März 27

Jägerlatein

Jägerlatein – Geschichten von einem Raufbold

Kommentar zum Artikel „Der versteckte Hirsch“ in der Wild und Hund Nr. 3/2010.

Von Rainer Elsner

Um es gleich vorne weg zu klären. Dieser Beitrag richtet sich nicht gegen die Jäger und will auch nicht alle Jäger in die braune Ecke stellen! Allerdings habe ich mit etwas Verwunderung bei einem befreundeten Jäger diesen Artikel und die Reaktionen darauf in der genannten Zeitschrift gelesen. Darauf hin stellte sich mir die Frage: Was fasziniert deutsche Jäger an einer Hirschskulptur aus dem Dritten Reich? In der Jagdzeitschrift Wild und Hund wurde im Heft 3/2010 auf den Seiten 100 und 101 eine Artikel veröffentlicht, in welchem über die Geschichte einer lebensgroßen Hirschskulptur berichtet wird. Die Skulptur wurde im Auftrag von Hermann Göring gefertigt und stellt einen Hirsch dar, den der damalige Ministerpräsident von Preußen, Oberbefehlshaber der Luftwaffe und Reichsjägermeister Göring erlegt hatte. Das Tier erhielt den Spitznamen „Raufbold“. Bei der Reichjagdausstellung 1937 in Berlin bekam die Skulptur einen exponierten Platz vor dem Eingang der Ausstellung. Der gesamte Beitrag in der Wild und Hund befasst sich mit der Geschichte dieser Skulptur. In einem unbefangenen Tonfall wird beschrieben, dass der Hirsch sogar die DDR überlebt hat und nun versteckt in einem Park im Osten Berlins auf seine Besucher wartet. Gestallterisch wird der Artikel von einem Foto des monumentalen Eingangsportals der Jagdausstellung von 1937 dominiert. Ein weiteres Bild zeigt einen freundlichen Göring mit dem erlegten Hirsch. Mit keiner Silbe wird in dem Artikel darauf eingegangen, welche menschenverachtenden Verbrechen Hermann Göring mit zu verantworten hatte. Dies gab den Anlass, folgenden Leserbrief zu verfassen:

Leserbrief zum Artikel „Der versteckte Hirsch“

Es ist ja vielleicht tatsächlich interessant, zu wissen, wo der besagte Hirsch verblieben ist. Allerdings fragt sich, warum? Jagdtrophäen sind in fast jedem Jagdhaushalt zu finden. Wege zu Hirschskulpturen finden sich zum Beispiel mit der Google-Bildersuche. Und bei einer Beschäftigung mit dem Dritten Reich helfen das Lesen von Geschichtsbüchern, das Betrachten von Dokumentarfilmen und der Besuch von Museen und Gedenkstätten.

Was bleibt also übrig? Vielleicht ein Gedenken an den Reichsjägermeister? Diese Vermutung drängt sich auf. Denn was sonst macht diesen einen Hirsch so interessant und besuchenswert? Verstärkt wird diese Vermutung dann auch von der Tatsache, dass im besagten Artikel ja einfach nur vom Reichsjägermeister geschrieben wird.

Aber wer war denn nun dieser „liebe“ Reichsjägermeister Hermann Göring? Ist die Geschichte dieses wohl bekanntesten deutschen Jägers dem Autor nicht geläufig? Oder warum wird mit dieser Person so unbekümmert umgegangen?

Zur Erinnerung vereinfacht zusammengefasst: Herr Göring war ein drogensüchtiger und größenwahnsinniger Massenmörder. Er gehörte zu den Menschen, die von Anbeginn an der Beseitigung der demokratischen Weimarer Verfassung gearbeitet haben. Und Hermann Göring ist auch federführend verantwortlich für den Tod von mindestens etwa 6 Millionen Menschen! Er hat 1941 Reinhard Heydrich mit der „Endlösung der Judenfrage“ beauftragt.

Demokratisch gesinnte Menschen fragen sich: Was bitteschön ist an Symbolen der Geltungssucht dieses Mannes (be)suchenswert?

Der Stumpf sitzt auf der rechten Seite

Ein Abdruck des Leserbriefes fand bisher (die nachfolgenden drei Ausgaben) nicht statt. Das ist für sich noch kein nennenswerter Sachstand. Jedoch verwundert es, wenn dann folgender Abdruck eines Leserbriefes zu diesem Artikel erfolgt:

Der „versteckte Hirsch“

Bericht von einem ganz besonderen Ostpreußen. WuH 3/2010, Seite 100

Links und rechts

Der Stumpf der abgebrochenen Eissprosse sitzt bei „Raufbold“ nicht wie geschrieben auf der linken, sondern auf der rechten Stange … Anm. der Red.: Stimmt. Wir bitten, den Fehler zu entschuldigen.“

Wild und Hund, 6/2010, S. 102.

Dies schwächt den Eindruck, dass mit diesem Artikel in stillschweigendem Einvernehmen ein Göring-Kult gepflegt wird, nicht gerade ab.

Der anerkannte Jagdflieger

Nun war Hermann Göring nicht der klassische Nazi. Er verfolgte immer auch eigene Ziele, die nicht zu jeder Zeit mit der Nazi-Ideologie konform gingen. Jedoch arrangierte er sich schon früh in der Weimarer Republik mit Hitler und den Nazis und brachte es so bis in höchste Machtpositionen. Er ließ die ersten Konzentrationslager bauen, veranlasste die Gründung der Gestapo und befahl die Vernichtung der Juden. Auch wenn Hermann Göring im Ersten Weltkrieg vielleicht ein allgemein anerkannter deutscher Jagdflieger war, darf seine Mitverantwortung für die Verbrechen der Nazis bei der Auseinandersetzung mit seiner Person nicht unerwähnt bleiben.

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Januar 16

Verzichtet Westerwelle auf sein Ministergehalt?

Verzichtet Westerwelle auf sein Ministergehalt?

Kommentar

Von Rainer Elsner

Verzichtet der Bundesaußenminister Guido Westerwelle nun auf sein Ministergehalt? Die Antwort lautet wohl leider: Nein.

Erwarten könnten wir es allerdings nach seiner Äußerung beim Dreikönigstreffen der FDP am 6. Januar 2010 in Stuttgart. Oft findet sich ja die Wahrheit des eigenen Denkens in den auf andere projizierten Wahrheiten wieder. So auch bei Herrn Westerwelle. Denn jeder vernünftige Staatsbürger fragt nun: Was ist das für ein dekadentes Denken, aus dem heraus Steuern als Geschenk der Bürger an den Staat angesehen werden?

Zur Erinnerung, Herr Minister Westerwelle: Die Personenschützer, die Sie auf Schritt und Tritt begleiten, sind Beamte dieses Staates und werden aus Steuermitteln bezahlt. Müssen diese Beamten nun ihre Gehälter als Geschenke ansehen – oder gar als Almosen? Geschenke sind freiwillige Gaben, auf die kein Anspruch besteht. Wenn Steuern Geschenke sind, dann sind auch die aus diesen Mitteln bezahlten Gehälter Geschenke. Dann kann der Minister Westerwelle ja auch auf sein aus Steuermittel bezahltes Gehalt verzichten.

Zur Erklärung, Herr Minister Westerwelle: Steuern werden vom demokratisch verfassten Staat. erhoben, um seine Aufgabe zu finanzieren. Die Aufgabe des demokratisch verfassten Staates ist die Organisation des Zusammenlebens der in dem Staatsgebiet lebenden Menschen. Zu dieser Organisation gehört die Unterhaltung von lebensnotwendigen Infrastrukturen, der Schutz der Bevölkerung vor Gefahren mit Polizei, Feuerwehr und Streitkräften, das Regieren, die Gesetzgebung, die Rechtsprechung und anderes mehr.

Die Empörung unter Polizisten, Feuerwehrleuten, Soldaten und anderen Staatsdienern dürfte groß sein. Denn nach Westerwelles Äußerung müssen sie um ihr Gehalt bangen und künftig vielleicht für ihre anstrengende und mitunter gefährliche Arbeit um Almosen betteln.

Es kann als skandalös angesehen werden, wenn einer der ranghöchsten Funktionsträger dieser Republik, der Bundesaußenminister und Vizekanzler Dr. jur. Guido Westerwelle, ein solch verschrobenes Verständnis vom Staat hat. Es kann über die Höhe von Steuern gestritten werden, über die Verwendung von Steuern und auch darüber, was besteuert wird, nicht aber über die Notwendigkeit von Steuern. Die einzige Alternative wäre ein allein privatwirtschaftlich organisiertes Zusammenleben. In einer solchermaßen organisierten Gesellschaft würde alles von der Zahlungsfähigkeit des einzelnen Menschen abhängen. Für die Sicherheit sorgt ein zu bezahlender Sicherheitsdienst, den Krieg führen Söldner und so weiter und so fort. Dann allerdings leben wir nicht mehr in einer Demokratie, sondern in einer Art Oligarchie.

Ist dies das Ziel von Herrn Westerwelle? Ist dies das Ziel der FDP? Ist dies gar das Ziel der amtierenden Regierung? Die seit Antritt der CDU/CSU-FDP-Regierung Kohl stattfindenden Übereignungen von Gemeineigentum in das Eigentum weniger Privatpersonen (Privatisierungen) lässt eine solche Vermutung nicht gerade absurd erscheinen.

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Januar 16

Vordemokratisch

Vordemokratisch

Kommentar zur Artikelserie „Vor 90 Jahren – Erste Demokratie“ im Februar 2009 in der Braunschweiger Zeitung

Von Rainer Elsner

In dem mehrteiligen Bericht „Vor 90 Jahren – Erste Demokratie“ wird die Situation in Braunschweig zu Beginn der Weimarer Republik sehr einseitig beschrieben. Politisch links angesiedelte Kräfte werden als Feinde der Demokratie dargestellt, Fürsten und politisch extrem rechts stehende Kräfte aber als Retter der Demokratie gefeiert. Eine solch verzerrte Darstellung der Wirklichkeit sollte eine demokratische Presse eigentlich vermeiden.

Auseinandersetzung mit Geschichte hilft, Fehler zu vermeiden

Die Auseinandersetzung mit der Geschichte ist für die Bewältigung der Gegenwart und für die Gestaltung der Zukunft überaus wichtig. Die Überlieferung von Erfahrungen und Erlebnissen über die Generationen hinweg ist notwendig, um Entwicklungen und Ereignisse zu verstehen. Das Studium der Taten vorangegangener Generationen und ihrer Folgen kann helfen, richtige Entscheidungen zu fällen und Fehler zu vermeiden. In unserer Demokratie fällt unter anderem der Presse die Aufgabe zu, politisch wichtige Informationen allen Menschen zugänglich zu machen. Aus diesem Grund sind Presseberichte über die Fakten historisch bedeutender Momente sehr wichtig.

Die Artikelserie „Vor 90 Jahren – Erste Demokratie“ zu den politischen Auseinandersetzungen in Braunschweig zu Beginn der Weimarer Republik hat versucht, dieser Aufgabe nachzukommen. Die mitunter sehr konservativen Blickwinkel und Situationsbeschreibungen trüben das Ganze dann aber leider. Während die gerade überwundene Monarchie (die einen bestialischen Krieg zu verantworten hatte) in sehr freundlichen Worten angesprochen wird, werden die sozialistischen Kriegsgegner mit polemischen Spitzen diskreditiert und wichtige Informationen werden verschwiegen. Mehrfach wird zwar die Gefahr für die junge Demokratie betont und dann weiter von der Rettung dieser Demokratie geschrieben. Bei den beschriebenen Gefahren für diese junge Demokratie findet dann aber ein bedeutender Teil einfach keine Erwähnung. Und mehr noch, es werden dann Personen und Gruppen positiv erwähnt oder als Retter der Demokratie dargestellt, die tatsächlich wenig oder kein Interesse an der jungen Demokratie hatten. Und über diesen wichtigen Hintergrund wird an keiner Stelle aufgeklärt. Warum?

Vordemokratischer Begriff „Landesvater“

So wurde beispielsweise vom Braunschweiger Regenten Herzog Ernst August berichtet, er habe den Fehler gemacht, frühzeitig abzudanken. In diesem Zusammenhang wird der Herzog verklärend mit dem vordemokratischen Begriff „Landesvater“ bezeichnet. Gerade an dieser historisch bedeutenden Nahtstelle zwischen Monarchie und Demokratie in Deutschland ist es aber wichtig, alle Parteien und ihre jeweiligen Interessen und Standpunkte im Bezug auf die junge Demokratie klar zu benennen. Und da muss dann darauf hingewiesen werden, dass der Adel (also auch der Herzog) keine demokratische Legitimation für seinen Herrschaftsanspruch hatte und auch kein Interesse an einer Demokratie. Die eigentlichen Feinde der Demokratie finden sich also hier. Diese historisch wichtigen Fakten fehlen aber.

Als einziger Feind der Demokratie wird die von den Sozialisten ausgerufene Räterepublik beschrieben – obwohl sie dies für sich gesehen zunächst nicht zwingend ist (auch wenn dies im Wissen um die damaligen und späteren Entwicklungen in der Sowjetunion heute sicher anders bewertet werden muss).

Totengräber der Weimarer Republik als Retter gefeiert

Und es kommt noch schlimmer! Die späteren Totengräber der Weimarer Republik und ihrer Demokratie, die Freikorps, werden als Retter der Demokratie gefeiert. Diese sind dem Befehl der Reichsregierung aber tatsächlich meist aus ganz anderen Beweggründen gefolgt. Das wird bereits wenige Tage später offenbar, als eben diese Soldaten die für Freiheit und Demokratie bedeutende Persönlichkeit und erklärte Kriegsgegnerin Rosa Luxemburg ermorden.

Die Demokratie und Menschenleben verachtenden Soldaten und Offiziere dieses Freikorps, der „Garde-Kavallerie-Schützen-Division“, waren 1920 dann auch am Kapp-Lüttwitz-Putsch (kurz Kapp-Putsch) beteiligt, einem ersten Versuch reaktionärer Kräfte, die junge Demokratie zu stürzen. Auch der im Artikel genannte General Maercker spielte bei diesem Putsch eine undurchsichtige Rolle und wurde deshalb aus dem Militärdienst entlassen.

Mord an Walther Rathenau

Und der Mord am amtierenden Reichsaußenminister Walther Rathenau (DDP) am 24. Juni 1922 geht gleichfalls auf das Konto dieser Freikorpssoldaten – in diesem Fall der ehemaligen Marine-Brigade Ehrhardt, die 1919 mit Maercker in Braunschweig einmarschierte. Nicht wenige spätere SS-Führer und hitlertreue Wehrmachts-Offiziere waren Angehörige dieser Freikorps.

Für das Verständnis der Zusammenhänge gerade auch im Hinblick auf die weitere Entwicklung der ersten deutschen Demokratie und ihren Niedergang sind all diese Hinweise unerlässlich. Vor dem aktuellen Hintergrund des Erstarkens rechtsextremer menschen- und demokratiefeindlicher Gruppen erscheinen sie sogar zwingend notwendig!

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Quellen:

Bildungswerk Brandenburg:

http://www.bildungswerk-jks.de/Meine_Bilder_und_Dateien/2005.05A%20-%20Heydrich.pdf. 04.03.2009.

Bracher, Karl Dietrich, Manfred Funke, Hans-Adolf Jacobsen (Hrsg.):

Die Weimarer Republik 1918 – 1933: Politik – Wirtschaft – Gesellschaft. Schriftenreihe Band 251. Studien zur Zeitgeschichte. 2., durchges. Aufl. Bonn: Bundeszentrale für politische Bildung, 1988.

Böckenförde, Ernst-Wolfgang:

Der Zusammenbruch der Monarchie und die Entstehung der Weimarer Republik. In: Bracher, Karl Dietrich u. a.: Die Weimarer Republik. 2. Aufl. Bonn: Bundeszentrale für politische Bildung, 1988.

Rosenberg, Arthur:

Entstehung der Weimarer Republik. Hrsg. u. eingel. v. Kurt Kersten. 16. unveränd. Aufl. Frankfurt a. M: Europäische Verlagsanstalt, 1974.

Wette, Wolfram:

Militarismus in Deutschland: Geschichte einer kriegerischen Kultur. Lizenzausg. Darmstadt: Wissenschaftliche Buchgesellschaft, 2008.

Wikipedia:

http://de.wikipedia.org/wiki/Garde-Kavallerie-Sch%C3%BCtzen-Division 03.03.2009.

—: http://de.wikipedia.org/wiki/Georg_Ludwig_Rudolf_Maercker 03.03.2009.

—: http://de.wikipedia.org/wiki/Karl_Liebknecht 03.03.2009.

—: http://de.wikipedia.org/wiki/Marine-Brigade_Ehrhardt 03.03.09.

—: http://de.wikipedia.org/wiki/Rosa_Luxemburg 03.03.2009.

Zeitverlag (Hrsg.):

Die Zeit: Welt- und Kulturgeschichte: Epochen, Fakten, Hintergründe in 20 Bänden. Band 13: Erster Weltkrieg und Zwischenkriegszeit. Hamburg: Zeitverlag, 2006.

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