Juni 30

Eine mit Gewalt imprägnierte Gesellschaft

Buchvorstellung

Wolfram Wette

Militarismus in Deutschland: Geschichte einer kriegerischen Kultur.

Lizenzausg.

Darmstadt: Wissenschaftliche Buchgesellschaft, 2008.

Gebunden, SU, 309.

Bestellnummer: 21643-1

[Die Quellenangabe bezieht sich auf die der Rezension zugrunde liegende Ausgabe]

Rezension und Hintergrund

(re) Anschaulich und kompetent zeigt Wolfram Wette, dass die Wurzeln des deutschen Militarismus zurück reichen bis zu Friedrich I., dem ersten „König in Preußen“. Von Anbeginn waren Krieg und Militäradel zentrale Stützen des preußischen Staates. Der König war Kriegsherr und Gesetzgeber, die Adligen Gutsherren und Offiziere in der Armee. Die damit verbundene militärische Durchdringung der Gesellschaft verfestigte sich über die Jahrzehnte zunehmend. Mit der Gründung des Deutschen Kaiserreichs 1871 drückte Preußen seinen Stempel schließlich dem gesamten politischen Verbund auf. Bis zum Ende des Reiches 1918 blieb das preußische Militär der entscheidende Machtfaktor im gesamten Deutschen Kaiserreich.  Der preußische Militarismus lebte auch danach im Deutschen Reich weiter und führte schließlich mit in den grauenvollen und verbrecherischen Zweiten Weltkrieg.  Davon beeindruckt war dieser Militarismus zumindest in Westdeutschland über viele Jahrzehnte kaum sichtbar, wenn auch nicht verschwunden! Die Bundeswehr verstand sich (nach anfänglichen Negativtendenzen!) als der Demokratie verpflichtete reine Verteidigungsarmee, beanspruchte aber wie seine Vorläuferarmeen eine herausgehobene gesellschaftliche Stellung. Die westdeutsche Zivilgesellschaft kann in weiten Teilen als entmilitarisiert angesehen werden. Seit der Wiedervereinigung der beiden deutschen Staaten ändert sich nun der politische Stellenwert des Militärs aber wieder zunehmend, und es sind rückläufige Tendenzen zu erkennen. Sowohl der Einsatz des Militärs als Mittel der Außenpolitik als auch die latente Diskussion über den Einsatz von bewaffnetem Militär im Landesinnern zeigen eine Abkehr von der „friedlichen“ Nachkriegspolitik in eine gefährliche Richtung.

Umschlagtext:

Dass eine mit Gewalt imprägnierte Gesellschaft zu gegebener Zeit eine Eigendynamik entfalten, dass sie sich sogar als ein Treibhaus für Katastrophen erweisen kann, diese uns heute einleuchtend erscheinende Einsicht musste im 20. Jahrhundert teuer erkauft werden.

Wolfram Wette, weithin bekannt als einer der wichtigsten – kritischen – Militärhistoriker, macht mit seinem neuesten Werk deutlich, dass weiterreichende Erkenntnisse über die Genese des preußisch-deutschen Militarismus und der zwei Weltkriege aber erst gewonnen werden können, wenn bewusst wird, wie tief das Militär in Struktur und Mentalität der deutschen Gesellschaft besonders vom Kaiserreich an bis in die Zeit des Nationalsozialismus verwurzelt war. Einflüsse des Militärs auf die Politik, die Wissenschaft und die Wirtschaft, sozialer Militarismus, Gewaltverherrlichung, Kriegsideologien, Freund-Feind-Denken, nationalistische und rassistische Ideologien, militaristische Erziehung, Interessen der Rüstungsindustrie und andere Erscheinungen sind als Bestandteile eines größeren Ganzen aufzufassen.


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Veröffentlicht30. Juni 2010 von Schriftleiter in Kategorie "Geschichte", "Geschichte", "Militär", "Politik und Gesellschaft