Dezember 24

Kommt zur Besinnung!

Kommt zur Besinnung!

Festtagsgedanken – im Ostfalen-Spiegel

Von Rainer Elsner

„Ihr folget falscher Spur,
Denkt nicht wir scherzen!
Ist nicht der Kern der Natur
Menschen im Herzen?“

Johann Wolfgang von Goethe

Wenn ich in das nun endende Jahr blicke, weiß ich nicht, ob ich weinen oder lachen soll. Eigentlich müssten wir alle weinen. Denn ob ich unsere politischen Skandale in Deutschland betrachte, ob ich die Katastrophe in Japan sehe oder ob ich zum Klimagipfel in Durban schaue – neben dem zum Teil unmittelbar damit verbundenen menschlichen Leid ist alles auch Ausdruck einer ebenso bedenklich wirkenden grundsätzlichen Gegebenheit. All diese Vorgänge und noch manches mehr erwecken den Anschein einer mindestens weit verbreiteten borniert wirkenden Dummheit. Und diese nötigt einem dann schon fast wieder das Lachen ab – wenn auch keine Freude. Sollte es aber keine bornierte Dummheit sein, was hinter diesen und vielen anderen Vorgängen steckt, wird es noch finsterer. Aber davon will ich zum „Fest der Liebe“ nicht anfangen zu reden.

Vielmehr möchte ich alle und vor allem die, die auch jetzt bei den Vorgängen um den Bundespräsidenten wieder so „schlau“ daher reden, zur Besinnung aufrufen. Denn nicht ein Amt wird hier beschädigt (das könnte ohnehin allenfalls der Amtsinhaber beschädigen), nein, unsere Demokratie nimmt Schaden. Und in einer Gesellschaft, in der Geld und Besitz eine, ja die zentrale Rolle spielen, ist es nicht die kritische öffentliche Auseinandersetzung mit möglichen finanziellen Abhängigkeiten politischer Amtsträger, die schädigend wirkt. Nein, die Demokratie lebt und stirbt mit einer kritischen Öffentlichkeit!

Von einzelnen Personen und Vorgängen Abstand nehmend rückt nach meinem Empfinden ein grundsätzliches Problem in den Mittelpunkt. Mitunter mehr noch als in den einzelnen Vorgängen wird dieses Problem zuweilen durch die jeweils zu findenden Kommentare von Chefredakteuren, Politikerinnen und anderen Menschen sichtbar. Nicht eben wenige Menschen halten sich (oder eben „die da oben“) dem Anschein nach für etwas Besseres und glauben deshalb wohl, dass für sie (oder eben „die da oben“) andere Regeln gelten. Bei zunehmend mehr Menschen in der Politik und anderswo scheint es ein fehlendes Unrechtsbewusstsein, eine gewisse Überheblichkeit und Maßlosigkeit und ein Verkennen der Bedeutung von Aufrichtigkeit zu geben. Ohne unsere demokratische Gesellschaft damit gleich in den Untergang reden zu wollen sehe ich hierin eine der großen Gefahren für eben diese demokratische Gesellschaft.

„… der Stolz eines Bürgers einer Republik ist [es], nicht mehr zu gelten in öffentlichen Angelegenheiten als irgendein anderer Bürger – dies ist seine »Tugend« – … wenn man in einer Republik nicht mehr weiß, was Tugend ist, … so geht [diese] … ihrem Ende entgegen.“

Hannah Arendt

Aber das Jahr hatte auch gute Geschichten. Im Alltag treffen wir auch immer wieder auf aufmerksame und hilfsbereite Menschen. In Vereinen und Institutionen engagieren sich zahlreiche Menschen beruflich wie ehrenamtlich. Wenn viele von uns die Festtage genießen, sind andere Menschen „unsichtbar“ für uns da – in Krankenhäusern, Polizeirevieren, Feuerwachen … oder auch in den Restaurants. Und nicht zuletzt: überall in der Welt standen Menschen gegen Unrecht und Unterdrückung auf und forderten ihre Rechte ein. Das gibt Hoffnung!

Der Ostfalen-Spiegel wünscht all seinen Leserinnen und Lesern ein schönes und besinnliches Weihnachtsfest und ein gesundes und friedliches neues Jahr!

Wolfenbüttel, 24. Dezember 2011

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Dezember 7

Neuer Attac-Basistext erschienen

Europa-Krise: Wege hinein und mögliche Wege hinaus

Neuer Attac-Basistext erschienen

Attac-Pressemitteilung vom 6. Dezember  2011

Frankfurt am Main, 06.12.2011. (attac) Die Europäische Union befindet sich in der schwersten Krise seit ihrem Bestehen. Nicht nur die gemeinsame Währung, das gesamte Integrationsprojekt steht auf dem Spiel. Die vorherrschende Krisenpolitik von EU und Internationalem Währungsfonds IWF – maßgeblich vorangetrieben von der deutschen Bundesregierung – stellt einen weitreichenden Angriff auf soziale und demokratische Rechte dar. Die Krise wird ausgenutzt, um den europäischen Neoliberalismus nachhaltig zu verschärfen und den Wohlstand weiter nach oben umzuverteilen. Wie konnte es so weit kommen? Und welche möglichen Wege aus der Krise gibt es?

Der Text zeichnet die Etappen der Eurokrise nach, analysiert ihre Ursachen, zeigt aber auch Alternativen

Diesen Fragen gehen Anne Karrass und Steffen Stierle in dem neuen Attac-Basistext „EuropaKrise: Wege hinein und mögliche Wege hinaus“ nach. Der Text zeichnet die einzelnen Etappen der EU-Krise nach und analysiert ihre politischen und ökonomischen Ursachen. Er zeigt aber auch auf, welche Alternativen es gibt.

Steffen Stierle: „Man kann von einem neoliberalen ‚Window of Opportunity‘ – einem Fenster der Möglichkeiten – sprechen, das die Krise öffnet: Es wird genutzt, um soziale und demokratische Rechte in einer Geschwindigkeit abzubauen, die ohne Krise undenkbar wäre.“

Nur ein soziales, demokratisches und ökologische Europa ist ein legitimes Europa

Anne Karrass: „Europa hat aber nur eine Zukunft, wenn es die entgegengesetzte Richtung einschlägt. Nur ein soziales, demokratisches und ökologische Europa ist ein legitimes Europa. Wenn die Politik keine solidarischen Antworten auf die Krise findet, provoziert sie einen Zerfall in nationalstaatliche Egoismen und bereitet den Nährboden für eine weitere rechtspopulistische Welle.“

Anne Karrass, Sozialökonomin, arbeitet im Deutschen Bundestag und gehört dem Wissenschaftlichen Beirat von Attac an. Steffen Stierle ist Volkswirt und Mitglied im bundesweiten Attac-Koordinierungskreis sowie in der Attac-Projektgruppe Eurokrise.

Taschenbuch-Reihe „Attac-Basis-Texte“ des VSA-Verlags

Der Band ist Teil der Taschenbuch-Reihe „Attac-Basis-Texte“ des VSA-Verlags, die grundlegendes Wissen über einzelne Themenfelder der Globalisierungskritik vermittelt. Der Text hat rund 100 Seiten und ist für 7 Euro im Buchhandel oder im Attac-Webshop erhältlich.

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Dezember 4

#3 Der Marsch in die Vergangenheit?

Der Marsch in die Vergangenheit?

Gefährliche Tendenzen in Politik und Bundeswehr

Denk-Anstoß #3 – im Ostfalen-Spiegel

Von Rainer Elsner

Wolfenbüttel, 04.12.2011 (update 05.12.2011). Das Dossier, ein „Portal für kritischen Journalismus“, wie es sich selbst überschreibt, hat in den vergangenen Tagen in seiner Presseschau zwei Beiträge über die militärisch gestützte Außenpolitik Deutschlands veröffentlicht. Ende November wurde ein Feature des Deutschlandfunks vorgestellt, welches sich in diesem Zusammenhang vor allem mit dem Kundus-Bombardement beschäftigt und sehr bedenklich stimmende Einsichten liefert. Am 3. Dezember wurde dann auf einen Beitrag in der Zweiwochenschrift Das Blättchen verwiesen. Dieser Beitrag beschäftigt sich mit der Zunahme der Bedeutung der Kriegsmarine bei den Militärs. In diesen Hinweisen des Dossiers wird hervorgehoben, dass eine Tendenz zu erkennen ist, die Außenpolitik und hierfür auch die Bundeswehr auf Leitbilder „einzuschwören“, die einer vordemokratischen Denkungsart folgen.

Krieg wieder als legitimes Mittel der Außenpolitik etablieren

Diese Beiträge sind Anlass, auch an dieser Stelle auf dieses wichtige Thema hinzuweisen. Denn die genannte Tendenz ist deutlich zu erkennen. Es scheint einfacher – und vor allem gewinnbringender zu sein -, den Krieg wieder als legitimes Mittel der Außenpolitik zu etablieren. Die Ursachen für gewaltsame Konflikte oder zum Beispiel Piraterie zu suchen und dann an deren Beseitigung menschlich verantwortungsvoll zu arbeiten, bringt eben keine schnellen Gewinne. Außenpolitik mit dem Kanonenboot aber ist vordemokratisch. Und für eine solche Politik sind bedingungslos gehorsame Soldaten und Soldatinnen notwendig, die ihren Eid dann ähnlich manch verantwortlicher Politikerinnen und Politiker nur noch als notwendige Formalie und letztlich also hohle Phrase anzusehen scheinen. – Sind wir also tatsächlich auf einem solchen Weg?

„die wirtschaftlichen Interessen von Deutschland durchsetzen“

2010 musste der damalige Bundespräsident Horst Köhler noch zurücktreten, als er ungeschickterweise (?) diese neue Ausrichtung in Außen- und Sicherheitspolitik ausgesprochen hatte. Das genau dieses Denken mittlerweile aber Einzug in die Köpfe der Menschen in unserem Land hält, zeigt zum Beispiel auch ein Leserbrief, der jüngst in der Braunschweiger Zeitung zu finden war. Der eigentliche Inhalt des Leserbriefes war die Kritik an der Berichterstattung zur angeblichen Waffenausbildung von Neonazis auch in Reservisten-Kameradschaften (was hier nicht das Thema ist). Die im Zusammenhang mit der Änderung der Leitbilder interessante Aussage in dem Leserbrief aber lautet: „… die Frauen und Männer, die für unser Land auf politische Entscheidung unter anderem auch am Horn von Afrika, »Handelsrouten für Europa«, die wirtschaftlichen Interessen von Deutschland durchsetzen.“* Erst in einem zweiten Satz werden dann noch Rechte und Freiheiten genannt.

Mit dem beeideten Auftrag der Bundeswehr hat das nichts mehr zu tun

Möglicherweise hat der Autor des Leserbriefes seine Aussage nicht überdacht. Aber auch das wäre dann ja ein Ausdruck eines Einzugs dieser vordemokratischen Leitbilder in das Denken der Menschen. Mit dem beeideten Auftrag der Bundeswehr, „Recht und Freiheit“ der Bundesrepublik Deutschland „tapfer zu verteidigen“ hat das Durchsetzen von wirtschaftlichen Interessen aber wenig bis nichts mehr zu tun. Recht und Freiheit gründen im Grundgesetz. Und das verpflichtet „alle staatliche Gewalt“, also selbstverständlich auch die Bundeswehr, „die Würde des Menschen … zu achten und zu schützen“. Alles Wesentlich dazu findet sich in Artikel 1 des Grundgesetzes! Einen Hinweis darauf, dass sicher nicht alle Soldatinnen und Soldaten diesen „neuen Leitbildern“ folgen wollen und werden, gibt da zum Glück der seit 1983 aktive Arbeitskreis Darmstädter Signal, einem „kritischen Forum für Staatsbürger in Uniform“, wie der Arbeitskreis sich selbst bezeichnet.

Weitere Informationen:

Die mp3-Datei bitte unbedingt anhören (re)!

*Leserbrief „Reservisten benötigen keine Waffen“ in Braunschweiger Zeitung vom 02.12.2011, S. 32 (Hervorhebungen im Original).

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Dezember 2

#2 Ein Blick über den Presse-Rand

Ein Blick über den Presse-Rand

Denk-Anstoß #2 – im Ostfalen-Spiegel

Von Rainer Elsner

Wolfenbüttel, 01.12.2011. Auch der Ostfalen-Spiegel wurde unter anderem ins Leben gerufen, um die Berichterstattung der vorhandenen Medien zu ergänzen. Dies geschah mit dem Eindruck, dass diese Berichterstattung immer wieder recht einseitig ist und sich in politischen Themen meist an Vorgaben einflussreicher Parteien, Organisationen und Unternehmen hält. Eine besondere Rolle spielt hier zum Beispiel die Initiative Neue Soziale Marktwirtschaft(INSM). Auch mangelt es allem Anschein nach nicht selten an präziser Recherche und fundierten Hintergrundinformationen.

Was veranlasst zu dieser Sichtweise?

Was veranlasst zu dieser Sichtweise? Nun, ein aufmerksamer und kritischer Blick in die Presse zeigt solches zumindest tendenziell mitunter auch eindeutig. Die Überschriften wie die Inhalte ähneln einander nicht selten. Alle arbeiten sich am gleichen, gerade auf der Informationswelle oben treibenden Thema ab und lassen die gleichen „Experten“ zu Wort kommen. Wirklich fundierte Kritik, wie sie von einer „vierten Gewalt“ zu erwarten wäre, bleibt die Ausnahme.

„Die verlorene Ehre der Katharina Blum“

Bei näherer Betrachtung werden dann interessante Aspekte sichtbar: Nicht wenige Menschen lassen sich durch die Springerpresse mit ihrem Flaggschiff, der Boulevardzeitung Bild-Zeitung (und bild.de), informieren. Schon Heinrich Böll hatte mit seiner Erzählung „Die verlorene Ehre der Katharina Blum“ auf die Arbeitsweise, den Informationsgehalt und die dahinter stehende Denkungsart dieser Medien hingewiesen. Und daran hat sich trotz aller Kaschierungen im Prinzip bis heute nichts geändert (wie z. B. auch der BILDblog immer wieder belegt). Dennoch hat die Springer-Presse eine breite Leserschaft in allen (!) Bildungsschichten.

konzernartiges Zusammenwachsen der Verlage in der Lokalpresse wie auch in den überregionalen Zeitschriften

Und die anderen? In der Lokalpresse wie auch in den überregionalen Zeitschriften hat es eine konzernartiges Zusammenwachsen der Verlage gegeben, so dass von einer wirklichen Unabhängigkeit auch hier nicht mehr gesprochen werden kann. Aufmerksame Leser erkennen immer wieder die Einflüsse aus Politik und Wirtschaft auf die Berichterstattung. Denn warum sonst sollte zum Beispiel die von Wissenschaftlern gern gelesene „ZEIT“ dem Plagiator Guttenberg jüngst die Titelstory mit „freundlichem“ Portrait auf der Titelseite schenken? Und auch die lieben „Experten“ sind häufig nicht so wissend und unabhängig, wie es ihre wissenschaftlichen Titel glauben machen. Denn nicht selten werden bei genauerer Betrachtung immer gleiche Auftraggeber für Forschungsarbeiten sichtbar und eine Professorentitel allein ist ohnehin kein Garant für Weisheit.

ein kleines Jubiläum im Bereich kritischer Medien

Nun lassen es Zeit und Größe dieser Redaktion nicht zu, dass hier ein ausreichender Ausgleich geschaffen wird. Um so deutlicher aber ist ein kleines Jubiläum im Bereich kritischer Medien Anlass, auf die genannten Probleme und Defizite hinzuweisen und auf „eine gebündelte Informationsquelle für jene Bürgerinnen und Bürger …, die am Mainstream der öffentlichen Meinungsmacher zweifeln und gegen die gängigen Parolen Einspruch anmelden“*, zu verweisen.

Am 30. November feierten die NachDenkSeiten ihr achtjähriges Jubiläum. Als Glückwunsch und als Anregung, diese „kritische Webseite“ regelmäßig zu besuchen (ein News-Feed kann abonniert werden) und auch finanziell zu unterstützen, veröffentlicht der Ostfalen-Spiegel im Anschluss den Jubiläumsartikel der NachDenkSeiten. Zugleich finden sich in diesem Artikel auch noch wichtige Informationen zum immer noch aktuellen Stuttgart21! Als weitere kritische Informationsquellen sind an dieser Stelle Blogs zu nennen wie zum Beispiel der Spiegelfechter, in welchem auch interessante Diskussionen geführt werden oder unabhängige Zeitschriften wie das Greenpeace-Magazin, was nicht nur reine Umweltthemen (gibt es die überhaupt?) abarbeitet und es seit Jahren schafft, sich ohne Anzeigen zu finanzieren.

Den eigenen Verstand und die eigene Vernunft dürfen wir nie abschalten!

Auch all diese Informationsquellen sind sicher nicht immer objektiv oder fehlerfrei. Den eigenen Verstand und die eigene Vernunft dürfen wir nie abschalten! Jedoch sind die Informationen in den zuletzt genannten Medien eben nicht das Produkt einer hochdotierten PR-Mannschaft, sondern das Ergebnis von Menschen, die mehrheitlich auch aus menschlichen Idealen heraus arbeitenden. Wer neben seiner lokalen Tageszeitung einen regemäßigen Blick in solche Medien wirft, wird also sicher nicht dümmer ;-).

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