Mai 4

Ökologie in Lehre und Forschung

Rainer Elsner

Ökologie in Lehre und Forschung.

Hochschulreihe Band X.

Wolfenbüttel: Fachhochschule Braunschweig/Wolfenbüttel, 1994.

Kartoniert, XXII, 244.

ISBN 3-925884-10-6

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Grundlage für diese Veröffentlichung ist  die textgleiche Diplomarbeit Ansatzpunkte ökologisch verträglicher Arbeit in Lehre und Forschung – erörtert am Beispiel der Fachhochschule Braunschweig/Wolfenbüttel. Die interdisziplinäre Abschlußarbeit wurde im Januar 1994 im Fachbereich Versorgungstechnik vorgelegt. Nachfolgend findet sich die am Schluß der Arbeit stehende Zusammenfassung (die Überschriften sind redaktionell ergänzt worden).

Ihr folget falscher Spur,

denkt nicht, wir scherzen!

Ist nicht der Kern der Natur

Menschen im Herzen?

Johann Wolfgang von Goethe

Zusammenfassung

Aufgabe ist es, Ansatz­punkte für eine ökologisch verträgliche Arbeit in Lehre und Forschung zu finden. Dies geschieht am Beispiel der Fachhochschule Braun­schweig/Wolfenbüttel.

Ökologische Krise

Vor dem Hintergrund der ökologischen Krise, die an Phänomenen wie Treib­hauseffekt und Ozonloch sichtbar wird, stellt sich die Frage nach den Ursachen dieser Krise und nach neuen Wegen in allen Bereichen der Gesellschaft. Es kann eine über­mäßige Technisierung der Welt festgestellt werden, und mittlerweile geraten im Denken der Menschen vorherrschende Weltbilder zunehmend ins Wanken. Wissen­schaft und Technik spielen bei all dem eine bestimmende Rolle. Vieles weist aber darauf hin, daß die Menschlichkeit im derzeitigen Geschehen keinen angemessenen Stellen­wert besitzt; vielmehr sind Entscheidungen und Handlungen oftmals durch unmensch­liche Züge gekennzeichnet. All diese Phä­nomene und die bisherigen Reak­tionen der Menschen deuten darauf: die Welt ist in starkem Maße vernetzt, die Menschen haben diese Vernetzung bisher aber nicht ausreichend wahrgenommen und berücksichtigt. Eine in diesen Zusam­men­hängen dringend erforderlich erscheinende philosophische Diskussion über die derzeitige Lage und neue, möglich erscheinende Wege ist in Wissenschaft und Gesellschaft bisher nur wenig und unzureichend anzutreffen.

Ökologie

In den zuvor beschriebenen Zusammenhängen spielt die Ökologie eine wichti­ge Rolle, weshalb auch die Bedeutung der Begriffe Ökologie und ökologisch geklärt werden muß. Die biologische Teildisziplin Ökologie beschäftigt sich mit den Wechsel­beziehungen und den Wechselwirkungen zwischen Organismen und zwischen diesen und der unbe­lebten Natur. Dabei hat nicht zuletzt die Huma­nökologie dazu geführt, daß fast alle Wissenschaftsdisziplinen heute in der Öko­logie Berücksichtigung finden. Die Wurzeln der Ökologie reichen historisch be­trachtet weit zurück. Die Ur­sprünge der heutigen Ökologie sind im 17. und 18. Jahrhundert zu finden, der Begriff Ökologie entsteht im 19. Jahrhundert und am Ende des 19. Jahrhunderts hat sich die Ökologie als eigenständige Wissenschaft eta­bliert. Im 20. Jahrhundert wandelt und entwickelt sie sich zur modernen Öko­logie mit der Ökosystemfor­schung.

Vielschichtige Ursachen der Krise

Die Ökologiediskussion, die dem Begriff Ökologie einen gesellschaftspoliti­schen Charakter gegeben hat, ist gerade für diese Arbeit von Bedeutung. Das Wachstums­streben ist überall anzutreffen, erscheint aber in dieser Form nicht mehr länger als tragbar. Die Zusam­menhänge zwischen patriarchalen Herr­schaftsstrukturen, der Unterdrückung von Frauen und der Zerstörung der Natur lassen das Unmenschliche im Denken und Handeln zahlreicher Menschen sicht­bar werden und deuten einmal mehr auf die ver­netzten Strukturen der Welt. Damit verbunden ist ein Wissenschafts­aberglaube, der die Einschränkungen des Erkenntnisvermögens des Menschen stark verkennt und aus dem ein ständiges Machenwollen entspringt. Die Ursachen der ökologischen Krise sind also sehr vielschichtig.

Philosophische Diskussionen

Einige Aufgaben, die der Ökologie zugesprochen werden – insbesondere das Zusammenführen der vielen Wis­senschaftsdisziplinen -, sind allerdings in der Philoso­phie besser aufgehoben. Genauer sind auf viele Fragen keine letzten Antworten mög­lich, weshalb sie in philosophischen Diskus­sionen erörtert wer­den sollten. Außerdem nehmen wir die Welt vor­nehmlich fragmentiert wahr. Da diese in Wirklichkeit aber stark vernetzt ist, sollte verstärkt ein vernetztes Den­ken er­lernt und nach vernetzten Strukturen gesucht werden. Eine eindeutige, feste Definition für die Begriffe Ökologie und ökologisch ist somit aber nicht möglich. Es kann aber allgemein gesagt wer­den, daß ökologisch verträgliches Handeln sich an den Gegebenheiten der Natur aus­richtet und nicht gegen diese arbeitet.

Für den Bereich der Hochschule heißt das, daß ihre Arbeiten kurzfristig sicher weiter an der Schadensbegrenzung und -beseitigung mitarbeiten sollten; lang­fri­stig ist aber ein Handeln im Einklang mit der Natur anzustreben, wobei die Zeit nicht mehr all zu lang erscheint, die zum Umdenken verbleibt.

Dokumentierte Arbeiten der Fachhochschule

Die hier dokumentierten Arbeiten aus Lehre und Forschung der Fachhoch­schu­le, die sich z.Z. mit Ökologie und Umweltschutz beschäftigen, bilden eine Grundlage für Ansatzpunkte zum ökologisch verträglichen Arbeiten. In der Lehre gibt es in allen Fachbereichen – allerdings in unterschiedlichem Umfang – Veran­staltungen, die sich entweder am Rande oder schwer­punkt­mäßig mit öko­logi­schen Fragestellun­gen beschäftigen. Auf Grund der starken Spezialisierung spie­len diese Fragen nicht überall im gleichen Maße eine wichtige Rolle und sind auf einzelne Fachbe­reiche und Studiengänge beschränkt. Auch aus dem Bereich Forschung und Ent­wicklung sind zahlreiche Arbeiten doku­mentiert, wobei hier ebenfalls ein Fachbe­reich (Versorgungs­technik) den ungleich größten Teil ab­deckt. Ein Schwerpunkt an dieser Hochschule ist die Energie­versor­gung und -einsparung, ein weiterer ist die Entsorgung und einen dritten Schwerpunkt bildet der Verkehr. Aber auch Umweltüberwachung und Technikkritik sind zu finden, wobei u.a. eine intensive­re Beschäftigung mit der Technikfol­genabschät­zung ge­fordert wird.

Knapp vierzig Prozent der Lehrenden dieser Hochschule haben eine Umfrage nach ökologischen Lehr- und Forschungsinhalten beantwortet. Dabei sahen nicht ganz zwanzig Prozent aller Befragten einen ökologischen Bezug in Teilen ihrer Arbeit. Im Vergleich mit anderen, vornehmlich niedersächsischen Hochschulen fällt die FH Braunschweig/Wolfenbüttel bisher nicht besonders auf. Allerdings spielen soziale und ökologische Fragen, zwischen welchen eine starke Verbin­dung besteht, noch an den meisten Hochschulen eine nachgeordnete Rolle.

Vernetzt in Umwelt und Gesellschaft

Bei kritischen Betrachtungen sind Hochschule und Wissenschaft vernetzt in Umwelt und Gesellschaft zu sehen. Daß sich trotz mittlerweile jahrzehntelanger Anstrengungen noch nicht allzuviel verbessert hat, ist u.a. auf eini­ge Begeben­hei­ten in Wissenschaft und Gesellschaft zurückzuführen, die den notwendi­gen Wan­del zu ver­hindern scheinen. Hervorstechende Phänomene sind die Vorherr­schaft kurzfristiger ökonomi­scher Interes­sen, die weitgehend unvernetzte Dis­zi­plin­orien­tierung der Wissen­schaft, die Forde­rung nach Wissenschaftlich- und Beweisbar­keit, ein auffälliges Prestigedenken und die Auswirkungen der Wis­sen­schaft in der Praxis.

Bei der Suche nach ‘neuen’ Wegen, ist auch die ‘ideale’ freie und offene Hoch­schule zu vergegenwärtigen. Für die Schaffung eines verstärkten Problem­bewußtseins könnten in der Lehre zunächst verstärkt fachübergreifende Studien­anteile und das Projektstudium eingeführt werden; beides soll in einem fachbe­reichsübergreifenden Rahmen stattfinden. Das gleiche gilt für den FuE-Bereich, der ohnehin wieder stärker mit der Lehre ver­netzt werden sollte. Auch für diesen Be­reich erscheint die verstärkte fachbereichs­über­greifende Zusammenarbeit notwendig, die nicht mehr disziplinorientiert stattfindet, sondern die sich an den Problemen orien­tiert. So ist beispielsweise bei der Lösung von Verkehrspro­ble­men die Planung eines vollständigen Verkehrssystems angebracht. In diesem wer­den von Strategien der Verkehrsvermeidung über verknüpfbare bzw. sich ergän­zende Verkehrsmittel bis hin zur Energieversorgung alle relevanten Berei­che berücksichtigt. Dabei wird dann auch die Verbindung zu anderen Problem­berei­chen wie z.B. Energieversorgung oder Abfallentsorgung, welche ebenso umfas­send behandelt werden sollten, deutlich.

Vorrang kurzfristiger ökonomi­scher Interessen

Bei all dem kann und darf der Industriestandort Deutsch­land zum einen nicht das Maß aller Dinge sein, und zum anderen ist festzustellen, daß die Umweltauf­lagen diesem bisher eher genutzt als geschadet haben. Der Vorrang kurzfristiger ökonomi­scher Interessen dominater Gruppen in unserer Gesellschaft zeigt auch den oftmals noch unterschätzten sozialen Anteil der ökolo­gischen Krise. In Hoch­schule und Wissenschaft sollte deshalb die geistes- und sozial­wissen­schaftliche Auseinanderset­zung mit der ökologi­schen Krise verstärkt werden. Dazu gehört z.B. auch, daß solche Themen Einzug in die Lehrpläne der Inge­nieurwis­senschaf­ten finden. Die hier vorgeschlagene problembezogene Projekt­arbeit (Kap. III.4) versucht u.a. dies zu berücksichtigen. Eine Diskussion über Struktur, Arbeitsfor­men und Zielsetzungen der Fachhochschule scheint also dringend geboten.


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Veröffentlicht4. Mai 2010 von Schriftleiter in Kategorie "Allgemein und Übergreifend", "Ökologie", "Wissenschaft", "Wissenschaft