft sicher aufbewahrt werden.

Handels- und steuerrechtliche Vorschriften

In den handels- und steuerrechtlichen Vorschriften werden Buchführungspflichten und damit zusammenhängende Aufbewahrungspflichten festgelegt. Die Grundlagen hierfür finden sich im Handelsgesetzbuch (HGB), in der Abgabenordnung (AO) und im Umsatzsteuergesetz (UStG). Neben diesen gesetzlichen Grundlagen gelten die Grundsätze ordnungsgemäßer Buchführung (GoB) und die Grundsätze ordnungsmäßiger DV-gestützter Buchführungssysteme (GoBS). Diese Grundsätze sind nur zum Teil schriftlich festgehalten und leiten sich aus den Gesetzen und Verordnungen her wie auch aus der Wissenschaft, aus der Praxis, aus Empfehlungen von Verbänden und aus der Rechtsprechung. Ergänzt wird dies schließlich noch durch die Grundsätze zum Datenzugriff und zur Prüfbarkeit digitaler Unterlagen (GDPdU). Aus den genannten Vorschriften ergibt sich eine Archivierungspflicht über einen Zeitraum von sechs beziehungsweise zehn Jahren. Tatsächlich ergeben sich in der Regel sogar noch längere Zeiträume, da die Archivierungspflicht erst mit dem Abschluss des letzten das Buchungsjahr betreffenden Vorganges beginnt.

Kleine und mittlere Unternehmen

Vor allem in kleinen und mittleren Unternehmen ohne große IT-Infrastruktur wird der elektronischen Geschäftskorrespondenz noch nicht die gleiche Bedeutung beigemessen wie den Papierbelegen. Dies kann unter Umständen aber erhebliche finanzielle und auch rechtliche Konsequenzen nach sich ziehen. Neben einer möglichen Steuerschätzung können Verstöße gegen die Archivierungspflicht durchaus auch zu strafrechtlichen Konsequenzen führen.

Geld- oder Freiheitsstrafen

Eine vorsätzliche Verletzung der gesetzlichen Aufbewahrungspflichten ist nach StGB mit Geldstrafe oder Freiheitsstrafe bis zu fünf Jahren bedroht. Außerdem liegt bei einer Verletzung der steuerlichen Archivierungspflichten keine ordnungsgemäße Buchführung vor, weshalb unter Umständen auch eine Schätzung der Besteuerungsgrundlagen droht.

Abgesehen von der rechtlichen Sicherheit bringt die rechtssichere Archivierung aber auch weitere Vorteile mit sich. So ist der Zugriff auf die E-Mails vereinfacht und versehentlich gelöschte E-Mails sind nicht dauerhaft verloren. In den E-Mails enthaltene Informationen können also über den gesamten Archivierungszeitraum in kurzer Zeit wieder aufgefunden werden.

Insgesamt ist es ratsam, dem Thema E-Mail-Archivierung nicht weiter zu vernachlässigen. Technische Lösungen sind vorhanden und können von kompetenten IT-Fachbetrieben auch angeboten werden.

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März 2

Ein neues Einkaufszentrum in Wolfenbüttel

Ein neues Einkaufszentrum in Wolfenbüttel

Wolfenbüttel. (re) Seit dem Sommer 2009 hat Wolfenbüttel kein Kaufhaus mehr. Das bis dahin vorhandene Kaufhaus (zuletzt Herti, davor Karstadt) wurde von der Herti GmbH aufgegeben. Einen Nachfolger gab es offenbar nicht. Nun steht das erst in den 1970er Jahren errichtete Gebäude leer. Die Wolfenbütteler Bürgerinnen und Bürger haben dadurch einen wichtigen Einzelhändler mit umfassendem Sortiment verloren und die Innenstadt zugleich einen wichtige Anziehungspunkt für Käufer. Darunter leidet der gesamte Einzelhandel in der Innenstadt. Es ist also für alle Beteiligten wichtig, wieder einen entsprechenden Anziehungspunkt in die Innenstadt zu bekommen. Ein Braunschweiger Investor plant nun, das Gebäude abzureißen und ein neues Einkaufszentrum zu errichten. Ähnlich zum Beispiel der Schloss-Arkaden in Braunschweig soll das Einkaufszentrum eine Vielzahl von Geschäften aus unterschiedlichen Branchen beherbergen. Als Name für den neuen Einkaufspalast wird „Lessing-Galerie“ genannt. Das Stadtmarketing Wolfenbüttel betreibt im Internet mittlerweile unter dem Namen Citybaustelle eine Informationsseite zu diesem Projekt. Doch, so wichtig ein Ersatz für das geschlossene Herti-Kaufhaus ist, es gibt an der aktuellen Planung nicht nur positive Kritik.

In den Medien Beachtung fand kurze Zeit die Kritik an dem geplanten Namen des Einkaufszentrums, „Lessing-Galerie“. Vor allem vom ehemaligen Direktor der Herzog-August-Bibliothek (HAB) und Wolfenbütteler Ehrenbürger Prof. Dr. Dr. Paul Raabe kamen Bedenken, ein Einkaufszentrum nach dem bekannten Dichter der Aufklärung Gotthold Ephraim Lessing zu benennen. Einen wichtigen Aufklärer als Namenspatron für einen Shoppingcenter heranzuholen erscheint aufgeklärten Menschen dann auch wenig passend. Von Seiten des CDU-Landtagsabgeordneten Frank Oesterhelweg wird angeführt, dass es ja auch eine Lessing-Apotheke gibt. Das wird mit dem Hinweis beantwortet, dass zwischen einer Apotheke und einem auf Konsum ausgerichteten „Shopping-Center“ vielleicht doch ein Unterschied besteht. Bleibt die Frage, welcher Verwendung Herr Lessing selbst wohl seine Zustimmung gegeben hätte?

Als weitere Kritik werden die Befürchtungen geäußert, das neue Gebäude würde noch weniger in die denkmalgeschützte Altstadt von Wolfenbüttel passen. Und die umfangreichen Bauarbeiten könnten auf Grund des instabilen Untergrundes den Bestand der benachbarten historischen Gebäude gefährden. Die gesamte Innenstadt steht ja quasi in der Okerniederung mit einem entsprechend hohen Grundwasserspiegel.

Vor allem der Einzelhandel in der Innenstadt befürchtet, dass der lange Leerstand und die umfangreichen Baumaßnahmen der Innenstadt dauerhaft Kaufkraft entziehen. Viele Käufer aus dem Umland wechseln wohlmöglich nach Braunschweig und haben später wenig Anlass, wieder nach Wolfenbüttel zurückzukehren. Bereits jetzt sind solche Auswirkungen im innerstädtischen Einzelhandel zu spüren.

Wenig Beachtung fand bisher die ökologische Kritik an dem geplanten Vorhaben. So wird angemerkt, dass ein Neubau unter anderem eine mehrfache Entwertung von Energie zur Folge hat. Denn bei einem Neubau wird zunächst unter hohem Energieeinsatz das alte Gebäude (mit viel Stahlbeton) abgerissen. Damit wird zugleich die gesamte Energie entwertet, die in den 1970ern für den Bau aufgewandt wurde. Und dann wird, wieder mit viel Energieaufwand, ein neues Gebäude errichtet. Dem gegenüber würde eine Verwendung des bestehenden Gebäudes deutlich weniger Energie benötigen (eben nur für den Um- und Ausbau) und zugleich den Aufwand des vormaligen Baus weitgehend erhalten. Wie groß der Unterschied tatsächlich ist, wurde bisher allerdings noch nicht ermittelt. Vor dem Hintergrund der globalen Erwärmung erscheint diese Kritik aber unbedingt beachtenswert.

Nachtrag vom 23. Juni 2010:

Wie die Braunschweiger Zeitung berichtet, hat sich der ursprüngliche Investor aus dem Projekt zurückgezogen. Nun wird ein Nutzungskonzept des ehemaligen Herti-Kaufhauses diskutiert, bei welchem das Gebäude nicht abgerissen wird. Stattdessen soll ein Umbau stattfinden.

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